Porträt Amar Bose Schule schwänzen wegen erfolgreicher Radioreparaturen

Amar Bose ist vom Immigrantenkind zu einem der erfolgreichsten amerikanischen Unternehmer aufgestiegen. Der Erfinder und Unternehmensgründer hat sich seinen Forscherdrang bis ins hohe Alter bewahrt.

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Firmengründer Amar Bose Quelle: Christoph Navin für WirtschaftsWoche

Was bleibt als große Herausforderung für einen 78-jährigen, der so ziemlich alles erreicht hat, was er erreichen wollte? Amar Bose ist vom Immigrantenkind zu einem der erfolgreichsten amerikanischen Unternehmer aufgestiegen, das Magazin „Forbes“ schätzt ihn in seiner Mega-Reichen-Liste auf rund 1,8 Milliarden Dollar Nettovermögen, auch wenn er das nicht gerne liest. Er ist ein gefeierter Wissenschaftler, ein anerkannter Hochschulprofessor, sein Name ist weltweit zum Qualitätssiegel für Audio-Produkte geworden. Er sagt, sein Lieblingshobby sei „technisches Denken“, er spielt immer noch gerne Badminton, wann immer er Gelegenheit dazu findet, und hält sich mit Schwimmen fit. „Meine größte Herausforderung ist, wie das Unternehmen auf diesem Pfad weiter voran schreiten kann, auch nach meiner Zeit,“ sagt er. „Damit verbringe ich die meiste Zeit. Ich verfolge dabei zwei Ziele: Ich möchte einerseits die Bildung unterstützen, und zweitens das Unternehmen in privaten Händen halten.“

Für Investmentbanker, Private-Equity-Gesellschaften und Börsen wäre ein Bose-Verkauf oder ein Börsengang ein Fest. Das Technologie-Unternehmen macht mit weltweit rund 9000 Mitarbeitern nach eigenen Angaben etwa 2,5 Milliarden Dollar Umsatz, publizierte Zahlen über den Gewinn gibt es nicht. Es wird, weil Amar Bose das so will, praktisch geführt wie eine Non-Profit-Organisation: Die Gewinne werden komplett wieder ins Unternehmen gesteckt, viel davon in Forschung und Entwicklung. „Wenn bei einer börsennotierten Gesellschaft der Vorstandschef Druck von den Aktionären bekommt, weil die Gewinne mal für eine Zeit nicht so sprudeln wie gewohnt, was liegt da näher als bei Forschung und Entwicklung zu sparen?,“ fragt Bose, „und genau das passiert immer wieder. Ich möchte nicht, dass das auch bei Bose so läuft.“ Zurzeit schlägt er sich mit Anwälten und der US-Steuerbehörde herum, um Regeln festzusetzen, um grünes Licht für die Konstruktion der Eigentümerstruktur in der Nach-Amar-Bose-Ära zu bekommen, von der er noch nicht endgültig sagen will oder kann, wie sie einmal aussehen soll. Eine Stiftung war mal im Gespräch, doch davon ist er nach eigenem Bekunden abgerückt.

Erfindungsreichtum von Bose prägte Unternehmen

Es sind die von Bose-Mitarbeitern immer wieder erzählten Geschichten über den Ideen- und Erfindungsreichtum des Firmengründers, die jedem vor Augen führen, wie entscheidend Amar Bose das Geschick und die Kultur seines Unternehmens seit Jahrzehnten geprägt hat. Etwa wie er Anfang der 60er Jahre die ersten Aufträge von der Air Force und der Nasa bekam: Er heuerte beim Besuch einer Abordnung der Militärs eine Freundin an, die vor seiner Tür eifrig mit dem Schraubenzieher an etwas herumschraubte und täuschte so vor, er habe bereits Angestellte und darunter sogar Technikerinnen. Es wirkte. Noch heute ist Bose ein wichtiger Lieferant für das US-Militär, etwa mit Kopfhörern.

Oder die Geschichte, wie er die Skepsis der Marketing-Leute überwand, die ihm sagten, die Leute wollten den Sound von großen Lautsprecherboxen, kleine würden sich nicht verkaufen. Also baute Bose große, groß wie ein Schrank und demonstrierte sie den Skeptikern. Nachdem er sich deren Lob für den guten Klang abgeholt hatte, nahm er die Front der potemkinschen Monster ab und zum Vorschein kamen die kleinen Quader, um die es ihm wirklich ging. Sein größter Flop? 1967 entwickelte Bose einen Lautsprecher in der Form eines Balls, von dem ihm die Marketing-Leute voraussagten, man könne damit im ersten Jahr einen Umsatz von einer Million Dollar machen. „Produziert wurden 60, verkauft haben wir nur 40 davon,“ lacht Bose heute, „es war mein Fehler, nur ein Professor kann auf eine solche Idee kommen, denn die Boxen brauchten zwei freie Ecken in einem Raum und wer hat die schon?“ Damals habe er gelernt, immer an den Konsumenten zu denken, wenn er ein Produkt entwickele.

Ärger über selbst erlittene schlechte Qualität scheint eine der Hauptmotivationen für den gelernten Elektroingenieur zu sein. Bose, der als Kind sieben Jahre lang Geigenunterricht bekam, ärgert sich über plärrende Lautsprecher in Hotelzimmern – das Unternehmen entwickelt das Wave Radio, kaum größer als ein Radiowecker, aber mit dem vollen Klang einer HiFi-Anlage. Den Chef nerven die Nebengeräusche, die das Musikhören während einer Flugreise stören – Bose entwickelt einen Kopfhörer, der das unerwünschte Dröhnen elektronisch schluckt. Da stört den Boss die unzulängliche Federung seines Autos – seine Ingenieure beißen sich an der Lösung des Problems fast die Zähne aus.

Seinen Geschäftssinn kombiniert mit der Gabe eines überdurchschnittlich entwickelten technischen Verständnisses nutzte Amar Bose bereits im Alter von 13 Jahren. Der Sohn eines indischen Immigranten und einer amerikanischen Sonntagslehrerin eröffnete im Erdgeschoss des Elternhauses in Philadelphia Anfang der Vierziger Jahre eine Radioreparaturwerkstatt, die bald so erfolgreich lief, dass er Freitags die Schule schwänzen musste, um noch mit den Aufträgen nachkommen zu können. Der Vater, der zuvor mit wenig Erfolg versucht hatte Türmatten zu verkaufen, kümmerte sich um die Rechnungen. Mit 17 Jahren wurde Amar Bose beim Massachusetts Institute of Technology (MIT) angenommen und startete dort im Fachbereich Elektrotechnik eine Bilderbuchkarriere vom Studenten über den Assistenten zum Professor. Noch bis ins Jahr 2001 hielt er dort Vorlesungen. Die Gründung des Unternehmens Bose im Jahr 1964 ist ein besonders gelungenes Beispiel für die erfolgreiche kommerzielle Nutzung von an Hochschulen durchgeführter Forschungsarbeit. Bose konnte Patente nutzen, die er als Doktorand beim MIT entwickelt hatte. Boses Begeisterung fürs MIT kühlte allerdings merklich ab, als die Hochschule von seinem Sohn Vanu vor knapp zehn Jahren aus Sicht des Vaters überhöhte Gebühren für Patente und eine große Beteiligung an dem Unternehmen wollte, das der Filius gründete. Danach soll der alte Bose den Plan verworfen haben, dem MIT nach seinem Tod die Mehrheit am Unternehmen zu übertragen. Amar Bose hat noch eine Tochter aus erster Ehe, er ist zum zweiten mal verheiratet, mit der Schweizerin Ursula Boltzhauser, die auch für Bose arbeitet. Auch sie wird in seinen Überlegungen für die Zukunft des Unternehmens möglicherweise eine wichtige Rolle spielen.

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