Angebliche Lizenzverstöße Microsoft und Oracle nehmen Unternehmen in die Mangel

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Der rabiate Umgang mit Kunden, die eigentlich umhegt und gepflegt sein wollen, verwundert selbst ausgebuffte Anwälte. Daniel Pauly von der Wirtschaftskanzlei Link‧laters: „Die setzen ihren Kunden die Pistole auf die Brust.“ Er vertritt derzeit mehrere Großunternehmen in solchen Fällen, darunter einen Dax-Konzern und ein großes an der Wall Street gelistetes Unternehmen.

Die Softwareverkäufer werfen den Kunden Urheberrechtsverstöße vor und konstruieren ein so wirkungsvolles Bedrohungsszenario, dass die Unternehmen zwangsläufig einknicken: Im schlimmsten Fall könnten die Fließbänder Monate lang stillstehen. Oder eine Bank stünde ohne funktionierendes Handelssystem da. Das wirkt: „Bei einem aggressiven Spezialsoftwarehersteller haben wir kaum was entgegenzusetzen“, klagt Steffen Berger (name geändert), Lizenzchef eines deutschen Autobauers. Mit richtigem Namen wollte sich keiner der befragten Lizenzmanager nennen lassen, aus Sorge davor, die schwierigen Beziehungen zu den Softwareanbietern weiter zu belasten. Denn ein Wechsel ist oft nicht möglich. „Was haben wir für eine Wahl, manche Software gibt es nur einmal“, sagt Berger.

Mit Geheimdienstmethoden auf Fehlersuche

Die Vertriebsleute der Softwarefirmen gehen nicht selten nach Geheimdienstmanier vor: Sie nutzen Kontakte in IT-Abteilungen, um diese unter einem Vorwand nach Schwächen im Lizenzmanagement auszuhorchen. Fehlerfreie Systeme gibt es nicht. „Wir haben 7.000 Softwareprodukte im Einsatz, da passiert es, dass man mal unter- oder überlizenziert ist“, sagt Berger. Wenn kleinere Verstöße als Druckmittel nicht ausreichen, interpretieren einige Anbieter bestehende Verträge in für die Kunden ungeahnter Kreativität. Denn was dann kommt, soll schocken.

Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe

In einem Fall hatte ein Konzern eine Spezialsoftware aus Vorsicht für einige Hundert Nutzer lizenziert, auch wenn nur rund ein Dutzend Mitarbeiter sie tatsächlich nutzt. Doch weil am Firmennetzwerk rund 50.000 Rechner hängen, die theoretisch auf das Programm zugreifen könnten, bekam das Unternehmen eine Schadensersatzforderung über mehr als 49.000 Lizenzen aufgetischt. Ein zweistelliger Millionenbetrag, sofort fällig. „Da zucken selbst Großunternehmen“, sagt ein mit dem Fall vertrauter Anwalt. Bei den Gesprächen sitzen den Anwälten der Kunden keineswegs Juristen gegenüber, sondern die Vertriebsleute der Softwareunternehmen.

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