Mikrokredite Kleinunternehmer stürmen die Anlaufstellen

Seit Januar fördert das Bundesarbeitsministerium die Vergabe von gewerblichen Kleinstkrediten. Der Andrang bei den Vermittlern der Darlehen ist größer als erwartet. Jetzt werden mit Hochdruck Mikrofinanzierer geschult.

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Mit Mikrokrediten können Fotografen auch ihre Ausrüstung aufbessern. Quelle: dpa

KÖLN. Bei Ines Hecker steht das Telefon nicht mehr still. Als Beirätin des Berliner Unternehmerinnen-Netzwerks Goldrausch entscheidet sie darüber, wer ein Darlehen bekommt und wer nicht. Goldrausch unterstützt Frauen mit zinslosen Kleinstkrediten bei der Existenzgründung oder Unternehmenserweiterung. Die Darlehen finanziert das Netzwerk aus Spenden und Vereinsbeiträgen.

Seit Mitte März ist Goldrausch auch als Mikrofinanzierer akkreditiert und darf gewerbliche Kleinstkredite aus dem neuen 100-Millionen-Fonds des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vermitteln. 40 Anfragen nach solchen Mikrokrediten hat Goldrausch innerhalb von zwei Wochen bekommen. "Zum Beispiel von einer Fotografin, die für ein Projekt ihre Ausrüstung nachbessern muss", sagt Hecker. "Die vielen Anfragen können wir kaum abarbeiten."

Der Bedarf der kleinen Unternehmen an den Krediten bis 20 000 Euro aus dem Mikrofonds Deutschland ist groß. Das Problem: Es gibt noch nicht genügend Anlaufstellen für sie. Mikrofinanzierer können Unternehmensberatungen, Gründernetzwerke oder auch lokale Wirtschaftsförderungen werden. Durch sie sollen die Antragssteller unabhängiger von den Banken werden. Die Vergabe selbst läuft dann über die Bochumer GLS-Bank.

Allein in diesem Jahr will das BMAS 900 Mikrokredite vergeben, das sind bis zu 18 Mio. Euro. Zum Vergleich: Von 2006 bis 2009 vergab die GLS-Bank Kleinstkredite im Wert von drei Mio. Euro. Die Bank arbeitet mit dem Zertifizierungspartner Deutsches Mikrofinanz-Institut (DMI) zusammen. Dort sind bislang nur 17 Mikrofinanzierer akkreditiert.

Das wird sich bald ändern. Derzeit arbeitet das DMI mit Hochdruck daran, das Netz der Vermittler enger zu spannen. "Die Nachfrage danach, Mikrokredite zu vermitteln, ist extrem gestiegen, seit im Januar der Fonds aufgelegt wurde", sagt Oliver Förster, der beim DMI für die Akkreditierung der Mikrofinanzierer verantwortlich ist. Doch die Fondshöhe sei nicht der Grund für den Ansturm. Erstmals erhalten die Mikrofinanzierer für die Vermittlung der Darlehen eine Provision, die sich an den Kredittilgungen bemisst.

Das DMI organisiert nun Informationstreffen für potenzielle Vermittler. "Wir haben mit bis zu hundert Besuchern in drei Veranstaltungen gerechnet, aber es kommen fast 250", sagt Förster. Jetzt sollen die Treffen regelmäßig einmal im Monat stattfinden, um möglichst viele Teilnehmer zu überzeugen.

Rund drei Monate dauert es dann, bis ein Bewerber als zertifizierter DMI-Mikrofinanzierer auftreten darf. Auf die erste Informationsveranstaltung folgen vier Workshops, in denen die angehenden Mikrofinanzierer alles Nötige über das Kreditwesen erfahren. "Bis zum Jahresende rechnen wir mit insgesamt 50 Mikrofinanzierern", sagt Förster. Wie viele sich am Ende tatsächlich akkreditieren, hinge auch von der Nachfrage der Unternehmen nach den Krediten ab. Das Ziel: Bis 2015 will die GLS-Bank rund 15 000 Mikrokredite vergeben.

Danach ist aber nicht Schluss. Die Laufzeit der mit 7,5 Prozent pro Jahr verzinsten Mikrokredite beträgt höchstens drei Jahre. Das Geld aus den getilgten Krediten kann die GLS-Bank erneut an Klein- und Jungunternehmen vergeben. Die Ausfallrate der Kleinkredite liegt nach DMI-Angaben unter drei Prozent. "So kleine Beträge kann fast jeder zurückzahlen", sagt Förster. Rund 6000 Euro betrage der Wert eines Mikrodarlehens im Schnitt.

Die Bundesregierung möchte, dass die kleinen Unternehmen möglichst leicht an das Geld kommen. Wenn die Mikrofinanzierer eine Geschäftsidee oder ein Projekt für aussichtsreich halten, sprechen sie eine Empfehlung aus, der die GLS-Bank meist folgt. Die Frage nach Sicherheiten ist dabei nicht so wichtig wie bei den Geschäftsbankenbanken. Diese haben in den vergangenen Jahren wegen der verhältnismäßig hohen Verwaltungskosten sowieso kaum Interesse an Mikrokrediten gezeigt.

"Wir akzeptieren verschiedene Sicherheiten wie Bürgschaften, berufliche Referenzen oder unseren persönlichen Eindruck des Kreditinteressenten", sagt Falk Zientz, der die Abteilung Mikrofinanzierung der GLS-Bank leitet. Ines Hecker von Goldrausch sieht darin auch einen Vorteil für Unternehmerinnen: "Frauen sind oft nicht ganz so risikofreudig wie Männer. Bei der Bitte nach Kleinkrediten wurden sie bei den Banken oft belächelt", sagt sie.

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