Richemont-Chef Norbert Platt "Luxus muss Sinn stiften"

Norbert Platt, Chef des Schweizer Luxuskonzerns Richemont, über verschämte Kunden, Kurzarbeit in der Glamourbranche und Schwächen im Geschäft mit Mode und Accessoires.

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Richemont-Chef Norbert Platt Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Platt, Richemont machte nach sehr guten Jahren von April bis Ende August 16 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahreszeitraum. Andere Luxushersteller traf es noch härter. Schämen sich die Menschen nach den Exzessen vor allem in der Finanzbranche, Luxus öffentlich zu zeigen?

Platt: Hinter Ihren Überlegungen steckt die Grundsatzfrage unserer Branche: Braucht man Luxus?

Das klingt sehr akademisch.

Ist es aber nicht. Niemand braucht zum Beispiel eine Uhr, schon gar nicht eine mechanische. Wir tragen zwei Handys mit uns herum, die die Zeit anzeigen. Wir sitzen vor dem Computer, der uns die Zeit sekundengenau gibt. Auch einen Füllfederhalter braucht genau genommen keiner.

Warum kaufen Leute dennoch sündhaft teuren Schmuck von Cartier oder Füll-halter von Montblanc?

Weil sich die Menschen in der Zeit der Wegwerfartikel nach Dingen sehnen, die für Bewahrung stehen. Die Käufer einer kostbaren Uhr kaufen diese selten für sich. Häufig verschenken sie die Stücke, oder der Erwerber sieht die Uhr oder das Schmuckstück als Eigentum der Familie. Luxuskäufer denken häufig über den Horizont des eigenen Lebens hinaus, an ihre Kinder, die einmal die Uhr oder das Geschmeide tragen werden.

Luxus hat sehr viel mit Hinwendung zu anderen Menschen zu tun: Ich freue mich auf die Freude, die ich anderen damit bereite. Ein schickes Handy verliert im Moment des Erwerbs seinen materiellen Wert fast vollständig. Der Wert einer handwerklich gefertigten Uhr oder eines Schmuckstückes hingegen bleibt oder steigt sogar. Gute Luxusmarken müssen Sinn stiften. Solange sie das schaffen, wird es Menschen geben, die bereit sind, viel Geld für eine Uhr, eine schöne Handtasche oder ein Schreibgerät auszugeben.

Wollen viele Ihrer Kunden in Wirklichkeit nicht einfach nur zeigen, was sie haben?

Sicher, das ist in den Schwellenländern anders als hier im calvinistischen Genf oder in meiner Wahlheimat Hamburg, wo die Leute ihren Erfolg ungern zur Schau stellen. Chinesen zum Beispiel -haben da eine andere Vorstellung. Aber auch in Europa oder in den USA gibt es viele Kunden, für die Luxusprodukte nichts anderes sind als Orden für Zivilisten nach der Devise: „Seht her, ich habe etwas erreicht, ich kann mir das leisten.“ Aber was soll daran schlimm sein?

Welchen Einfluss hat die wirtschaftliche Lage auf die Nachfrage nach Luxus?

In China geht es wieder bergauf. Dort und in den angrenzenden Regionen haben wir eine Reihe von Marken, die in diesem August schon wieder ein besseres Geschäft gemacht haben als im sehr starken August 2008. Aber in den USA hat man ein schlechtes Gewissen, wenn man sich etwas gönnt, während der Nachbar oder Kollege vielleicht gerade gefeuert worden ist. Fast jeder dort kennt ein Opfer der Krise.

Selbst die Superreichen halten sich in den USA zurück, weil sie es für nicht opportun halten, zu Krisenzeiten mit einem 500.000 Dollar teuren Geschmeide herumzulaufen.

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