Erneuter Rückschlag Nokias Technik-Chef Green schmeißt hin

Nokia muss die nächste Hiobsbotschaft verkraften: Mit Richard Green ist erneut ein Top-Manager von Bord gegangen. Die Gründe für die Auszeit des Technik-Chefs bleiben im Dunkeln.

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Nicht nur viele Kunden kehren Nokia den Rücken zu, auch die Top-Manager. Quelle: handelsblatt.com

Beim kriselnden Handy-Konzern Nokia muss mitten im großen Umbau ein neuer Technikchef einspringen. Der bisherige Chief Technology Officer Rich Green ließ sich aus privaten Gründen auf unbestimmte Zeit beurlauben. Die Zeitung "Sanomat" berichtete am Donnerstag ergänzend, Green werde vermutlich nicht zu Nokia zurückkehren. Grund dafür seien Differenzen über die strategische Ausrichtung von Nokia, insbesondere der Verzicht auf die Entwicklung eines neuen Handys mit der Software "MeeGo", berichtete das Blatt unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Kreise. Nokia erklärte, der Manager habe sich aus persönlichen Gründen beurlauben lassen und sich nicht dazu äußern wollen, ob er zurückkehre. Green werde vorerst durch Henry Tirri, derzeit Chef des Nokia-Forschungszentrums, vertreten.

Damit reißt die Serie der schlechten Nachrichten für Nokia nicht ab: Erst in der vergangenen Woche musste der einst unangefochtene Branchenführer bei Mobiltelefonen angesichts der scharfen Konkurrenz von iPhone & Co seine Geschäftsziele für das Gesamtjahr zurückschrauben. Am Dienstag senkte die Ratingagentur Fitch die Note für die Kreditwürdigkeit der Finnen. Die Begründung lautete, dass das Unternehmen anhaltend Boden gegenüber asiatischen Konkurrenten und Apples iPhone verloren hat. Damit muss Nokia nun damit rechnen, schwerer an frisches Geld heranzukommen und für Kredite höhere Zinsen zu zahlen. Fitch senkte das Rating gleich um zwei Stufen von "BBB+" auf "BBB-" und sprach überdies von einem "negativen Ausblick". Das bedeutet, dass eine weitere Herabstufung droht.

Die Rücktrittswelle nahm bei Nokia im September 2010 ihren Lauf: Damals ging es Schlag auf Schlag: Nur drei Tage nachdem sich Nokia damals von seinem Chef Olli-Pekka Kallasvuo getrennt hatte, erklärte auch Anssi Vanjoki seinen Rücktritt vom Posten als Chef der Nokia-Sparte für Smartphones und Internetdienste. Vanjoki war für den Umbau von Nokia in einen modernen Technologiekonzern maßgeblich mitverantwortlich.

Der angeschlagene finnische Handyhersteller Nokia taumelt trotz der personellen Wechsel immer tiefer in die Krise. Der einst unangefochtene Platzhirsch kann wegen der scharfen Konkurrenz durch iPhone & Co. bei weitem nicht so viele Telefone verkaufen wie erhofft.

Der Absturz der Aktie

Seit Jahresbeginn ist der Kurs der Nokia-Aktien um rund 40 Prozent gefallen. Seit der Vorstellung von Apples iPhone 2007 mussten die Nokia-Aktionäre sogar ein Minus von mehr als 80 Prozent hinnehmen. Und noch ist nach Meinung von Jari Honko, Analyst bei Swedbank, keine Besserung in Sicht. Der Experte rechnet damit, dass Nokia im dritten Quartal ein ähnlich schwaches Ergebnis vorlegen wird wie im zweiten.

In seinem zunehmend verzweifelten Kampf gegen den Abstieg aus der Topliga der Handyhersteller hatte Nokia erst Ende April den Abbau von 7000 Stellen angekündigt. Zudem schmiedete das Unternehmen eine Handysoftware-Allianz mit Microsoft. Branchenexperten zweifeln jedoch zunehmend an den Erfolgsaussichten dieses Plans. "Man kann sich immer schwerer vorstellen, dass Nokia eine Mobiltelefon-Generation überspringen kann und bis Anfang 2012 mit der Konkurrenz gleichzieht", erklärte Thomas Langer von der WestLB. Jari Honko von der Swedbank fügte hinzu: "Jetzt kommt die ganze Wahrheit über die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von Nokia ans Licht."

Nokia räumte ein, derzeit deutlich weniger Telefone als erwartet loszuwerden und die Geräte zudem billiger als geplant anbieten zu müssen. Daher werde der Nettoumsatz in den zentralen Geschäftssparten Geräte und Dienstleistungen im zweiten Quartal unterhalb der bisher angepeilten 6,1 bis 6,6 Milliarden Euro liegen. Auch die Betriebsmarge werde bei rund null Prozent und damit klar unter den bislang angenommenen sechs bis neun Prozent liegen. Das heißt, Nokia verdient mit seinen Handys kein Geld mehr. Die Ziele fürs dritte und vierte Quartal sowie fürs Gesamtjahr seien damit ebenfalls hinfällig.

Als wären diese Nachrichten nicht schon schlecht genug, räumte der einstige Branchenprimus außerdem noch ein, dass er sich derzeit nicht in der Lage sehe, überhaupt eine Prognose für das Gesamtjahr abzugeben. Man werde sich bis auf weiteres nur auf Quartalsprognosen beschränken.

Was Elop optimistisch stimmt

Mehrere Faktoren würden das Handygeschäft negativer belasten, als bisher angenommen worden war, teilte der Konzern gestern am Stammsitz im finnischen Espoo mit. Der Konzern, dessen Handy-Weltmarktanteil in den vergangenen drei Jahren von 40 Prozent auf 29 Prozent gesunken ist, hat gleich an zwei Fronten zu kämpfen. Zum einen jagen ihm asiatische Konkurrenten Kunden in dem eigentlich finnisch dominierten Segment für günstigere Handys ab. Zum anderen leidet der Branchenprimus immer stärker unter der Konkurrenz durch die erfolgreichen Smartphones von Apple und die Geräte von Samsung und HTC, die mit dem von Google entwickelten Betriebssystem Android arbeiten.

Der erst im vergangenen Herbst angetretene neue Nokia-Chef Stephen Elop zeigte sich gestern dennoch optimistisch, dass der Konzern nach dem abgeschlossenen Übergang von dem eigenen Betriebssystem Symbian zur Microsoft-Betriebssoftware Windows Phone 7 wieder schneller wachsen werde als der übrige Markt. Die ersten Nokia-Smartphones mit Windows sollen nach Elops Aussagen im vierten Quartal dieses Jahres auf den Markt kommen.

Nokia ist trotz der großen Probleme weiterhin der Handy-Weltmarktführer. Auf dem deutschen Markt hat das Unternehmen im lukrativen Smartphone-Geschäft allerdings deutlich Federn gelassen: Innerhalb eines Jahres sank der Marktanteil von 38 auf 24 Prozent. Neue Nummer eins auf dem deutschen Smartphone-Markt ist Apple mit seinem iPhone, das auf einen Marktanteil von 28 Prozent kommt.

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