USA beklagen „Niedergang“ Deutschlands

Zu hohe Steuern, zu hohe Arbeitskosten, zu viel Bürokratie: Viele US-Unternehmer machen sich Sorgen, dass der deutsche Konjunktur-Motor nicht anspringt. Das Image vom Musterknaben aus Wirtschaftswunder-Zeiten ist passé. Aber „Germany“ hat weiter einen guten Klang bei amerikanischen Verbrauchern.

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WASHINGTON. Ganz gleich, welche amerikanischen Geschäftsleute man dieser Tage auf Deutschland anspricht: die Mienen verfinstern sich schlagartig. „Deutschlands Wirtschaft kränkelt – die Zeiten der allseits bewunderten Wachstums- Lokomotive sind vorbei“, sagt Gary Litman, Chef der Europa-Abteilung bei der US-Handelskammer in Washington. Litman gibt ein Muster-Beispiel für amerikanischen Pragmatismus: „Wir schauen auf die Zahlen, und die belegen eindeutig: Die Konjunktur geht nach unten, die Arbeitslosigkeit nach oben.“ Vor allem die letzten sechs bis neun Monate hätten deutlich gemacht, „dass mit Deutschland irgend etwas nicht stimmt“.

Auf die Frage, welches Sündenregister ihm zum ehemaligen Wirtschaftswunderland einfalle, antwortet Litman wie aus der Pistole geschossen: „Hohe Besteuerung der Unternehmen, hohe Arbeitskosten, zu viel Bürokratie und zu geringe Produktivität.“ Darüber hinaus habe die PISA-Studie gezeigt, dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich große Bildungs-Lücken aufwiesen. Sagt Litman: „Deutsche Universitäten behandeln die Hoch-Technologie viel zu stiefmütterlich.“

Während US-Unternehmenskreise die Krisen-Symptome in Deutschland noch mit Schlagworten belegen, suchen die Denkfabriken bereits nach den Ursachen. Adam Posen vom angesehenen Institute of International Economics in Washington sieht einen „langsamen aber stetigen Niedergang“ der deutschen Wirtschaft. „Es scheint, dass Irland, die Niederlande und so-gar Frankreich die Kurve kriegen - nicht aber Deutschland.“

Und wann hat die Malaise begonnen? „Noch Anfang der 90er Jahre galten Deutschland und Japan in Amerika als Vorbilder“, betont Posen. 1994 und 1995 habe sich dann herausgestellt, dass „die Wiedervereinigung alles andere als ein rauschender ökonomischer Erfolg war“. Deutschlands Image als Standort für ausländische Investitionen sei angekratzt. Die spektakuläre Übernahmeschlacht zwischen dem Mobilfunk-Riesen Vodafone und der Düsseldorfer Mannesmann AG Ende der 90er Jahre habe gezeigt, dass sich das Land mit der Globalisierung schwer tue. Als weitere wachstumshemmende Ladenhüter nennt Posen den Flächentarif-Vertrag, die paritätische Mitbestimmung, die hohen Energie-Steuern sowie die nach US-Auffassung üppigen Urlaubs-Regelungen.

Während die Experten zum Teil heftige Kritik üben, spielt Deutschland in den amerikanischen Massenmedien kaum eine Rolle. Alles dreht sich gegenwärtig um einen möglichen Angriff gegen den Irak, die Nuklear-Krise in Nord-Korea und die Folgen des Konjunktur-Paketes von Präsident George W. Bush. Auch die Anti-Kriegs-Rhetorik von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die die US-Regierung im vergangenen Spätsommer zur Weißglut gebracht hatte, sorgt nicht mehr für Negativ-Schlagzeilen (siehe neben stehenden Kasten). Das Ansehen der Deutschen wurde langfristig jedenfalls nicht beschädigt. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des German Marshall Funds rangiert Deutschland in der Beliebtheit bei den Amerikanern an dritter Stelle hinter Großbritannien und Italien.

Auch der transatlantische Handel hat unter den diplomatischen Turbulenzen nicht nennenswert gelitten. Deutsche Firmen exportierten in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres Waren im Wert von 50,4 Mrd. $ in die USA, rund ein Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Im Gegenzug lieferten amerikanische Unternehmen von Januar bis Oktober 2002 Güter im Werte von 22 Mrd. $ nach Deutschland. Das sind gut 13 % weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gravierender sind die Rückgänge bei Direktinvestitionen, wo es auf beiden Seiten Einbrüche von bis zu 50 % gab.

Insgesamt sehen deutsche Wirtschaftsvertreter in den USA keine Nachteile durch die politischen Kalamitäten der Vergangenheit. „Zwar hören auch wir immer wieder die Sorge, dass Deutschland seine konjunkturellen Probleme nicht auf die Reihe kriegt - den Absatz unserer Güter und Dienstleistungen auf dem US-Markt berührt dies aber nicht“, unterstreicht Robert Berg-mann von der Washingtoner Vertretung des BDI und DIHT. Anders liege der Fall bei Rüstungs- und Sicherheitstechnologie: „Hier haben die amerikanischen Aufträge für deutsche Firmen abgenommen“, sagt Bergmann.

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