Le Crobag Snack mit Gleisanschluss

Mit Croissants und Kaffee hat Le Crobag die deutschen Bahnhofshallen erobert. Nun will das Unternehmen in die Innenstädte vorstoßen.

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Wäre Christian Knoop-Troullier an diesem Februartag 1980 nicht am Bahnhof Metz gewesen, blieben wohl bis heute viele deutsche Bahnhöfe eine Croissant-freie Zone. Der Hamburger Kaufmannssohn war eigentlich ins Elsaß gereist, um Croissants nach Deutschland zu importieren. Doch dann sah er dieses gekachelte Büdchen in der Bahnhofshalle: vollgestopft mit Blechen voller knuspriger Blätterteigteilchen. Knoop-Troullier fragte sich, ob die wohl alle verkauft werden würden. Als er nach einer Stunde von einem Treffen mit einem französischen Großbäcker zurückkam, waren die Bleche fast leer geputzt. Knoop-Troullier ließ seine Pläne vom Croissant-Großhandel fallen. Ein Jahr später eröffnete er seinen ersten eigenen Backstand im Hamburger Hauptbahnhof – von da an begann Le Crobag die deutschen Bahnhöfe zu erobern. Egal, an welchen deutschen Bahnhof man heute kommt: Le Crobag ist meistens schon da. Fast 120 Filialen in 33 Städten hat das Hamburger Unternehmen, beschäftigt knapp 900 Mitarbeiter und steigerte den Umsatz in den vergangenen Jahren jeweils um mehr als zehn Prozent. 2006 lagen die Erlöse bei rund 60 Millionen Euro, in diesem Jahr sollen sie auf 63 Millionen Euro klettern. Mehr Snack-Konkurrenz und weniger Neueröffnungen haben das Wachstum etwas gebremst. Vor knapp einem Jahr öffnete am Wiener Südbahnhof die erste Auslandsfiliale. Nun will das Hamburger Unternehmen auch außerhalb Deutschlands wachsen – und auch außerhalb der Bahnhöfe. Mit einem neuen Konzept und zwölf neuen Shops in diesem Jahr bricht das Unternehmen dabei auch in die Domäne von Coffeeshopketten wie Starbucks ein. Begonnen hat das Unternehmen vor gut 25 Jahren als ein Verkauf aus der Holzkiste unter dem Namen Le Croissant. Damals gab es nur ein Buttercroissant zum Preis von einer Mark und ein gefülltes Hörnchen mit Schokolade für 40 Pfennig mehr. Heute umfasst das Angebot rund 70 Produkte – vom Kuchen über belegte Baguettes bis zu Kaffeespezialitäten. Seit 1996 konnte Le Crobag den Umsatz mehr als verdoppeln und rangiert nun auf Rang 25 der Top-100-Gastronomie-Unternehmen. Dabei muss Le Crobag sogar auf sein bestes Verkaufsargument heute größtenteils verzichten: das Marketing des Duftes. In den Anfangsjahren brauchte das Unternehmen noch keine Abluftanlagen, und der Geruch frischer Croissants zog durch die Bahnhöfe. Heute lockt der Duft die Kunden nur noch in unmittelbarer Nähe der Stände. Gebacken wird stets nach Bedarf, doch das Gefühl der Ofenfrische wird durch einen Trick verstärkt: die Apfeltaschen oder Nuss-Nougat-Croissants werden auf beheizten Platten warm gehalten. Die Idee, tiefgefrorene Teigrohlinge aufzubacken, brachte Knoop-Troullier noch vor dem Düsseldorfer Bäckerkönig Heiner Kamps nach Deutschland. Kamps revolutionierte mit diesem Konzept die deutsche Bäckereienlandschaft, Ende der Neunziger wollte er sogar Le Crobag übernehmen. Knoop-Troullier war zu dieser Zeit schon Geschäftsführer und Teilhaber der Damenmodekette Aust. Da er sich darauf konzentrieren wollte, verkaufte er seine Snackkette. Kamps war der Preis damals jedoch zu hoch, den Zuschlag bekam die französische Neuhauser-Gruppe. Der führende europäische Backwarenhersteller belieferte Le Crobag von Anfang an mit Teigwaren; der Chef Alfred Neuhauser hatte persönlich die ersten Croissants in Hamburg gebacken. „Wir waren froh, dass Neuhauser uns gekauft hat“, sagt Friederike Stöver. Die 46-Jährige ist seit elf Jahren Geschäftsführerin von Le Crobag. Als Stöver dort 1981 anfing, verkaufte die Volkswirtschafts-Studentin noch selbst die französischen Frühstückshörnchen. Im Hamburger U-Bahnhof Wandsbek übernahm sie eine Filiale und wurde eine der ersten Pächterinnen.

Wie Kamps, McDonald’s oder die Sandwich-Kette Subway ist auch Le Crobag ein Franchise-Unternehmen. Die einzelnen Filialen werden von Lizenznehmern betrieben. Diese nutzen das fertige Konzept und die bekannte Marke, Le Crobag kassiert dafür fünf Prozent des Umsatzes. Doch das Unternehmen unterscheidet sich von hochexpansiven Konzepten wie dem der Sandwich-Kette Subway. Nicht der einzelne Standortbetreiber, sondern die Zentrale trägt die Anfangsinvestitionen und betreibt jede Filiale mindestens sechs Monate lang. Erst dann, wenn Kosten und Umsätze stimmen, kann der Filialleiter den Laden pachten. „Die Expansion ist dadurch zwar gebremst“, sagt Stöver, „doch wir wollen keine schlechten Flächen.“ Le Crobag arbeitet mit vier verschiedenen Shop-Konzepten, von acht bis 250 Quadratmetern. Trotzdem steigerte Le Crobag seinen Umsatz, neue Standorte trugen dabei nur knapp fünf Prozent des Zuwachses bei. Starbucks, Subway oder Kamps erzielen ihr Wachstum dagegen vor allem durch neue Filialen. Noch ein weiterer Faktor bremst die Expansion: „Wir sind spezialisiert auf Bahnhöfe“, sagt Stöver, „das ist die Stärke, zugleich aber auch die Schwäche von Le Crobag.“ 13 Millionen Croissants und sieben Millionen Becher Kaffee verkauft Le Crobag im Jahr. Doch während in den Anfangsjahren nur der Mitropa-Vorläufer DSG (Deutsche Schlafwagen- und Speisewagen-Gesellschaft) und einzelne Imbissbuden Konkurrenz machten, sind die meisten Shops heute von McDonald’s, Kamps oder der Mainzer Brezelbäckerei Ditsch. Zudem ist die Zahl der größeren Bahnhöfe begrenzt. In München, Karlsruhe und im Ruhrgebiet sucht Le Crobag zwar noch Standorte, doch das Unternehmen hat in diesem Jahr einen neuen Kurs eingeschlagen: Mit größeren Flächen, die auch Sitzmöglichkeiten bieten und einem erweitertem Kaffeeangebot will Le Crobag jetzt auch in Innenstadtlagen den klassischen Coffeeshops Paroli bieten – und trumpft dabei mit Tomate-Mozzarella-Baguettes, Rosinenschnecken und Marzipan-Croissant auf. Die meisten Coffeeshops bieten dagegen nur eine Handvoll Muffins, Brownies oder Bagels. Doch an ihrer „Kaffeekompetenz“ müssen die Hamburger noch arbeiten, sagt Stöver. Vorreiter der neuen Strategie ist ein Stand in der neu eröffneten Hamburger Europa-Passage. Eigentlich liegt er nicht direkt darin, sondern etwas versteckt, zwischen dem Eingang und den Treppen des U-Bahnhofs Jungfernstieg. In dem Gang ist es zugig und die Sitzecke nicht sehr gemütlich. Selbst Stöver gesteht ein, dass der Standort nicht ideal ist. Es halten weit weniger Kunden hier an, als erwartet. Immerhin: so kann Le Crobag klammheimlich das neue Kaffee-Konzept ausprobieren. Statt mit dem Vollautomaten werden Espresso und Latte Macchiato nun wie in Italien von Hand gemacht. Allerdings dauert das etwas länger; manchem Kunden ist die Wartezeit schon zu viel. Weitaus besser läuft es im Hamburger Hauptbahnhof. Eine der vier Filialen hat seit Mai eine größere Fläche, die Bänke vor der grünen Grastapete laden zum Verweilen ein – auch wenn sie mit dem Wohnzimmer-Stil von Starbucks nicht mithalten können. „Der Umsatz hat sich inzwischen mehr als verdoppelt“, sagt Stöver. Neben neuen, größeren Flächen hat die Geschäftsführerin jetzt den Auslandsmarkt im Blick. Nach der ersten Eröffnung in Österreich denkt Stöver über Standorte in Holland und Osteuropa nach. In die französische Heimat wird sich die Croissant-Kette aber nicht begeben, sagt Stöver: „Die Franzosen warten wirklich nicht darauf, dass ein Deutscher ihnen Croissants verkauft.“

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