Mehr erneuerbare Energien Vattenfalls grüne Zukunft

Der schwedische Konzern baut auf Druck der Regierung den Anteil erneuerbarer Energien kräftig aus, hält aber an den deutschen Atom- und Kohlekraftwerken fest. Gleichzeitig sollen die Kosten gesenkt werden - keine leichte Aufgabe für Vattenfall-Chef Løseth.

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Offshore-Windpark: Vattenfall will den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 deutlich senken. Quelle: dpa

STOCKHOLM. Der schwedische Energieversorger Vattenfall will künftig stärker auf erneuerbare Energien setzen, um den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids deutlich zu senken. Die CO2-Emissionen würden von derzeit jährlich 90 Millionen Tonnen bis 2020 auf rund 65 Millionen Tonnen gesenkt, sagte Vattenfall-Chef Øystein Løseth diese Woche, als er die neue strategische Ausrichtung des Staatsunternehmens vorstellte. An seinen Atom- und Kohlekraftwerken in Deutschland will der Konzern aber festhalten.

Die Aufgabe, die der Norweger Løseth zu lösen hat, ist nicht einfach: Als Chef des staatlichen Energieriesen soll er Vattenfall in eine grüne Zukunft lotsen und gleichzeitig seinem einzigen Besitzer, dem schwedischen Staat, höhere Gewinne abliefern. Die Regierung in Stockholm hatte bereits vor einigen Monaten eine neue "Eigner-Direktive" für ihren größten Konzern veröffentlicht. Danach soll Vattenfall den Anteil der Energieproduktion aus fossilen Brennstoffen deutlich verringern und gleichzeitig höhere Gewinne an den Staat ausschütten.

Løseths Hauptbotschaften lauteten denn auch: Mehr erneuerbare Energien und Sparen. Künftig werde sich Vattenfall auf die drei Kernmärkte Schweden, Deutschland und die Niederlande konzentrieren. Was mit den Anlagen in Polen, Dänemark, Finnland, Belgien und Großbritannien geschehen wird, ist noch nicht entschieden. "Wir sind dabei, uns alle Aktivitäten anzuschauen", sagte Løseth und schloss einen Rückzug aus einigen Ländern nicht aus. Um, wie von der Regierung gefordert, ein Marktführer bei erneuerbaren Energien zu werden, will Vattenfall künftig hauptsächlich in Biomasse, Wind- und Wasserkraft investieren. Aber auch der Anteil von Kernenergie und Erdgas soll ausgebaut werden.

Gleichzeitig kündigte Løseth ein Sparprogramm an, das in den kommenden zwei bis drei Jahren zu jährlichen Kosteneinsparungen von sechs Mrd. Kronen (648 Mio. Euro) führen soll. Grund für diese Maßnahme sind schrumpfende Gewinne und die hohe Verschuldung des Konzerns. Zu den Sparmaßnahmen zählt auch eine Reduzierung der 40 000 Arbeitsplätze. Løseth nannte keine Einzelheiten, kündigte aber an, dass der Personalabbau weitestgehend über natürliche Fluktuation vorgenommen werden soll.

Auch die Neuinvestitionen will der Konzernchef kräftig senken. In den kommenden fünf Jahren will er die Summe auf 165 Mrd. Kronen (rund 18 Mrd. Euro) begrenzen. Ursprünglich wollte Vattenfall rund 201 Mrd. Kronen investieren. "Wegen einer schwierigen Markt-Situation benötigen wir zwei, drei Jahre, bevor wir wieder wachsen können", sagte der Vattenfall-Chef.

Die jetzt vorgelegten strategischen Veränderungen sind in Absprache mit der bürgerlichen Regierung in Stockholm erfolgt. Der zuständige Staatssekretär Ola Alterå sprach gestern von "großen Veränderungen" und "vielen weiteren Beschlüssen in den kommenden Jahren". Die Eigner-Direktive enthalte auch den Auftrag an die Konzernleitung, das Vertrauen in das Unternehmen wieder herzustellen. Vattenfall war nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schweden wegen diverser Pannen in Atomkraftwerken in die Kritik geraten.

Alterå rechnet mit Verkäufen und Neuinvestitionen mit einem Volumen von mehreren zehn Mrd. Kronen. Die Neuaufstellung des Konzerns sei auch für eine eventuelle Teilprivatisierung notwendig, sagte der Staatssekretär. Die Regierung hat angekündigt, einen Teil der Aktien an Vattenfall verkaufen zu wollen, selbst aber Hauptaktionär zu bleiben. Alterå betonte aber, dass es noch keinen Zeitplan für einen Teilverkauf gebe.

Deutsche Tochter verliert an Einfluss

DÜSSELDORF. Deutschland gehört neben dem Heimatmarkt Schweden auch künftig zu den Kernmärkten Vattenfalls - das stellte Konzernchef Øystein Løseth klar. Von den geplanten Verkäufen ist das Unternehmen zunächst ebenfalls weitgehend ausgenommen, weder Kern- noch Kohlekraftwerke oder der ostdeutsche Tagebau stehen zur Disposition. Und auch die Niederlassung in Berlin, Vattenfall Europe, die neben Deutschland auch Polen verantwortet, wird erhalten bleiben.

Trotzdem wird der deutsche Einfluss aber empfindlich beschnitten. Løseth gibt die bisherige regionale Ausrichtung in der Steuerung des Konzerns auf, in der Vattenfall Europe eine von fünf zentralen Einheiten war. Der Konzern wird künftig nach Geschäftsbereichen gegliedert wie Stromerzeugung, erneuerbare Energien, Vertrieb oder Großhandel.

Das Deutschland-Geschäft ist größer als das in der Heimat

Die Zentrale in Stockholm nimmt die Filiale in Berlin damit endgültig an die kurze Leine. Den ersten Schritt hatte Løseths Vorgänger, Lars Göran Josefsson, 2007 gemacht als er Deutschland und Polen zusammenfasste, den Finnen Tuomo Hatakka an die Spitze von Vattenfall Europe berief und den Vorstand straffte. Unter Ex-Chef Klaus Rauscher war die Tochter zuweilen zu selbstbewusst aufgetreten. Das deutsche Geschäft ist schließlich größer als die Mutter in Schweden. Es erwirtschaftet rund 60 Prozent des Konzernumsatzes, die 22 000 Mitarbeiter stellen etwa die Hälfte der Belegschaft.

Pannen haben das Unternehmen unter Druck gesetzt

Vattenfall Europe war 2002 aus mehreren Unternehmen entstanden: Den Versorgern von Berlin, Bewag, und Hamburg, HEW, sowie dem Braunkohle-Tagebaubetrieb Laubag und dem Kraftwerksbetreiber Veag. Entsprechend schwierig war das Gebilde von Anfang an für die Schweden zu führen. Pannen in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel setzten auch die Konzernzentrale in Schweden unter Druck.

Autor: Jürgen Flauger

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