Konzern-Zentrale GM Europa zieht nach Rüsselsheim

Der Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) verlegt seine Europa-Zentrale von Zürich nach Rüsselsheim. Auch ansonsten gewinnt der Standort für die amerikanische Mutter an Bedeutung: Die Hoffnungen auf bessere Verkaufserlöse ruhen auf einem in Rüsselsheim entwickelten Auto. Über mögliche Opel-Staatshilfen gibt es unterdessen weiter Streit.

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Die Konzernzentrale des Autobauers Opel in Rüsselsheim. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

HB RÜSSELSHEIM/DETROIT/FRANKFURT. "Wir wollen damit die Marke Opel und den Standort stärken", sagte ein Unternehmenssprecher am Samstag der Deutschen Presse-Agentur dpa auf Anfrage. Nach dem Verkauf von Saab wolle sich der US-Konzern in Europa nun auf seine Tochter Opel, die ihren Stammsitz in Rüsselsheim hat, sowie die Marke Chevrolet konzentrieren.

Die Standortentscheidung wird von Branchenkennern als Reaktion von GM auf die öffentliche Kritik an dem Gezerre um die Opel-Zukunft gesehen. Erst Anfang November hatte der wiedererstarkte Konzern entschieden, Opel zu behalten und nicht an den Zulieferer Magna zu verkaufen. GM will seine Tochter nun aus eigener Kraft sanieren. Das Opel-Stammwerk südwestlich von Frankfurt am Main ist mit rund 15 600 Mitarbeitern das Herz von Opel. Hier läuft der neue Mittelklassewagen Insignia vom Band. In Rüsselsheim ist zudem das Internationale Entwicklungszentrum (ITZ) angesiedelt. Daneben hat Opel in Deutschland noch Werke in Bochum, Kaiserslautern und Eisenach.

Der US-Konzern macht bei der Opel-Sanierung und dem Managerwechsel Tempo. Bis Ende des Jahres soll ein neuer Aufsichtsratschef für Opel gefunden sein, berichtete die "Welt am Sonntag". Mindestens zwei Kandidaten stünden für den Posten zur Wahl. Dem ursprünglichen Kandidaten für den Posten, GM-Urgestein Bob Lutz (77), werden in Unternehmenskreisen aber schlechte Chancen ausgerechnet, weil er bei den Arbeitnehmern nicht durchsetzbar sei. Der bisherige GM-Europachef und Vorsitzende des Aufsichtsrats, Carl-Peter Forster, war nach Absage des Opel-Verkaufs zum indischen Tata-Konzern gewechselt.

Nach Expertenmeinung hat Opel aber weniger ein Kosten-, als vielmehr ein Produktproblem und muss dringend seine Modellpalette erweitern. "Da werden die Modelle Astra und Insignia bei Weitem nicht ausreichen", sagte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach dem Branchenblatt "Automobilwoche". Neben dem Abbau von Überkapazitäten und der Reduzierung von Kosten müsse eine auf einem GM-weiten Modulbaukasten aufsetzende Produktstrategie entwickelt werden.

Die Sanierung wird nach Angaben des Opel-Aufsichtsrates und IG- Metall-Chefs von Hessen, Armin Schild, teurer als von GM bislang genannt. Statt der eingeplanten drei Mrd. Euro koste die Restrukturierung mindestens sieben Mrd. Euro, sagte Schild der "Wirtschaftswoche".

Der Umzug der rund 150 GM-Mitarbeiter aus Zürich hat bereits begonnen und soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Dort bleibt dann nur noch die Verwaltung der GM-Tochter Chevrolet sowie von Opel Schweiz. "Mit dem Verkauf der Tochter Saab hat die Mehrmarken- Strategie von GM nicht mehr gegriffen", erklärte der Sprecher die Entscheidung. Nun wolle man für Opel die Verwaltung, Entwicklung und Produktion in Rüsselsheim zusammenführen. Seit Mitte der 80er Jahre hatte der Konzern seine Europa-Zentrale in der Schweiz.

Der Betriebsrat begrüßte die GM-Entscheidung zum Umzug. "Das ist eine logische Konsequenz und eine Hommage an den Standort Rüsselsheim", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz. Der Betriebsrat erneuerte seine Forderung nach einer Umwandlung der Adam Opel GmbH in eine Aktiengesellschaft, damit Opel mehr Eigenständigkeit erhält. Dies hatte GM-Chef Fritz Henderson bei seinem Besuch in der vergangenen Woche in Rüsselsheim aber bereits abgelehnt und gesagt: "Ich bin mir einfach nicht sicher, ob das (die AG) der richtige Weg ist, um erfolgreich zu werden."

GM-Hoffnungen ruhen auf in Rüsselsheim entwickelten Auto

Die Hoffnungen des amerikanischen Autoherstellers auf bessere Verkaufserlöse ruhen auf einem weitgehend in Rüsselsheim entwickelten Modell. Der neue Buick Regal soll im kommenden Jahr in die US-Niederlassungen kommen und dem im Mittelklassesegment seit Jahren führenden Toyota Camry Konkurrenz machen, hieß es bei der Vorstellung des Autos in dieser Woche. Der neue Regal soll jüngere Käuferschichten erschließen - derzeit liegt das durchschnittliche Alter von Buick-Käufern bei 68 Jahren. "Ganz klar ist es für uns absolut entscheidend, einen Mittelklassetyp zu haben", sagte der Produktmarketing-Direktor Craig Bierley. Buick hat in diesem Jahr 33 Prozent weniger Autos verkauft. Das ist deutlich über dem durchschnittlichen Rückgang auf dem US-Markt, der bei 25 Prozent liegt.

Weiter Streit um Opel-Staatshilfen

Mögliche Staatshilfen zur Rettung von Opel sorgen in der Bundesregierung weiter für Diskussionen. Wie der "Spiegel" am Samstag vorab berichtete, stieß die Erklärung von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der Mutterkonzern GM verlange keine deutschen Hilfen mehr, in Kanzleramt und Finanzministerium auf Verwunderung. Beide Ressorts rechnen dem Bericht zufolge damit, dass GM einen entsprechenden Antrag stellen werde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) seien auch beide grundsätzlich bereit, Hilfen für Opel bereitzustellen, selbst wenn das Unternehmen im Besitz des US-Konzerns bleibt, hieß es laut "Spiegel" in beiden Häusern. So habe GM der Bundesregierung bereits angekündigt, schon bald ein Sanierungskonzept für die deutsche Tochter vorzulegen. Das wäre überflüssig, wenn die Amerikaner keine staatliche Hilfe wollten, sagte ein Insider sagte demnach.

Außenminister Guido Westerwelle signalisierte unterdessen Unterstützung für die Opel-Mitarbeiter: "Jetzt geht es darum, die Belegschaft und die Betriebsräte in ihrem berechtigten Kampf um die Erhaltung der Arbeitsplätze zu unterstützen", sagte er laut "Spiegel". Die abgewählte Große Koalition habe im Fall Opel viele Fehler gemacht. Wirtschaftsminister Brüderle übernehme deshalb ein schwieriges Erbe.

Abberufener Treuhänder

Der inzwischen abberufene Vertreter der Bundesländer in der Opel-Treuhand, Dirk Pfeil, rechnete in einem "Focus"-Interview mit den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und Jürgen Rüttgers ab. Der hessische Regierungschef Koch betreibe mit seiner Kritik an GM "Herz-Jesu-Sozialismus", sagte Pfeil laut Vorabmeldung. In Richtung des Düsseldorfer Ministerpräsidenten Rüttgers, der das Verhalten von General Motors menschenverachtend und rücksichtslos genannt hatte, sagte Pfeil demnach: "Das ist falsch und demagogisch. Da schürt ein Ministerpräsident mit völlig übertriebenen Formulierungen Ängste."

Pfeil, der durch den NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz (CDU) ersetzt wurde, kritisierte die politische Einflussnahme auf das Gremium: "Die Staatssekretäre der sogenannten Opel-Task-Force waren die eigentlichen Macher. Im Vorfeld der Bundestagswahl sollte ein politisch erwünschtes Ergebnis - möglichst viele Opel-Arbeitsplätze in Deutschland erhalten - von uns Fachleuten abgesegnet werden", kritisierte Pfeil. Er und der ebenfalls ausgeschiedene Ex-Continental-Chef Manfred Wennemer "sollten das Feigenblatt sein. Dabei haben wir nicht mitgespielt."

Suche nach Chefkontrolleur bis Jahresende

Noch vor Jahresende soll die Suche nach einem Aufsichtsratsvorsitzenden für Opel einem Zeitungsbericht zufolge abgeschlossen werden. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" gibt es offenbar mindestens zwei Kandidaten für den Posten des Aufsichtsratschefs. Die Entscheidung über den künftigen Chefkontrolleur könnte bereits auf der kommenden Aufsichtsratssitzung fallen, berichtete das Blatt vorab unter Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Kreise. Das ursprünglich für den 19. November vorgesehene Treffen des Kontrollgremiums sei in den Dezember verschoben worden.

Nach Informationen der "Automobilwoche" hat der ursprüngliche Kandidat für den Posten, Bob Lutz, kaum Chancen. Lutz sei bei den Arbeitnehmervertretern nicht durchzusetzen, sagte ein mit dem Vorgang Vertrauter dem Blatt zufolge.

Der bisherige Opel-Aufsichtsratsvorsitzende Carl-Peter Forster war vor einigen Tagen aus dem Amt ausgeschieden. Forster, der lange Jahre auch Opel-Vorstandschef war, hatte sich für den Verkauf des Rüsselsheimer Autobauers an das Konsortium um den kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna ausgesprochen. Anfang November hatte sich der Mutterkonzern dann entschlossen, die deutsche Tochtergesellschaft eigenständig zu sanieren.

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