Chinas Staatsbanken Schlechter Job

Chinas Staatsbanken benachteiligen bei der Kreditvergabe kleine, innovative Privatfirmen, die auf Fremdkapital angewiesen sind. Nur zehn Prozent von insgesamt 1,3 Billionen US-Dollar in den ersten neun Monaten 2009 flossen an private Mittelständler, der Löwenanteil landete bei den Staatskonzernen. Deutsche Mittelständler profitieren von der Misere.

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Labor-Mitarbeiter in Peking. Vielen privaten Unternehmern fehlt Kapital für Forschung. Quelle: dpa

Das Unternehmen Coordinate Technologies, kurz: CTCL, hat seinen Hauptsitz in einem unscheinbaren Haus im Westen Pekings. Im Erdgeschoss des gelb verklinkerten Flachbaus befindet sich ein einfaches Restaurant, daneben eine Bankfiliale. Auf der Straße vor dem Haus bieten Frauen Obst und Gemüse an. Rentner sitzen in der Mittagssonne und vertreiben sich die Zeit beim Kartenspielen. Aus den Garküchen dringt der Geruch von gedämpften Teigtaschen auf die Straße. Glanz und Luxus des Pekinger Geschäftsviertels im Osten der Hauptstadt, wo die meisten großen Unternehmen ihre Zentralen haben, sind hier weit weg.

Und doch gehört CTCL mit seinen 18 Mitarbeitern zu einem erlesenen Club: kleine, fast immer privat geführte Unternehmen, die mit innovativen Lösungen und Produkten auf den Markt drängen. So bietet CTCL Technologien zum drahtlosen Internet-Surfen (WiFi) an, hat vor allem aber neuartige Roaming-Lösungen für den drahtlosen Internet-Zugang und für Mobiltelefonie entwickelt. Fast alle großen Telefongesellschaften in China stehen auf der Kundenliste. Im Ausland kaufen unter anderem Swisscom,Orange, Telefónica aus Spanien und der japanische Konzern NTT bei CTCL. Das Geschäft wächst mit zweistelligen Raten.

Gute Ideen, aber kein Kapital Doch Firmen wie CTCL sind in China immer noch die Ausnahme. Den meisten kleineren und mittelgroßen Privatunternehmen im Reich der Mitte fehlt das Kapital, um systematisch in neue Produkte und Lösungen zu investieren und damit neue Märkte zu erschließen. "Gute Geschäftsideen gibt es reichlich in China, nur kaum jemanden, der sie finanziert", sagt Sebastian Kübler. Der Deutsche leitet die China-Aktivitäten bei Taishan, einem Ableger des Schweizer Fonds Mountain Partners, der sich 2008 an CTCL beteiligt hat. Kredite etwa vergeben die überwiegend staatseigenen Banken fast ausschließlich an staatliche Unternehmen. Die Krise hat den schädlichen Trend noch verstärkt. Um das Wachstum anzukurbeln, hat die Regierung die Kreditinstitute des Landes angewiesen, die Darlehensvergabe kräftig auszuweiten.

Umgerechnet fast 1,3 Billionen US-Dollar an neuen Krediten haben Chinas Staatsbanken daraufhin in den ersten neun Monaten 2009 ausgegeben - fast 40 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Doch nur zehn Prozent davon flossen an private Mittelständler, der Löwenanteil landete bei den Staatskonzernen. Des einen Leid ist des anderen Freud: Während chinesische Privatunternehmer über die einseitige Kreditvergabe stöhnen, profitieren deutsche Mittelständler davon - und expandieren im Reich der Mitte dank ihrer Finanzstärke und ihrer guten Drähte zu heimatlichen Geldgebern.

In China spielen bei Kreditentscheidungen noch immer politische Motive die wesentliche Rolle. "Die Banken in China machen keinen guten Job", warnt Fang Xinghai, Direktor des Amtes für Finanzdienstleistungen in Shanghai, "sie bedienen große staatliche Unternehmen, tun aber nichts für die vielen kleinen Privatfirmen." Fang setzt sich darum für eine Dezentralisierung des chinesischen Bankensystems ein. Auch vom Konjunkturpaket der Regierung mit einem Umfang von mehr als 580 Milliarden US-Dollar haben fast ausschließlich die staatseigenen Unternehmen profitiert. Die seien "die großen Gewinner der Krise", urteilt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China. Monopole würden ausgeweitet, und die Staatskonzerne drängten die Privaten aus dem Markt.

Wichtig für Chinas Wachstum Doch gerade auf die ist China angewiesen, um langfristig sein Wachstum und seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Rund 60 Millionen kleine und mittlere Unternehmen gibt es heute in China. Vor acht Jahren waren es erst acht Millionen. Sie tragen 60 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung und zahlen rund die Hälfte der Steuereinnahmen. Rund 95 Prozent sind privat geführt. Anders als die Staatskonzerne müssen sie sich nicht täglich mit Einflussnahme und Bürokratie der KP herumschlagen. Gleichzeitig fehlt den meisten Privatunternehmen das Kapital, um systematisch in Forschung und Entwicklung zu investieren. 86 Prozent aller mittelgroßen und 96 Prozent aller kleinen Firmen in China haben keine kontinuierliche Forschung, hat eine Studie der Weltbank herausgefunden.

"Anders als in Deutschland findet in Chinas Mittelstand praktisch keine Forschung statt", sagt Han Xiaoding von der Fraunhofer-Gesellschaft in Peking. Die Ausgaben privater Unternehmen für Forschung und Entwicklung, so die Studie, liegen nur bei 3,5 Prozent der entsprechenden Investitionen in China. Zum Vergleich: In Deutschland schultert der Mittelstand rund zwei Drittel der Forschungsausgaben. "Viele Unternehmen in China sind frustriert wegen des fehlenden Zugangs zu Kapital", resümiert die Weltbank. Viele kopieren deshalb lediglich Produkte aus dem Ausland und überleben einzig auf Grund des Lohnkostenvorteils. Die Furcht bei vielen europäischen Unternehmen, dass China den Westen bei Innovationen bald in den Schatten stellen könnte, ist deshalb übertrieben.

Profiteure des Finanzierungsnotstands im chinesischen Mittelstand sind unter anderem deutsche Unternehmen. Es sind kleine Anbieter wie etwa Eppendorf, ein Hersteller von medizinischen Geräten aus der Nähe von Hamburg. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 410 Millionen Euro verkauft seine Zentrifugen für Laboruntersuchungen, Pipetten und Reagenzgläser seit sechs Jahren in China. Das China-Geschäft des Mittelständlers, der weltweit rund 2400 Mitarbeiter beschäftigt, wächst mit zweistelligen Raten. Vor Kurzem hat das Reich der Mitte Japan als drittwichtigsten Markt für Eppendorf abgelöst.

Hauptgrund für den Erfolg: Die Deutschen liefern hochpräzise Zentrifugen mit exakt 1600 Umdrehungen in der Minute. Hunderte lokale Konkurrenten versuchen seit Jahren, Eppendorf in China Marktanteile abzujagen - bisher ohne Erfolg. "Die bekommen die Präzision nicht hin", sagt ein Branchenkenner, auch weil ihnen das Geld fehle, um in die Entwicklung moderner Geräte zu investieren. Davon profitiert auch Weiss-Vötsch. Das Unternehmen aus Reiskirchen bei Gießen - Umsatz 810 Millionen Euro, 1800 Mitarbeiter - fertigt seit gut vier Jahren in der Stadt Taicang in der Nähe von Shanghai hoch sensible Versuchskammern. Damit testen etwa Handyhersteller wie Samsung oder Nokia die Temperaturbeständigkeit ihrer Geräte. Zwar gibt es inzwischen in China auch lokale Konkurrenten, doch die Hessen haben weiter die Nase vorn, vor allem wegen der hohen Qualität ihrer High-Tech-Produkte. Neben zahlreichen deutschen und internationalen Unternehmen stehen im Reich der Mitte hauptsächlich chinesische Firmen auf der Kundenliste des deutschen Mittelständlers, darunter der Telekomausrüster Huawei und dessen Konkurrent ZTE. "Auch wegen ihrer innovativen Produkte haben deutsche Mittelständler in China immer noch einen großen Vorsprung", sagt Bernd Reitmeier, stellvertretender Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer in Shanghai.

Hoffen auf Finanzinvestoren

Die Innovationen können die Deutschen leichter finanzieren. Wer sich als chinesischer Privatunternehmer wie CTCL mit einer Geschäftsidee auf die Suche nach Kapital macht, landet bei Freunden und Familienangehörigen, bei illegalen Geldverleihern, die zu horrenden Zinsen von 20 bis 30 Prozent Kredite vergeben, oder bei Investoren wie Finanzmanager Kübler von Taishan. "Zwei Freunde und ich haben vor zwei Jahren eine halbe Million US-Dollar aus unseren Ersparnissen zusammengekratzt, um die Firma zu gründen", sagt Kai Liang, Mitgründer und operativer Chef bei CTCL. 2008 kamen mehrere Fonds hinzu, die sich mit insgesamt 600 000 Dollar beteiligten. Küblers Fonds Taishan investierte einen fünfstelligen Dollar-Betrag in CTCL. "Das Unternehmen hat sich durch seine Verträge mit den wichtigsten Anbietern in China eine sehr gute Ausgangslage erarbeitet", sagt der Deutsche. Kübler kam vor drei Jahren mit einer Politikerdelegation nach China. "Ich war begeistert vom Unternehmergeist und von den vielen guten Ideen junger Leute", sagt er. Inzwischen beschäftigt Taishan in Peking fünf Mitarbeiter und hat in acht chinesische Unternehmen investiert.

Um Firmen mit Potenzial aufzuspüren, hat sich Kübler inzwischen ein Netz chinesischer Berater geschaffen. Der wichtigste von ihnen ist Raymond Yang, Direktor bei Taishan und zugleich einer der erfolgreichsten Privatunternehmer Chinas. Yang hat in den USA und China mehrere High-Tech-Unternehmen gegründet und zum Teil an die Börse geführt, hat abgewirtschaftete Unternehmen wieder in die Gewinnzone geführt und zuletzt einen Venture-Capital-Fonds geleitet. Kübler und Yang suchen vor allem nach vielversprechenden Unternehmen aus den Bereichen Internet, Mobiltelefonie, E-Commerce, Umwelttechnik und Medizintechnik. Wie groß im Reich der Mitte der Bedarf an alternativen Finanzierungsinstrumenten ist, zeigt der Ansturm, den Yang und Kübler zu bewältigen haben. Drei bis vier Anfragen bekommt Taishan jeden Tag. Doch nur ein Prozent der Unternehmen, die bei Taishan wegen einer Finanzierung anklopfen, haben damit auch Erfolg. Bei CTCL hatten die Investoren den richtigen Riecher. Gerade hat CTCL den Pekinger Flughafen mit WiFi-Hotspots ausgestattet, außerdem 2200 WiFi-Knotenpunkte in ganz China modernisiert. Business Angels und Fonds wie Tai-shan gibt es in China bislang kaum. Gerade einmal 81 Venture-Capital-Gesellschaften mit einem Kapitalstock von insgesamt 7,3 Milliarden US-Dollar listet eine Untersuchung der Münchner Unternehmensberatung Euro Asia Consulting auf - ein Bruchteil dessen, was in westlichen Ländern zur Verfügung steht.

Von der Werkbank zum Labor

Um die Innovationskraft des Landes zu stärken und dem Regierungsziel, aus China bis 2020 eine wissensbasierte Volkswirtschaft zu machen, näher zu kommen, empfiehlt die Weltbank darum unter anderem, die rechtlichen Bedingungen für VC-Fonds zu verbessern. Nur dann könne der Sprung von der Werkbank zum Labor funktionieren. Die Regierenden in Peking wissen um das Problem. Es gibt Anzeichen, dass sie die Lage der Kleinunternehmer verbessern wollen: So sollen in Kürze die illegalen Geldverleiher in die Legalität überführt werden und sich um Mini-Kredite in ländlichen Regionen kümmern.

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