Absatzeinbruch Autoindustrie von Finanzkrise hart getroffen

Die Autoindustrie bekommt die Auswirkungen der Finanzkrise deutlich zu spüren. Da weltweit die Absätze einbrechen, drosseln Autobauer ihre Produktion oder verlängern die Werksferien. Der Branche droht ein massiver Stellenabbau.

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Viele BMWs bleiben derzeit in Quelle: dpa

In Paris bleibt der schöne Schein noch halbwegs gewahrt. Chrom glänzt, Motoren schnurren, Menschenmassen schieben sich durch Reihen nagelneuer Automodelle. Beim Pariser Autosalon treffen sich derzeit Branchenvertreter und Autofreaks. Während letztere mit glänzenden Augen die zig Neumodelle bestaunen, herrscht bei ersteren schlechte Stimmung. Die Branche steckt in ihrer größten Krise seit Jahren. Weltweit geraten die Autohersteller in den Sog der Finanzkrise. Heute räumte BMW ein, seine Absätze an Neuwagen seien im September um mehr als 14 Prozent eingebrochen. So ähnlich geht es fast allen großen Produzenten.

„Der Pkw-Markt konnte sich der wachsenden Verunsicherung der Haushalte nicht entziehen“, klagt der deutsche Branchenverband VDA. Die Neuzulassungen gingen um 1,5 Prozent auf 261.400 Pkw zurück. Im Gesamtjahr 2008 liegt das Absatzvolumen zwar noch um gut ein Prozent über dem Vorjahr, das liegt aber vor allem am guten Jahresauftakt. Die Nachfrage nach Pkw hat dagegen nach VDA-Angaben in den vergangenen Wochen zunehmend unter den Finanzmarktturbulenzen gelitten. Bei den Ordern zeigen sich im September im In- sowie im Ausland erste Bremsspuren.

Die Inlandsbestellungen gingen um sieben, die aus dem Ausland sogar um zehn Prozent zurück. Allein die Märkte in Osteuropa und Asien wachsen noch, können aber offenbar die Krise der für die deutschen Hersteller wichtigen Märkte in Europa und Amerika nicht ausgleichen.

Sogar der Mini kriselt

Insbesondere BMW leidet unter der Kaufzurückhaltung der Kunden in den USA und Westeuropa – und zwar erstmals über die ganze Modellpalette des Münchener Konzerns hinweg. So kriselt selbst Absatzgarant Mini. BMW teilte mit, dass der Absatz der Gruppe mit den drei Marken BMW, Mini und Rolls-Royce im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14,6 Prozent auf 121.621 Fahrzeuge zurückging. In den ersten neun Monaten kamen die Münchner mit 1,114 Millionen verkauften Autos aber immer noch auf ein leichtes Absatzplus von 1,7 Prozent.

„Die Situation bleibt angespannt - die Zuspitzung der Finanzkrise führt in jüngster Zeit auch im Premiumsegment zu einer Kaufzurückhaltung", sagt BMW-Vertriebschef Ian Robertson. „Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass die derzeitige Nachfrageschwäche vorübergehender Natur ist."

Auch Weltmarktführer Toyota schwächelt. Wie die Wirtschaftszeitung „Nikkei“ berichtet, dürfte der Toyota-Betriebsgewinn im laufenden Geschäftsjahr um rund 40 Prozent auf rund 1,3 Billionen Yen (9,4 Milliarden Euro) sinken. Zuvor hatten die Japaner mit 1,6 Billionen Yen gerechnet. Auch andere japanische Medien berichteten, dass der größte Autobauer der Welt seine Ertragsprognose für das bis 31. März laufende Geschäftsjahr deutlich nach unten korrigieren muss.

Opel-Mitarbeiter können Quelle: dpa

Toyota hatte zuvor bereits einen Rückgang des operativen Gewinns um 29,5 Prozent auf 1,6 Billionen Yen prognostiziert. Laut Medien muss der Konzern nun erneut den Stift ansetzen, auch bei der Umsatzprognose. Im September war Toyotas Absatz von Neufahrzeugen in den USA um 32,3 Prozent zum Vorjahr auf 144 260 Einheiten geschrumpft, ein Rückgang im fünften Monat in Folge.

In Deutschland wirkt sich die Krise der Autobauer bereits auf die Arbeitnehmer aus. Im Bochumer Opel-Werk läuft seit Anfang der Woche kein Auto mehr vom Band, am Standort Eisenach soll das sogar die nächsten drei Wochen so bleiben. Erzwungene Werksferien gibt es auch für Opel-Mitarbeiter in Polen, Großbritannien, Spanien.

Ein Volkswagen-Sprecher sagte, der Konzern  beobachte die Marktentwicklung sehr genau und reagiere flexibel auf die Nachfrage. Nähere Angaben zu möglichen Produktionskürzungen  machte er nicht. Der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" zufolge streicht die Tochter VW Nutzfahrzeuge im Werk Hannover bis Jahresende alle ursprünglich vorgesehenen Zusatzschichten und will eventuell zudem den weihnachtlichen  Werksstillstand um zwei Tage verlängern. Die zu Jahresbeginn noch aufgestockte Produktionsplanung für den VW Transporter wurde demnach um 3000 auf 176.000 verringert.

Dudenhöffer sieht 100.000 Stellen gefährdet

Vor allem Privatkunden verschieben derzeit ihre Neuwagenpläne. Das merken auch Ford, die VW-Töchter Seat und Skoda sowie Daimler - allesamt planen ebenfalls Produktionskürzungen. Die Autopreise aber sollen stabil bleiben. Eine Preisrallye nach unten wie auf dem US-Markt, wo sich die Händler mit Schnäppchenangeboten jeder Art überbieten, wollen Opel und Co. verhindern. Europaweit will Opel die Produktion in diesem Jahr um 40.000 Stück drücken. BMW spricht von 20.000 Autos, die erst gar nicht gebaut werden sollen, bei Seat sollen es 13.000 sein. Audi und Porsche haben ihren Absatz im September dagegen gesteigert.

Der Gelsenkirchener Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer prognostiziert bereiten, dass die deutschen Autoschmieden in den nächsten zehn Jahren gut 100.000 Arbeitsplätze wird streichen müssen.  Noch aber halten sich die großen deutschen Hersteller mit konkreten Ankündigungen zurück. Nur Ford hat in seinem Werk in Saarlouis 200 Zeitarbeitern gekündigt.

International geht es dagegen härter zu. Der schwedische Autobauer Volvo streicht  3300 zusätzliche Stellen. Bereits im Juni hatte Volvo mitgeteilt, 1500 Arbeitsplätze zu kürzen. Gemeinsam mit wegfallenden Beraterjobs stehen damit 6000 Stellen vor dem Aus, wie die Tochter des amerikanischen Autokonzerns Ford mitteilt. „Dies sind schwierige Zeiten für die Automobilindustrie und auch für Volvo“, sagte Volvo-Chef Stephen Odell. Der weltweite Abschwung der Branche sei „drastischer als erwartet“.

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