Beratungsgeschäft Manager suchen Rat beim Professor

Viele Hochschullehrer machen ihr eigene Consultingfirma auf. Die Hidden Champions-Studie zeigt dass solche Ausgründungen sogar Platzhirsche wie Roland Berger schlagen können. Wichtig ist eine strikte Trennung zur Lehre, die trotzdem von der Praxis profitieren kann.

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An der Technischen Universität fand bereits zum 17. Mal das Münchner Management Kolloquium statt. Quelle: dpa

HB DÜSSELDORF. Telekom-Chef René Obermann, Bahn-Chef Rüdiger Grube, Air Berlin-Boss Joachim Hunold: Im Audimax der TU München geben sich in diesen Tagen 60 Top-Manager die Klinke in die Hand. Sie diskutieren mit Wissenschaftlern über Krisenbewältigung. Auf den hölzernen Klappsitzen lauschen hunderte Interessierte: Studenten, Professoren, Manager.

Ein Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis, organisiert von Horst Wildemann. Der BWL-Professor hat zum 17. Mal zum Münchener Management Kolloquium geladen. Veranstalter ist nicht die TU München, sondern Wildemanns Beratungsunternehmen Transfer Centrum (TCW), spezialisiert auf Unternehmensplanung und Logistik. Für TU-Präsident Wolfgang Herrmann ist Wildemann ein "Ausnahmeprofessor in vielerlei Hinsicht" - für die TU, die sich selbst als "unternehmerische Universität" betitelt, ist er Aushängeschild. Wildemann ist beileibe nicht der einzige, der das Klischee praxisferner Wissenschaft im Elfenbeinturm Lügen straft. Viele Hochschullehrer betreiben neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit Managementberatungen.

Hermann Simon etwa, langjähriger Professor für BWL und Marketing, gründete 1985 die heutige Beratung Simon-Kucher. 1995 beendete Simon seine akademische Laufbahn, um sich ganz dem Beratungsgeschäft zu widmen. Was als kleiner universitärer Spin-off begann, hat heute 450 Mitarbeiter in 19 Büros weltweit. Pricing-Experte Simon hat sich 2009 aus der aktiven Geschäftsführung zurückgezogen.

So manche Ausgründung von Uni-Lehrstühlen schlägt in ihrem Spezialgebiet gar die Platzhirsche der Branche McKinsey, Boston Consulting oder Roland Berger. Das geht aus der Hidden Champions-Studie hervor, für die Consultingexperte Dietmar Fink im vergangenen Jahr 250 Manager befragte. Die Beratung Prof. Homburg & Partner zum Beispiel ist aus Sicht der Kunden im Marketing und Vertrieb die Nummer eins - vor den internationalen Top-Beratungen. Den Grundstein legte vor 13 Jahren der Marketingexperte Christian Homburg, im Handelsblatt-Ranking Deutschlands aktuell forschungsstärkster BWL-Professor. Heute beschäftigt die Consultingfirma 50 Berater. Darüber hinaus gibt es einen Marktforschungszweig.

Homburg selbst, derzeit Alleingesellschafter, ist nur im wissenschaftlichen Beirat. "In der Beratung habe ich nie operative Verantwortung getragen", sagt er. "Ich helfe bei der Beziehungspflege und strategischen Grundsatzentscheidungen." Trotzdem profitiert sein Mannheimer Lehrstuhl. Vorlesungen könne er mit Praxisbeispielen würzen, an die er nur über die Beratung komme, so Homburg. Für Studenten böten sich im Gegenzug Praktikantenplätze. "Gegen Roland Berger und andere kann man nicht mit Uni-Assistenten antreten", betont Peter Horváth, bis 2005 Professor für BWL und Controlling in Stuttgart und Gründer von Horváth & Partners. Die Beratung mit weltweit 450 Mitarbeitern machte zuletzt 100 Mio. Euro Umsatz. Horváth ist heute im Aufsichtsrat der Holding tätig. In der Hidden Champions-Studie bucht Horváth & Partners die höchste Kompetenz im Controlling. "Meine Forschungsarbeit hat von der Beratung immens profitiert. Nicht zuletzt hat auch die Glaubwürdigkeit der Lehre gewonnen", so Horváth. Die Hochschule wiederum liefere Anstöße für die Beratungsarbeit.

Auch Wildemann will Synergien zwischen Theorie und Praxis schaffen. Die heute über 30 Berater des TCW sind zur Hälfte ehemalige Absolventen. Wildemann: "Sie können die neuesten Erkenntnisse der Forschung, die sie während der Uni- und Promotionszeit gewonnen haben, dort in der Praxis umsetzen." Wer Vakanzen zwischen zwei Uni-Drittmittelstellen zu überbrücken hat, darf auch schon mal für ein paar Monate Beraterluft schnuppern - als Angestellter der TCW.

"Eine klare Trennung von Lehrstuhl und Beratung ist extrem wichtig, genauso wie Institutionen, die die strikte Trennung überprüfen", sagt Wildemann. TCW sitzt zwar im selben Haus wie sein Lehrstuhl, beide seien aber rechtlich und organisatorisch voneinander getrennt. Überprüft wird das von der Univerwaltung und dem Rechnungshof.

Auch Homburg legt großen Wert auf eine klare Trennlinie, "zumal der Professorenberuf Chancen biete, Dinge halbsauber zu machen". Horváth rät: "Das Beratungsgeschäft sollte unbedingt unter eigener juristischer Person mit eigenen Mitarbeitern in eigenen Räumen und mit klar getrennten Finanzen erfolgen." Die Lehrstuhlarbeit dürfe nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Zumal erfolgreiche Beratung oft Kollegenneid wecke.

Auch Franz-Rudolf Esch hat neben seiner Lehrtätigkeit als Marketingprofessor an der Uni Gießen eine Unternehmensberatung gegründet. Esch sitzt im wissenschaftlichen Beirat. "Die Studierenden haben ein ganz anderes Rüstzeug, als wenn sie nur bei jemanden studieren, der in einem Elfenbeinturm sitzt", sagt Esch.

Die Unternehmen jedenfalls scheinen die enge Anbindung von Beratungen an die Uni zu schätzen. So zählt zum Beispiel TCW Konzerne wie Metro, hauptsächlich aber große Mittelständler zu seinen Kunden. "Ingenieure von Daimler lassen sich nicht von jedem Berater erzählen, wie sie Motoren bei gleichbleibender Qualität günstiger bauen können", preist Ingenieur und Betriebswirt Wildemann die Vorzüge seiner hochschulnahen Consultingfirma.

Regeln fürs Geschäft neben dem Hörsaal

BERLIN. Nebentätigkeiten von Professoren regelt seit der Föderalismusreform jedes Bundesland selbst. So müssen etwa in Niedersachsen und Brandenburg Nebentätigkeiten neuerdings grundsätzlich nicht mehr zur Genehmigung vorgelegt, sondern nur noch angezeigt werden, heißt es beim Deutschen Hochschulverband (DHV), der Interessenvertretung der Professoren.

Schon vorher galt jedoch ein "Rechtsanspruch auf Genehmigung", informiert die DHV-Homepage - vorausgesetzt die Nebentätigkeit nimmt den Beamten oder Angestellten "nicht übermäßig" in Anspruch. Hier gilt die "Fünftelregel". Die besagt, dass eine Nebentätigkeit nicht übermäßig ist wenn sie weniger als ein Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit beansprucht. Ein Arbeitstag pro Woche ist also kein Problem. In der "unterrichtsfreien Zeit", also den Semesterferien, sind Ausnahmen möglich, heißt es etwa in der Nebentätigkeitsverordnung für bayerische Hochschullehrer.

Gutachterliche Tätigkeit ist in den meisten Bundesländern grundsätzlich freigestellt. Das gilt jedoch explizit nicht für Beratungstätigkeit. Anzugeben sind jeweils Auftraggeber, Art der Nebentätigkeit, Umfang und das Honorar. Die Höhe der Nebeneinkünfte spiele im Prinzip keine Rolle, die Hochschule müsse aber prüfen, ob der Zusammenhang von Zeitaufwand und Honorar plausibel sei, so der DHV.

Wenn Professoren etwa ein Architektur- oder Ingenieurbüro betreiben, müssen die Aufgaben eindeutig getrennt sein und das Büro "in vertretbarer Nähe zum Dienstort" liegen, gilt etwa in Bayern. Wenn sie Räume oder Einrichtungen der Uni für ihre Nebentätigkeiten nutzen, müssen sie fünf bis zehn Prozent der Brutto-Nebeneinkünfte pauschal abführen. Auch hier gebe es viele Ausnahmen, räumt der DHV ein. Honorare für Nebentätigkeiten im Auftrag anderer staatlicher Stellen müssen ab einer Grenze von im Schnitt 5 000 Euro jährlich abgeführt werden. Autor: Barbara Gillmann

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