Media Markt/Saturn Hat sich die Geiz-ist-geil-Mentalität überlebt?

Media Markt und Saturn kämpfen in Deutschland gegen Umsatzrückgang. Hat sich die Geiz-ist-geil-Mentalität überlebt?

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Eine große Menschenmenge wartet vor dem Media Markt in Freiburg auf die Öffnung der Eingangstür, dpa

Im Ausland ist die Handelswelt für Metro-Chef Hans-Joachim Körber noch in Ordnung. Unermüdlich jettet der 1,94-Meter-Hüne von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Der erste Mann im drittgrößten Handelskonzern der Welt eröffnet Cash&Carry-Märkte in Peking, Tokio und St. Petersburg, Real-Läden in Warschau und Timisoara. Am vergangenen Samstag war der 60-jährige Weltenbummler in Moskau: Zur Eröffnung der ersten beiden Media-Markt-Läden in Russland. In 30 Ländern sind die Düsseldorfer mit ihren Geschäften präsent, weit über die Hälfte des Umsatzes verdient der internationalste Händler der Welt außerhalb der Landesgrenzen. Sollte einst der Mond besiedelt werden, Metro Cash&Carry und Media-Saturn wären gewiss die Ersten dort. Ganz anders ist die Lage im Heimatland. Hier reiht sich ein Problemfall an den nächsten. Das Cash&Carry-Geschäft läuft bestenfalls mau, Galeria Kaufhof verdient die Kapitalkosten nicht und fährt hohe zweistellige Millionenverluste ein. Der im kommenden Jahr auslaufende Vertrag von Kaufhof-Chef Lovro Mandac wird voraussichtlich nicht verlängert. Verkaufsvorstand Stefan Herzberg, ein möglicher Nachfolger Mandacs, wurde in der vorvergangenen Woche mit sofortiger Wirkung freigestellt. Ihre Selbstbedienungs-Warenhäuser Real und Extra bekommen die Düsseldorfer ebenfalls nicht in den Griff. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres verdoppelten sich die Verluste vor Zinsen und Steuern von 35 auf 75 Millionen Euro. Die Übernahme von 85 Wal-Mart-Filialen im Spätsommer verbessert die Situation nicht: Die zweitschlechteste deutsche SB-Warenhaus-Kette hat die schlechteste übernommen. Und nun schwächelt offenbar auch noch das letzte große Zugpferd: die Elektronikketten Media Markt und Saturn, gebündelt unter dem Dach der Media-Saturn-Holding (MSH) in Ingolstadt. Der größte europäische Elektronik-Handelskonzern mit rund 600 Saturn- und Media Märkten, die letzte Kaufrausch-Oase im deutschen Metro-Reich, hat zwar nach eigenen Angaben seine Position auf dem deutschen Markt in diesem Jahr insgesamt ausgebaut. Dennoch habe MSH nach Informationen von Marktbeobachtern in wichtigen Produktkategorien Marktanteile eingebüßt – und verspielt zunehmend das Vertrauen der Kunden. Sicher, Media Markt wird voraussichtlich einer der Gewinner im Weihnachtsgeschäft sein. Das dürfte jedoch nicht den Trend der vergangenen Monate brechen: den flächenbereinigten Umsatzrückgang auf dem Heimatmarkt. Das ist den MSH-Verantwortlichen um Mitgründer, Gesellschafter und Geschäftsführer Leopold Stiefel, der das Unternehmen am Jahresende verlassen wird, natürlich nicht entgangen: Drum holen sie Keulen und Knüppel aus dem Sack und schlagen zurück. Mit Joachim Steinhöfel an der Spitze, einem Hamburger Anwalt und Laienschauspieler, der zusammen mit TV-Blödel Oliver Pocher seit Jahren in Werbespots bei Media Markt herumhampelt, überziehen die Märkte des Branchenprimus Wettbewerber mit Abmahnungen. Attackiert werden vor allem mittelständische Konkurrenten und Online-Shops. „Unsere Märkte gehen in klar definierten Fällen gegen Shopbetreiber vor, die gegen geltendes Recht – insbesondere das Wettbewerbsrecht und die Preisangabeverordnung – verstoßen, ihre Kunden täuschen und sich unrechtmäßig einen Wettbewerbsvorteil sichern“, so die Begründung aus der MSH-Zentrale in Ingolstadt. Gerügt werden unzutreffende Versandkostenangaben, falsche Angaben zum Liefertermin oder fehlende Energieeffizienz-Angaben der angebotenen Geräte. Media-Markt-Vollstrecker Steinhöfel, der nette Mensch, der sich vom „Stern“ mit „Natürlich bin ich ein Ar*****ch“ zitieren ließ, mag schnelle und teure Autos und ist stolz auf Schlagzeilen wie „Pitbull in Robe“ oder „Der härteste Anwalt aller Zeiten“. Arrogant poltert Steinhöfel durch deutsche Gazetten: „Wer mit 40 Golf fährt, hat sich vielleicht nur Gedanken darüber gemacht, dass es in Bezug auf Umwelt vernünftig ist, sparsame Autos zu fahren“ oder „In Köln muss sich jeder vernünftige Mensch schon auf der Durchreise übergeben.“

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