Pharma Schmerzhafte Entscheidung bei Grünenthal

Ein Jahr lang hat sich Harald F. Stock Zeit gelassen. Nun hat der neue Chef des früheren Contergan-Herstellers Grünenthal entschieden: Das Familienunternehmen aus Aachen trennt sich von zehn Prozent seines Geschäftes.

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Tabletten Quelle: dpa

Vor wenigen Wochen hatte Stock, der am 1. Januar vergangenen Jahres vom US-Konzern Johnson & Johnson zu Grünenthal wechselte, schon mal ehrgeizige Ziele definiert. Er wolle Grünenthal vor allem als Hersteller von Schmerzmedikamenten profilieren und setzt dabei vor allem auf ein neues Medikament.  Innerhalb weniger Jahre, so kündigte Stock an, möchte er den Grünenthal-Umsatz verdoppeln und den Gewinn vervierfachen. Die Erlöse sollen von 870 Millionen (2009) auf 1,7 Milliarden Euro steigen, der Gewinn vor Zinsen und Steuern von 72 auf 290 Millionen.

Wie das gehen soll, darüber hatte sich Stock noch nicht so ganz genau ausgelassen. Nun ist klar: Grünenthal trennt sich von etwa zehn Prozent seines Geschäftes – künftig will das Aachener Unternehmen keine Antibiotika und Verhütungspillen mehr vertreiben. Die Produktion von Antibiotika wird im nächsten Jahr eingestellt; Verhütungspillen sollen ab 2012 nicht mehr hergestellt werden. Wieviele Mitarbeiter dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, wollte sich Stock nicht entlocken lassen. Betroffen ist vor allem der sogenannte Werksteil 2 in Stolberg bei Aachen. Das Unternehmen verspricht lediglich, dass die Entscheidungen so sozialverträglich wie möglich umgesetzt werden sollen. Kündigungen erscheinen damit nicht ausgeschlossen. Der Standort in Aachen-Eilendorf soll dagegen ausgebaut werden. Insgesamt beschäftigt Grünenthal 2000 seiner weltweit 5200 Mitarbeiter in Deutschland.

Schmerzmedikamente im Fokus

Künftig will sich Grünenthal als Anbieter von Schmerzmedikamenten profilieren. In den USA hat Grünenthal bereits ein Präparat mit dem Wirkstoff Tapentadol auf den Markt gebracht, dass weniger Nebenwirkungen auslösen soll als vergleichbare Konkurrenzprodukte. Nun will Stock das Präparat auch in Europa einführen. Tapentadol ist die große Hoffnung von Grünenthal. Die erste Neuheit seit 25 Jahren, wie Stock sagt. Wenn Tapentadol nicht wie erwartet einschlägt, könnte es für Grünenthal eng werden, heißt es in der Branche. Dann sei auch eine Übernahme denkbar. Etwa durch Johnson & Johnson, Stocks früheren Arbeitgeber.

Stock ist der erste familienfremde Chef von Grünenthal seit der Unternehmensgründung im Jahr 1946. Ab dem nächsten Jahr lässt er sich dabei auch von einem Beirat beraten, in dem inzwischen kein Mitglied der Eigentümerfamilie Wirtz mehr sitzt. Die Grünenthal-Gesellschafter bestimmten am vergangenen Wochenende den früheren Jägermeister-Chef Hasso Kaempfe zum Vorsitzenden des Beirates. Ganz ohne Einfluss bleibt die Familie freilich nicht: Jeder der vier Familienstämme durfte eines der weiteren vier Beiratsmitglieder bestimmen. Dabei handelt es sich um den früheren Klöckner-Vorstandsvorsitzenden Thomas Ludwig, den Aufsichtsratsvorsitzenden von Solar World, Claus Recktenwald sowie um Ulrich Goldmann vom Biotech-Unternehmen Genzyme und Wolfgang Prigge, den Vorsitzenden des Beirats der Dalli-Werke.

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