Abhör-Affäre Die Schlüsselpersonen der Telekom-Abhörprotokolle

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Jürgen Haag: Der Mann fürs Grobe

Um die Verdächtigen ausfindig zu machen, gab Telekom-Vorstand Hultzsch, so die internen Papiere, grünes Licht, die „Telefon-Anschlüsse auf Überwachung zu legen“. Die Entscheidung fiel auf einer Krisensitzung in der Telekom-Zentrale in Bonn am Abend des 11. Dezember 1996. Bei dieser war auch Jürgen Haag, der damalige Netzsicherheitschef, anwesend.

Nachdem der Chefjustiziar der Telekom rechtliche Bedenken mit dem Argument der Notwehr vom Tisch gewischt hatte, konnte Haag loslegen. Zunächst musst er für die heikle Mission noch die richtigen Leute finden. Das gelang - die Abhöraktion startete am 13. Dezember 1996. An diesem Tag schaltete sich die Telekom den der WirtschaftsWoche vorliegenden Unterlagen zufolge auf Telefonnummern im Rheinland auf, die insgesamt drei verdächtigen Personen zugeordnet waren. Bei den Maßnahmen, die bis zum 16. Dezember 17.29 Uhr liefen, wurden internen Protokollen zufolge insgesamt rund 120 Anrufe erfasst. Die Leitungen seien – so heißt es in einem als „streng vertraulich“ eingestuften Vermerk der Telekom – der externen Dienstleistungsfirma Reuter in Haiger in Hessen „zugeführt“ worden.

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Es war keine rühmliche Rolle, die Jürgen Haag dabei spielte. Der damalige Telekom-Netzsicherheitschef gehört zum Urgestein der Deutschen Telekom. Seit den Sechzigerjahren, damals war das Unternehmen noch eine Behörde und hieß Deutsche Bundespost, arbeitet der studierte Nachrichtentechniker bei der Telekom.

In den Achtzigerjahren war er direkt mit der Einführung der digitalen Vermittlungstechnik im Festnetz beschäftigt. Anfang der Neunzigerjahre wechselte zur DeTeMobil, wie T-Mobile damals noch hieß, und organisierte den Aufbau des ersten digitalen Mobilfunknetzes D1. 1995, quasi mit dem Amtsantritt von Ron Sommer, stieg Haag zum Leiter des Zentrums für Netzsicherheit in Darmstadt auf.

Armer Schwachstromingenieur unter Hackern

Hacker wie Andy Müller-Maguhn erinnern sich noch gut an Haags Auftritt beim Jahreskongress des Chaos Computer Clubs (CCC), der kurz nach Weihnachten 1995 in Hamburg stattfand. Haag stellte sich als „armer Schwachstrom-Ingenieur, normaler Mensch mit Vornamen Jürgen“ vor. Er war etwas enttäuscht, heißt es im Kongressprotokoll, dass seine, wie er meinte schöne neutrale Formulierung „Hackerbetreuung“ keine Gnade beim CCC fand.

Es handle sich keineswegs um eine Überwachung oder sonstiges Ärgern von Hackern, sondern vielmehr den Versuch, eine Gesprächsform zu etablieren: „Personen, die durch Straftaten auffallen, werden betreut. Rundum betreut“, versuchte Haag damals eine Vertrauensbasis herzustellen

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