Streitschlichtung Wie der neutrale Dritte den Richter ersetzt

Statt den Arbeitsrichter rufen Firmen immer häufiger einen Mediator, um interne Konflikte oder auch Zoff mit Kunden zu beenden. Der neutrale Dritte spart oft nicht nur Nerven und Zeit, sondern auch Geld.

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Warnstreik unter wehenden Fahnen der IG Metall: Bei internen Auseinandersetzungen können Mediatoren helfen. Quelle: handelsblatt.com

Eigentlich war der Streit beim Autozulieferer Modine ein typischer Fall für den Arbeitsrichter. Der US-Mutterkonzern wollte Teile seiner Produktion vom deutschen Standort in Neuenkirchen bei Rheine abziehen. Die Belegschaft sollte nicht mehr Kühler für Bau- und Erntemaschinen, sondern Abgaskatalysatoren für Dieselfahrzeuge herstellen. Den Bau der Kühler sollten die süddeutsche und die ungarische Modine-Niederlassung übernehmen.

Das wollten die Beschäftigten von Modine nicht hinnehmen. Der Disput mit dem Management eskalierte, bis die Maschinen in Neuenkirchen stillstanden. In dieser Lage dachte Geschäftsführer Werner Koch aber nicht an den Arbeitsrichter, sondern an Eckhard Eyer.

Der Kölner Wirtschaftsmediator hatte schon zwei Jahre zuvor mit Betriebsrat, IG Metall und Management ein neues Leistungsentgeltsystem bei Modine erarbeitet. Nun setzte Koch wieder auf den kühlen Kopf des Ingenieurs und Kaufmanns Eyer, der die Positionen in der aufgeheizten Stimmung ausloten, auf den Punkt bringen und Arbeitnehmer und Geschäftsführung zum Kompromiss führen sollte.

Mediation bedeutet eine einvernehmliche Lösung von Konflikten mit Hilfe eines neutralen Dritten, der zwischen den Positionen vermittelt, ohne inhaltlich zu entscheiden. Anders als vor Gericht gibt es keinen Richterspruch, aber auch keine Sieger und Verlierer, denn alle tragen die Lösung mit.

Dass immer mehr Unternehmen bei Konflikten Mediatoren einschalten, bestätigt eine neue Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers und der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Die Studie basiert auf Erfahrungen des 2008 initiierten Runden Tisches für Konfliktmanagement und Mediation, dem 30 deutsche Unternehmen wie Bayer, Deutsche Bahn und Siemens angehören.

Eine Statistik über die Anzahl der jährlichen Wirtschaftsmediationen gibt es nicht, da die Vermittlung diskret abläuft, doch alle Mediationsverbände verzeichnen wachsendes Interesse. "Die Mediation ist gerade dort sinnvoll, wo man über den Streit hinaus zusammenarbeiten will", sagt Anwältin Silvanne Helle von Oppenhoff & Partner. Das gelte für Arbeitsverhältnisse, langfristige Lieferverträge, Subunternehmerverträge sowie für Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern.

"Beide Seiten wussten, dass es ein Leben nach dem harten Konflikt geben würde", sagt Mediator Eyer über den Streit bei Modine. "Auch im neu eingerichteten Werk würden Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall wieder aufeinandertreffen." Weil beide Seiten keinen Scherbenhaufen hinterlassen wollten, baten sie den Mediator hinzu. Er verhandelte dann mit zwölf Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

"Mit einer außergerichtlichen Mediation kann ein Unternehmen viel Zeit, Geld und Nerven sparen", sagt Anwältin Helle. Bei Bauprojekten führe ein Streit oft zu Verzögerungen oder Baustillstand, was Vertragsstrafen auslöst. Hier müsse schnell ein Konsens her. Auch Regelungen zur Unternehmensnachfolge lassen sich auf diesem Weg finden. "Mediationsverhandlungen dauern selten länger als ein paar Tage", sagt Helle. "Oft kann schon an einem Tag eine grundsätzliche Einigung erzielt werden." Schieds- oder Gerichtsverfahren ziehen sich teils über Jahre hin.

Bei Modine war der Weg zur Lösung schon nach vier Stunden geebnet. Die Parteien hatten ihre Positionen dargelegt, die Eyer gründlich hinterfragte, um sie allen verständlich zu machen. Danach "war allen klar, was passiert, wenn nichts passiert", sagt er: Die Verlagerungspläne wären gescheitert, und der neue Großkunde für die Katalysatoren würde abspringen. Das wirkte. Formulierungen wie "könnte man nicht" und "was wäre wenn" seien immer häufiger ins Gespräch gebracht worden - von beiden Seiten. Der Anfang vom Ende des Streits war geschafft.

Nicht immer brechen die Fronten so schnell auf. Oft fällt es den Kontrahenten schwer, die Argumente der Gegenseite zu respektieren. "Nach vielen sachlichen wie persönlichen Angriffen drohten die Parteien mehrfach mit Gesprächsabbruch und einem Gerichtsverfahren", schildert der Münchener Mediator und Rechtsanwalt Reiner Ponschab den Fall eines Familienunternehmens. Da habe er dann mit den Parteien die Prozesschancen ausgelotet. Auch wies er darauf hin, dass ein Gerichtsverfahren den Konflikt nach außen tragen würde: "Dieser Realitätscheck bewirkte eine beidseitige Ernüchterung."

Beim Autozulieferer Modine gelang Mediator Eyer die erfolgreiche Vermittlung nach nur drei Mediationstagen. Fixiert wurde sie in einer rechtsverbindlichen Betriebsvereinbarung. Der Produktionsverlagerung stand darauf nichts mehr im Wege.

Eine Mediation ist oft nicht nur schneller als ein Gerichtsverfahren, sie ist auch billiger. Die Kosten lägen oft bei einem Bruchteil der Gerichts-, Anwalts- und Gutachterkosten, sagt der Mediator Uwe Steininger, der im Vorstand des Europäischen Instituts für Conflict Management (Eucon) sitzt, "ganz abgesehen von Kosten wie unproduktiv aufgewendete Arbeitszeit oder Unsicherheit über die Wirksamkeit weiterer Gesellschafterbeschlüsse."

Um den geeigneten Mediator zu finden, helfen die IHKs, der Deutsche Anwaltverein oder Mediationsverbände. Eucon hat ein für die mittelständische Wirtschaft zugeschnittenes Verfahren entwickelt, das bis zur europaweiten Suche nach dem passenden Vermittler reicht.

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