Nach Ostern könnte es im Skandal um teils viel zu hohe Stickoxidwerte in Pkw-Dieselabgasen für die Autohersteller noch ungemütlicher werden. Dann will die Deutsche Umwelthilfe (DUH) damit beginnen, mit einem mobilen System die realen Stickoxid- und Kohlendioxidemissionen einzelner Dieselmodelle unter realen Bedingungen auf der Straße zu messen.
Die Anschaffung ist eine Art Notwehr. Weil die DUH laut eigenen Angaben in Deutschland aus Angst vor Sanktionen seitens der Automobilindustrie kein Prüflabor findet, das bereit ist, den Ausstoß dieser Schadstoffe an Diesel-Fahrzeugen zu testen, weicht die Umweltorganisation auf die mobile Technik aus, kurz PEMS genannt für: Portable Emission Measurement System.
Ihr großer Vorteil neben der Verwendung im Alltagsbetrieb: Sie ist mobil und misst die Schadstoffe während der Fahrt. Und sie ist mit rund 90.000 Euro wesentlich preiswerter als ein gut ausgestattetes Prüflabor, dessen Einrichtung sieben bis acht Millionen Euro kostet.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Neben der Messung der Schadstoffkonzentrationen will die Umwelthilfe vor allem herausfinden, ob und nach welchem Muster die Abgasreinigungssysteme in Dieselfahrzeugen abgestellt werden, so dass sie im normalen Fahrbetrieb plötzlich zu Dreckschleudern werden. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch hat einen klaren Verdacht: Die Systeme sind besonders sauber, wenn sie erkennen, dass sie im Prüflabor getestet werden, auf der Straße schalten sie sich jedoch oft aus. „Wir werden uns zunächst an den meist verkauften Modellen abarbeiten“, kündigt Resch an. Das ist durchaus als Drohung an die Autoindustrie gedacht.
Auf der Straße stoßen viele Autos deutlich mehr aus
Wie aufschlussreich die PEMS-Messungen sein können, hat schon vergangenes Jahr eine Untersuchung der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt gezeigt. Die Prüfer fuhren mit einem Volkswagen CC, einem BMW 320d und einem Mazda 6 durch München, Stuttgart und über Land. Alles Fahrzeuge, die die strenge Euro-6-Norm für Diesel erfüllen sollen.
Sie dürfen auf dem Rollenprüfstand höchstens 80 Milligramm gesundheitsschädliche Stickoxide (NOx) pro gefahrenen Kilometer ausstoßen, um die Zulassung für die Straße zu erhalten. Im Realbetrieb stießen sie jedoch teils mehr als das Achtfache des Luftschadstoffs aus – im Extremfall 676,5 Milligramm pro Kilometer.
Die Prüfer zogen daraus einen eindeutigen Schluss und forderten in ihrem Bericht, ein verschärftes Zulassungsverfahren einzuführen, das die realen Fahremissionen ermittelt. „Das wird als unbedingt notwendig angesehen, um in absehbarer Zeit der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte näherzukommen“, schrieben sie. Mit anderen Worten: Unsere Atemluft sauber zu bekommen. Das DUH wird mit seinen Untersuchungen den Druck noch einmal verstärken.