sanierungen Daumen nach oben

Mit den Pleiten bei kleineren und mittleren Unternehmen steigt auch die Zahl der Unterstützungsangebote. 

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Eloxal Technik stand vor dem Aus. Das 30 Mitarbeiter zählende Hammer Unternehmen, das Aluminium-Kleinteile vom Fahrradlenker bis zum Dior-Parfümflakon veredelt, musste im Juni 2001 Insolvenz anmelden. Drei der leitenden Mitarbeiter bemühten sich, das Unternehmen vom Insolvenzverwalter zu kaufen, jedoch wollte ihnen keine Bank Geld leihen. In dieser ausweglosen Situation klopfte der heutige Geschäftsführer Uwe Atorf bei der Krisenkontaktstelle der Wirtschaftsförderung Hamm an. „Die haben uns mit ihrem Kampfeswillen überzeugt“, sagt Martin Löckmann, der seit dem Jahr 2000 mit einer Kollegin in Hamm mehr als 200 angeschlagene Unternehmen mit gut 2000 Beschäftigten betreut hat. 

Löckmann bewilligte Eloxal einen Berater. Gemeinsam sprachen sie mit dem Geschäftsplan bei Banken vor, sechs Wochen später stand die Finanzierung des Management-Buyouts. Atorf: „Ohne die Unterstützung der Wirtschaftsförderung wäre das nicht möglich gewesen.“ Atorf führte ein Controlling ein, investierte in neue Technik, optimierte Arbeitsprozesse. Inzwischen schreibt Eloxal – Umsatz 2003 1,6 Millionen Euro – wieder schwarze Zahlen und hat die Zahl der Mitarbeiter auf 46 erhöht. 

Die Dramen der kleineren Unternehmen spielen sich meist im Verborgenen ab. „Der Mittelstand stirbt still und leise, aber er trägt die Hauptlast der Insolvenzen“, sagt Helmut Rödl, Hauptgeschäftsführer von Creditreform. Nach Zahlen der Neusser Wirtschaftsauskunftei beschäftigten 84 Prozent der im ersten Halbjahr 2004 Pleite gegangenen Unternehmen maximal zehn Mitarbeiter. Insgesamt drohte bei Kleinunternehmen rund 270 000 Menschen der Jobverlust durch Insolvenz. 

Doch die Zahl der Unterstützungsangebote speziell für kleine Krisenunternehmen steigt (siehe Kontext Seite 48). Der Kontakt und oft auch die erste Beratung läuft via Telefon oder E-Mail, Vertraulichkeit ist garantiert, die Hilfe wird vor Ort angeboten und sie kostet nichts. „Man kann bei kleinen Unternehmen mit wenig Aufwand eine Menge bewirken“, sagt der Hamburger Unternehmensberater Jan Evers. 

Das zeigt das 1998 gestartete Pilotprojekt „Krisenintervention in kleinen Unternehmen“ der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung in Nordrhein-Westfalen (GIB). 23 Wirtschaftsförderungen in strukturschwachen Regionen dienen als Krisenkontaktstellen. Sie richten sich an insolvenzbedrohte Firmen mit bis zu 50 Mitarbeitern und haben bereits mehr als 1500 Unternehmen beraten. 

Zuerst prüfen die Krisenberater die Chancen für eine Sanierung und sichten a die Zahlen: Bilanzen, Übersichten über Kredite und Forderungen, betriebswirtschaftliche Auswertungen. Im anschließenden Gespräch geht es um den Markt, das Potenzial der Produkte oder Dienstleistungen, zudem macht sich der Wirtschaftsförderer ein Bild von der Person des Unternehmers. Dann folgt die Entscheidung: ja oder nein. „Bei uns ist von fünf Krisenunternehmen nur eins sanierungsfähig“, sagt Petra Bergmann von der Wirtschaftsförderung in Datteln am Rande des Ruhrgebiets. 

Zeigt der Daumen nach oben, unterstützt der GIB-Mitarbeiter den Unternehmer bei Verhandlungen mit Gläubigern wie Bank, Finanzamt, Sozialversicherungsträgern und Lieferanten, um einen Zahlungsaufschub zu erreichen. „Wichtig ist, dass die Partner, die für eine Sanierung notwendig sind, zusammenstehen und stillhalten“, sagt Krisenhelfer Löckmann. „Das funktioniert nur über Vertrauen – dafür zu sorgen, ist unser Part.“ Parallel wird auf Kosten der GIB ein Unternehmensberater für maximal zehn Tage engagiert. Seine Aufgaben: Kosten reduzieren, Finanzierung sicherstellen, interne Abläufe verbessern, den Personalbestand überprüfen. 

„60-70 Prozent der Unternehmen sind nicht sanierungsfähig“, sagt GIB-Mitarbeiterin Christiane Siegel, die das Pilotprojekt betreut. „Bei weiteren 15 Prozent scheitert die Sanierung trotz unserer Bemühungen. 15 bis 20 Prozent sind nach ein bis zwei Jahren wieder mit Erfolg am Markt.“ 

Auf grössere Krisenfälle zielt der Runde Tisch der KfW Mittelstandsbank (KfWM, früher Deutsche Ausgleichsbank). Das 1995 in Leipzig gestartete Modell gibt es mittlerweile bundesweit in 85 Städten und Gemeinden. „Die Unternehmen dürfen allerdings noch nicht insolvent sein“, sagt Alexander Korth von der KfWM in Berlin. 

Anlaufstelle ist die Handels- oder Handwerkskammer, die die Erfolgschancen prüft. Genehmigt die Kammer einen Runden Tisch, beauftragt sie einen von der KfWM zugelassenen Berater. Der besucht das Unternehmen für maximal zehn Tage. Obwohl die Berater dafür von der KfWM ein Honorar von gerade mal 160 Euro pro Tag erhalten – das Unternehmen zahlt nur die Fahrtkosten – greift die Bank auf einen Pool von mehr als 900 Beratern zurück. Korth: „Die Motivation ist überwiegend ehrenamtlich.“ 

Liegt der Beraterbericht vor, treffen sich alle am Runden Tisch: Unternehmer, Hausbank, wichtige Gläubiger, Berater und Kammermitarbeiter. Sie klären die Bereitschaft der Beteiligten, das Unternehmen zu sanieren. Maike Götting von der KfWM: „In 70 Prozent der Fälle muss der Unternehmer ein Controlling aufbauen. Außerdem wird ein realistischer Kreditplan erstellt, um Zinszahlung und Tilgung festzuklopfen.“ Zur Unterstützung bei der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen kann der Unternehmer direkt nach dem Runden Tisch für maximal zehn weitere – dann marktüblich bezahlte – Beratertage einen Zuschuss von 50 bis 65 Prozent beantragen. 

2002 nahmen mit rund 3000 Unternehmen ein Drittel mehr als im Vorjahr am Runden Tisch Platz, betroffen waren 23 500 Arbeitsplätze. Für 2003 schätzt die KfWM die Zahl der betreuten Unternehmen auf 3100 bis 3500. Insgesamt wurden von 1995 bis 2003 etwa 21 500 Betriebe mit 225 000 Mitarbeitern durch die Runden Tische vor dem wirtschaftlichen Aus bewahrt. 

Für sehr kleine Krisenunternehmen gibt es in einigen Bundesländern spezielle Angebote. So hat die Unternehmensberatung Evers & Jung im Auftrag der Hamburger Wirtschaftsbehörde die Firmenhilfe entwickelt, eine Telefonhotline für Freiberufler und Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern. „Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe, das funktioniert gut über das Telefon“, sagt Berater Jan Evers. 

Dem ersten Gespräch folgen per E-Mail Infoblätter etwa zu Kalkulation oder Akquisition sowie eine Liste der besprochenen Schritte. „Wir definieren Hausaufgaben für den Unternehmer“, sagt Evers. Dabei geht es um konkrete Anleitung dazu, etwa eine Liquiditätsplanung vorzubereiten oder wie man die Kundenakquise angeht. In zwei Jahren hat die Firmenhilfe mehr als 700 Unternehmen beraten. 

Weniger um Kunden und Konten als um die Psyche geht es bei dem Hilfsangebot der katholischen Kirche. „Bei kleinen Betrieben treffen wirtschaftliche Schwierigkeiten den Unternehmer auch persönlich besonders hart“, sagt Christina Drepper, Diözesanreferentin für den Dialog mit Unternehmern im Bistum Essen. Die Anfang 2003 gestartete Telefonhotline des Bistums bietet Unternehmern Hilfe bei der Klärung ihrer persönlichen Lage und der Firmensituation und vermittelt bei Bedarf auch ein Gespräch mit Seelsorgern oder Sucht- und Partnerschaftsberatern. 

„Viele Anrufer schätzen es, mit jemandem auch mal auf einer anderen Ebene sprechen zu können als mit ihrem Steuerberater oder der Kammer“, sagt Theologin Drepper. „Mittel- und langfristig ist die Tabuisierung von Scheitern und Misserfolg nur aufzubrechen durch ein Klima der zweiten Chance: Gescheiterte Unternehmer müssen die Möglichkeit haben, aus Fehlern zu lernen.“ 

Stephanie heise 

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