Unternehmensberatung Wenn die kleinen Berater besser sind

Von großen Beratungen fühlen Mittelständler sich oft unverstanden. In spezialisierten und mittelgroßen Häusern finden sie längst gute, günstige Alternativen. Wichtiges Kriterium für Berater im Mittelstand sind Empfehlungen. Doch auch die schützen nicht immer vor schwarzen Schafen.

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DÜSSELDORF. Fehlgeleitete Mails können verräterisch sein. "Den müssen wir ruhigstellen!" So reagierte eine renommierte Personalberatung auf eine Nachfrage ihres Klienten Dietmar Böcking, damals Manager eines großen Familienunternehmens. Dumm nur, dass die interne Mail im Postfach des Kunden landete. Böcking, heute Chef des sauerländischen Schalterherstellers Berker, fühlte seine Vermutung bestätigt: "Für die großen Berater rangieren wir Mittelständler doch nur unter ferner liefen. Aber wenn?s hakt, brauche ich sofort jemanden. Als CEO will ich nicht mit einem Junior Consultant abgespeist werden."

Der Berker-Chef spricht aus, was viele Mittelständler und Familienunternehmer empfinden: Egal wie glänzend die Expertise von Topberatern - in Personal- wie in Strategiefragen - auch sein mag, von ihnen fühlen sie sich nicht richtig ernst genommen.

"Mittelgroße, spezialisierte Beratungen sind heute eine gute Alternative", weiß Eva Manger-Wiemann von Cardea. Die Schweizer Meta-Consultingfirma hilft Firmen bei Auswahl und Evaluierung von Beratern. Andreas Schüren, Chef der Managementberatung von Rölfspartner, bestätigt: "Überall dort, wo Marke und internationale Leistungsfähigkeit nicht zwingend sind, haben mittelgroße Beratungen eine sehr gute Wettbewerbsposition."

Manager Böcking hat zwar viele gute Erfahrungen mit Topberatern gemacht, doch stört ihn der Habitus "Ich sag Euch, wo?s lang geht!" Der Chef von 600 Mitarbeitern betont: "Wir Mittelständler brauchen Berater auf Augenhöhe. Solche aus kleineren Häusern sprechen unsere Sprache, sie hängen nicht stur an Methoden, sondern denken unternehmerisch." Das entspricht auch dem Selbstverständnis von Beratern wie Bernd Gaiser, Chef von Horváth & Partners. "Ich bin Unternehmer und kein Söldner", betont er.

Erfahrene Macher bevorzugt

Soziale Kompetenz ist für Mittelständler bei der Auswahl ihrer Ratgeber extrem wichtig. "Berater müssen nicht unbedingt die Jahrgangsbesten sein. Im Gegenteil: Denen fehlt häufig die Bodenhaftung", so die Erfahrung von Böcking. Auch Consultants mittelgroßer Häuser haben erstklassige Noten und sind in der Regel international ausgebildet, betont Berater Schüren. Was sie stark unterscheidet, ist die Persönlichkeit.

Fakt ist: Mittelständische Ratgeber sind in der Regel zupackender und zudem seniorer an Erfahrung. Das hilft in der akuten Krise, in der Berater ganz schnell das Richtige tun und vor allem umsetzen müssen. "Da machen sich Experten mit langjähriger Erfahrung in der Industrie bezahlt", meint Hans-Ulrich Stamer, Chef der Beratung Management Engineers. "Unser Einstellungsalter liegt im Schnitt bei 36 Jahren. Junge Berater frisch von der Uni, wie große Häuser sie bevorzugt einstellen, brauchen viel zu lange, um sich in die Industrielogik einzuarbeiten."

Solche Vorteile sieht auch Mittelständler Böcking: "Es muss nicht immer eine der Topmarken sein. Aber auch wir Mittelständler wollen nicht die zweite Garde, sondern Qualität. Und die bekommen wir inzwischen bei mittelgroßen Beratungen - anders als vor zehn Jahren." Das bestätigen Studien über die Hidden Champions der Branche, die Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, durchführt (siehe Interview).

Das Ergebnis: Hidden Champions schlagen in ihrem Spezialgebiet aus Kundensicht sogar McKinsey, Boston Consulting und Roland Berger. Homburg & Partner zum Beispiel ist demnach im Marketing/Vertrieb kompetenter als die drei Champions. Management Engineers sind für Kunden Nummer eins in operativer Effizienz. Brainnet und Kerkhoff führen im Einkauf. Und Horváth trauen Kunden im Controlling am meisten zu.

Ihr Erfolgsrezept ist ein klares Profil, auch wenn viele ihr Revier Schritt für Schritt erweitern. "Große Beratungen dagegen stehen unter dem Zwang, möglichst alle Fachgebiete anbieten zu müssen. Dann ist die Gefahr groß, dass die Qualität erodiert", moniert Horváth-Chef Gaiser.

Längst beraten die Hidden Champions neben Mittelständlern auch die großen Daxe. "Konzerne sind offener als früher, auch spezialisierten Beratungen Aufträge zu erteilen", sagt Manger-Wiemann von Cardea. Gaiser prophezeit sogar: "Der Beratermarkt entwickelt sich wie die US-Filmindustrie. Die einst so mächtigen Filmfabriken sind verschwunden, stattdessen arbeiten dort heute hunderte Topexperten." Noch sind die kleinen Beratungen, die den großen in ihrem Spezialgebiet die Kunden streitig machen, allerdings rar unter den rund 14 000 Beratungen hierzulande.

Im Gegenzug versuchen die großen Beratungen verstärkt, tiefer in die Bastionen des Mittelstands vorzudringen. Denn in der Krise haben etliche Konzerne einen Beraterstopp verhängt. "Große Häuser sind sich nicht mehr zu schade für den Mittelstand", bestätigt Manger-Wiemann. "Viele möchten es sich heute nicht mehr leisten, große mittelständische Kunden nur nebenher zu bedienen."

Firmen schätzen individuellen Rat

McKinsey etwa bemüht sich nach eigenen Angaben besonders intensiv und erfolgreich um mittelständische Klienten, allen voran in der Kfz-Zulieferindustrie und im Maschinenbau. Dank einer spezialisierten Mittelstandsinitiative habe McKinsey tiefe Einblicke in die Besonderheiten und Bedürfnisse dieser Unternehmen.

Gerade in Familienbetrieben stoßen multinationale Beratungen allerdings auf Skepsis. "Große Namen, die den Stempel Kostenkiller auf der Stirn tragen, sorgen nur für Unruhe im Betrieb", weiß Böcking. Ihn stört, wenn große Häuser mit fixen Teams erscheinen, egal welche Aufgabe sie erwartet. Und stets wendeten sie ihre Standardtools an. Mittelgroße Häuser berieten viel individueller.

Kleine Teams, schnelle Umsetzung

"Mit zahlenmäßig so starken Teams wie die ganz Großen können wir zwar nicht anrücken", räumt Stamer von Management Engineers ein. Das habe aber auch Vorteile: "Da wir ganz eng mit Kunden zusammenarbeiten, lernen alle voneinander und die Umsetzung geht viel schneller."

Auch in Sachen Auslandspräsenz versuchen mittelgroße Berater, den Großen nachzueifern. Schließlich sind deutsche Mittelständler weltweit tätig. Management Engineers ist inzwischen in sechs Ländern aktiv, Horváth in acht Ländern.

Viele Mittelständler improvisieren, wenn sie Rat im Ausland benötigen. "Dann frage ich andere Mittelständler oder Banker nach kompetenten Beratern vor Ort", erzählt der Berker-Chef. Empfehlungen sind im Mittelstand ohnehin ein wichtiges Entscheidungskriterium für Berater. Die großen Marken unterschätzten das, glaubt Böcking. Doch Mund-zu-Mund-Propaganda allein schützt nicht immer vor den Schwarzen Schafen der Zunft.

"Etliche Berater, meist freigestellte Manager 55plus, dienen sich uns zum Niedrigpreis an", erzählt Böcking. Doch fehle ihnen das nötige Berater-Handwerkszeug ebenso wie aktuelles Fachwissen. Er kann nur warnen: "Solche One-Man-Show-Berater sind eine Gefahr für den Mittelstand."

Dietmar Fink: "Es muss nicht immer McKinsey sein"

Seit Jahren untersucht Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die Qualität von Beratungen anhand der Kundenzufriedenheit. Mit Handelsblatt-Redakteurin Katrin Terpitz spricht er über Hidden Champions und schwarze Schafe.

Handelsblatt: Müssen Unternehmen unbedingt auf große Häuser setzen, um gut beraten zu sein?

Dietmar Fink: Es muss nicht immer McKinsey sein. So mancher Hidden Champion kann die großen Beratungen in seinem Spezialgebiet aus Sicht der Kunden durchaus übertreffen. Allerdings sollten Auftraggeber äußerst vorsichtig sein. Denn der Markt für Beratungen ist sehr intransparent. Und bei vielen kleinen Beratungen lässt die Professionalität extrem zu wünschen übrig. Trotzdem treten viele von ihnen mit der völlig absurdenAttitüde auf: Wir bügeln aus, was mit McKinsey schiefgelaufen ist.

HB: Aber auch mit renommierten Beratungen scheinen Unternehmen aus dem Mittelstand nicht immer zufrieden zu sein. Warum?

Fink: Tatsächlich scheitert so manches Projekt. Berater der großen Häuser sind vornehmlich auf die Chefetagen globaler Konzerne konditioniert. Treffen sie auf den typischen Mittelständler, prallen oft Welten aufeinander. Für große Häuser sind Aufträge aus dem Mittelstand oft nur sehr kleine Projekte. Viele Kunden haben das Gefühl, nicht ernst genommen und nur nebenher bedient zu werden.

HB: Sind hier kleine und mittelgroße Beratungen im Vorteil?

Fink: Oft harmonieren sie kulturell viel besser mit dem Mittelstand. Die Berater kommen nicht frisch von der Uni, sondern haben ihre Karriere häufig im Mittelstand begonnen. Sie sprechen dieselbe Sprache und begreifen die Probleme ihrer Kunden.

HB: Was macht mittelgroße Beratungen sonst noch erfolgreich?

Fink: Zunächst mal ein klares Wertversprechen. Zudem muss der Kunde das Gefühl haben, dass sich ein Berater nicht nur in seinem Spezialgebiet, sondern auch in der Branche des Kunden auskennt. Er muss mitreden können, ohne gleich den nächsten Auftrag verkaufen zu wollen. Gerade im Mittelstand dürfen Berater nicht zu aggressiv vorgehen.

HB: Und wo sind kleinere und mittlere Berater klar im Nachteil?

Fink: Bestimmte Projekte erfordern eine gewisse Größe. Kleinere Häuser können eben nicht auf einen Schlag 150 Leute abstellen. Auch für internationale Projekte sind die globalen Häuser unschlagbar im Vorteil.

HB: Schrecken viele Mittelständler auch die Honorare der Großen ab?

Fink: Sicher, die Tagessätze unterscheiden sich deutlich: 3 000 bis 4 000 Euro verlangen die ganz Großen. 2 000 bis 2 500 Euro gute mittelgroße Berater. Management Engineers ist es gelungen, als mittelgroße Beratung in der Preisliga der Großen mitzuspielen. Letztlich entscheidet das Preis-Leistungsverhältnis. Insgesamt ist in der Krise der Preisdruck gestiegen. Alle Berater versuchen, ihre Honorare zu verteidigen. Zugleich locken sie mit Rabatten: Zahl einen Consultant und wir schicken einen zweiten kostenlos mit.

HB: Wen trifft die Krise härter?

Fink: Mittlere Beratungen haben es in Konzernen besonders schwer, weil sie ihre Aufträge meist aus dem mittleren Management bekommen. Derzeit vergibt oft nur noch der Vorstand höchstpersönlich Projekte, der aber engen Kontakt mit großen Beratungen pflegt. Keine Sorgen müssen sich jedoch Spezialberatungen machen, die Restrukturierung oder Einkaufsmanagement anbieten.

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