Aus nach nicht einmal zwei Jahren BA-Chef Florian Gerster gefeuert - Nachfolger nicht in Sicht

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat nach eigenen Angaben noch keinen Kandidaten für die Nachfolge des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Florian Gerster.

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dpa

Ihm sei noch kein Kandidat für die Nachfolge von Gerster bekannt, sagte Clement am Sonntag in Bonn. Er ließ jedoch erkennen, dass er sich auch den stellvertretenden BA-Chef Frank-Jürgen Weise an der Spitze der Bundesagentur vorstellen kann. Weise habe bislang ganz hervorragende Arbeit gemacht, sagte Clement. "Ob er dann für die Nachfolge in Frage kommt, das hängt davon ab, ob wir bessere Vorschläge bekommen", sagte er dem Fernsehsender N24. Zuvor hatte er erneut betont, es sei wünschenswert, dass der Nachfolger aus der Wirtschaft komme und merkte an: "Herr Weise kommt auch aus der Wirtschaft." Der BA-Verwaltungsrat müsse nun binnen vier Wochen einen Vorschlag für die Nachfolge Gersters machen. Gerster selbst werde voraussichtlich mit Wirkung zum 1. Februar von seinen Aufgaben entbunden, sagte Clement. Er will den BA-Chef entlassen, nachdem der Verwaltungsrat der Behörde Gerster das Vertrauen wegen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Aufträgen an externe Dienstleister entzogen hatte. Weiter betonte Clement, die Reform der BA zu einem modernen Dienstleister werde ohne Verzug und mit aller Konsequenz weitergehen. Er zog eine positive Bilanz der bisherigen Arbeit der BA. Erste Erfolge am Arbeitsmarkt seien sichtbar. So sei die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland gesunken. "Wir haben die Talsohle am Arbeitsmarkt offensichtlich durchschritten", sagte Clement. Er erneuerte die Regierungsprognose, nach der im laufenden Jahr mit einem Wirtschaftswachstum zwischen 1,5 bis zwei Prozent zu rechnen sei. Im Schnitt werde 2004 die Arbeitslosenzahl um 100.000 sinken. 2005 werde die Trendwende am Arbeitsmarkt erreicht. Gerster stand in der Dauerkritik In der Affäre um den Umgang der BA mit millionenschweren Beraterverträgen für den Umbau der Riesenbehörde stand Florian Gerster seit November 2003 in der Dauerkritik. Der BA-Verwaltungsrat beriet am Samstag stundenlang über die Zukunft Gersters. Ein CSU-Mitglied des Verwaltungsrats sah vorab bereits nach Durchsicht eines Prüfberichts, der sich mit umstrittenen Auftragsvergaben beschäftigt, kaum noch Chancen für Gerster. Gegen den Behördenchef ermittelt zudem die Staatsanwaltschaft. Bei 14 von insgesamt 49 überprüften Beraterverträge mit einem Gesamtvolumen von mehr als 200.000 Euro wurden "Auffälligkeiten festgestellt", bestätigten Mitgliedern des BA-Verwaltungsrates. In zwei Fällen handele es sich um gravierende Verstöße. Gerster war bereits Ende November wegen der Verträge seiner Behörde mit externen Beratern in die Kritik geraten. Damals wurde bekannt, dass die BA einen 1,5-Millionen-Euro-Auftrag rechtswidrig ohne Ausschreibung an die PR-Agentur WMP Eurocom vergeben hatte. Gerster versicherte damals, nach seinem Wissen gebe es keine weiteren Fälle dieser Art. Eigenwilligkeit sorgte für Verdruss Im Februar 2002 hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) seinen Parteifreund berufen, am 27. März trat Gerster sein Amt an. Gerster gilt als ungeliebter Erneuerer. Mit seinen Plänen für einen radikalen Umbau der Bundesanstalt, für tiefe Einschnitte in das Sozialsystem und seinem Konzept einer marktnahen Sozialstaatsreform machte sich der 54-Jährige viele Feinde. Vor allem in der rot-grünen Regierungskoalition sorgte seine Eigenwilligkeit immer wieder für Verdruss. Aber auch von Intrigen und Kampagnen gegen Gerster aus seiner eigenen Behörde ist immer wieder die Rede. Gerster: "Ich wollte kämpfen" Der aus Worms stammende Arztsohn ist älterer Bruder der ZDF-Journalistin Petra Gerster und Vater zweier Töchter. Der diplomierte Psychologe arbeitete zehn Jahre als freiberuflicher Personalberater. Seine bundespolitische Laufbahn startete Gerster 1987 mit dem Einzug in den Bundestag. 1991 wurde er ins rheinland-pfälzische Kabinett berufen, zunächst als Bundes- und Europaminister, von 1994 an als Sozialminister. Was Florian Gerster nun künftig beruflich machen werde, wisse er noch nicht sagte er am Sonntag in der Polit-Talkshow Sabine Christiansen. Gerster sprach von einer Campagne gegen seine Person und zeigte sich vom Abstimmungsverhalten im Verwaltungsrat enttäuscht. Die Verwaltungsratmitglieder seien mit einer vorgefassten Position in die Sitzung gegangen, sagte Gerster. Ein eleganter Rückzug vom Amt sei für ihn jedoch nicht in Frage gekommen. Auf die Frage, warum er mit einem Rücktritt der Entlassung nicht zuvor gekommen sei, sagte Gerster: "Ich wollte aufrecht gehen und mich nicht davon stehlen, ich wollte kämpfen und ich wollte denen, die mich nach Hause schicken, in die Augen sehen." Von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement fühlt sich Gerster hingegen fair behandelt. Clement habe ihn "menschlich und sachlich aufs Beste unterstützt".

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