Aufstieg der Controller Warum Pfennigfuchser an die Konzernspitze rücken

Paul Achleitner hat es vom Finanzvorstand bei der Allianz zum Chefaufseher der Deutschen Bank geschafft. Lanxess hat einen Finanzmann an der Vorstandspitze. Kein Zufall – denn „Pfennigfuchser“ ist kein Schimpfwort mehr.

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Metro-Chef Olaf Koch ist nur ein Beispiel für einen Finanzvorstand, der inzwischen an der Unternehmensspitze steht. Quelle: dpa

Vom Buchhalter im Hinterzimmer zum Firmenlenker an vorderster Front – der rasante Aufstieg des Finanzvorstands übertrifft die Entwicklung aller anderen Funktionen im Unternehmen. Mit ihrem Zugang zu jedem Detail des Geschäfts haben CFOs mittlerweile einen Einfluss, den sonst nur Vorstandschefs erreichen. Vom entscheidenden Kontakt zu den Finanzmärkte bis zur wachsenden Bedeutung datengetriebener Entscheidungen – in jedem Entwicklungsschritt eines modernen Unternehmens erweisen sich die Fähigkeiten von Finanzvorständen als zeitgemäß.

Die Breite an Erfahrungen, die Finanzvorständen auf ihrem Weg nach oben sammeln, macht sie zum gefragten Rohstoff für zahlreiche Funktionen außerhalb der Finanzabteilung. Mehr als die Hälfte der extern berufenen Finanzvorstände der größten Unternehmen der USA werden aus einer anderen Branche berufen – ein weiteres Zeichen für ihre Vielseitigkeit. Vorstandschefs werden nur zu einem Viertel in einer anderen Branche abgeworben.

Die Zahl der Finanzvorstände, die an die Vorstandsspitze rücken, wächst kontinuierlich – oft, nachdem sie vorher eine Region oder wichtige Abteilung verantwortet haben. Ehemalige Finanzchefs gehören zum gewohnten Bild als Mitglieder von Verwaltungsräten. Es wächst also die Wahrscheinlichkeit, dass hochrangige Manager auf dem Weg nach oben auf der Karriereleiter Zeit als Finanzer verbracht haben.

Folglich gewinnt die methodische und datengetriebene Entscheidungsfindung an Befürwortern – das Interesse an der „Bauchgefühl“-Lehre des Managements schwindet. „Pfennigfuchser“ galt einst als Schimpfwort, aber mit dem exponentiellen Wachstum der Menge und Geschwindigkeit von Daten wird es zur Auszeichnung. Denn Firmen, die versuchen, die Erkenntnisse der Daten zu nutzen, werden sich unweigerlich Ratschlag suchend an die Finanzvorstände wenden und deren Status weiter aufwerten.

Was bringt daher die Zukunft dem Finanzvorstand? Finanzchefs reden heutzutage offener über ihre Ambitionen, nicht zuletzt auch, da nur Medien und Investoren größeres Interesse an ihren Sehnsüchten zeigen angesichts ihrer entscheidenden Rolle für den Erfolg einer Firma.

„Es ist mir heute relative egal, ob ich eine Finanz- oder Vertriebsaufgabe wahrnehme“, sagt Jim Buckle, Finanzvorstand des britischen Online-Sporthändlers Wiggle. „Es geht darum, interessante Möglichkeiten in interessanten Geschäften zu finden.“ Viele junge Buchhalter, Wirtschaftsprüfer oder Controller, die gerade anfangen, sehen die Rolle CFO als die Spitze der Entwicklung auf der Karriereleiter im Finanzwesen. „Sie starten die Karriere mit dieser Zielvorstellung, aber was tatsächlich geschieht, ist, dass es viel mehr Möglichkeiten jenseits dieses Ziels gibt, als es sie einmal gab“, sagt Suzzane Wood von der Personalberatung Russell Reynolds.


Das gefragteste Ziel: der Chefsessel

In den meisten Umfragen geben jeder dritte bis vierte Finanzvorstand an, dass er eine Rolle außerhalb der Finanzabteilung als nächsten Karriereschritt anstrebt. Innerhalb dieser Gruppe ist es wenig überraschend, dass der CEO das gefragteste Ziel ist (und nicht etwa ein CFO-Posten bei einer größeren Firma, Anm. d. Übers.) – vor allem unter jungen Finanzchefs und solchen in Nordamerika. Diesem Ehrgeiz begegnet Headhunter Nick Aitchison, wenn er für CFO-Positionen auf die Suche geht: „Ich habe CFO-Suchen erlebt, wo der gewünschte Kandidat nicht andere CFO-Posten ins Auge gefasst hatte, sondern CEO-Posten“, sagt er.

Ein anderer Personalberater, Wolfgang Schmidt-Soelch von Korn/Ferry bemerkt, dass die Zahl künftiger CEOs in den aktuellen CFO-Reihen sogar größer sein dürfte, als die Umfragen es andeuten: „CFO-Kandidaten sehen die CEO-Rolle immer noch weniger stark als Option als andere Spitzenmanager. Sie sind wohl bescheidener und realistischer in der Selbsteinschätzung. Regional-Chefs oder Abteilungsleiter würden automatisch auf den Top-Job zielen. CFOs sind sich bewusst, dass sie wahrscheinlich als Nachfolger ins Auge gefasst werden – tatsächlich befinden sie sich sogar in einer besseren Lage als andere Entscheider.“

Das beschreibt gut die Situation Denise Ramos, als sie Finanzchefin des Industriekonzerns ITT war. Der Chefsessel „war nicht in meinem Blickfeld, um ehrlich zu sein“, erinnert sie sich. Aber als das Thema im Jahr 2011 nach vier Jahren als CFO an sie herangetragen wurde, „hat es schlüssig geklungen“, sagt sie. „Bis zu einem gewissen Grad hatte ich aber schon während meiner Karriere die Denkweise. CFOs müssen verstehen, dass sie immer denken sollten wie ein CEO.“

Auch jenseits der klassischen CFO-/CEO-Posten und Aufsichtsmandaten gibt es reichhaltige Möglichkeiten für Finanzchefs. Staatsunternehmen und Staatsfonds in Schwellenländern schnappen sich Finanztalente im Westen während sie an Statur gewinnen und global expandieren. Und auch die Non-Profit-Branche hat schon den Einfluss ehemaliger CFOs zu schätzen gewusst, die ihr Know-how für gemeinnützige Organisationen einsetzen, die zunehmend professionell ihre Ressourcen einsetzen und Dienstleistungen anbieten. Finanzinvestoren sind ebenfalls scharf auf Finanzchefs, um potenzielle Übernahmeziele zu finden und in Beteiligungsunternehmen kurzfristige Aufgaben zu übernehmen.

Das Image des CFO als isoliertem Buchhalter, der sich in einer Inselfunktion quält, ist überholt. In gewissem Sinne ist die Unternehmenswelt von CFOs durchzogen – und zwar nicht mehr nur in der Finanzabteilung.

Der Text ist ein Auszug aus dem Buch „The Chief Financial Officer: What CFOs do, the influence they have, and why it matters“ (The Economist, Profile Books) von Jason Karaian. Das ausführlichere Original zu dieser Übersetzung erschien zuerst bei Quartz.com.

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