Ein geringer Verbrauch von Kraftstoff ist nur selten das entscheidende Argument für den Kauf eines Autos der Marke Porsche. Trotzdem sollten die Verbrauchsangaben legal zustande gekommen sein. Daran gibt es offenbar erhebliche Zweifel.
Wegen des Verdachts von Täuschungen hat das Bundesverkehrsministerium jedenfalls eine Untersuchung durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) angeordnet. „Das KBA prüft gegenüber Porsche den Sachverhalt bezüglich der sogenannten Lenkradkennung“, bestätigt ein Sprecher. Um welche Modelle es geht, ist bisher nicht bekannt.
Wie Beteiligte berichteten, haben Porsche-Insider das Ministerium auf die Spur gebracht. Die Beamten hätten Vertreter des Unternehmens zunächst befragt. Da diese offenbar nicht alle Zweifel ausräumen konnten, beauftragten sie das KBA mit einer detaillierteren Untersuchung. Porsche wollte sich zunächst zu dem Vorgang nicht äußern.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Nach der Vorab-Meldung der WirtschaftsWoche in der vergangenen Woche bestätigte der Autobauer zwar die Verwendung der Lenkerkennung. Diese werde jedoch nicht verwendet, um am Prüfstand Abgaswerte zu manipulieren, sagte ein Sprecher. Dies gelte sowohl für den von Audi entwickelten V6 TDI im Porsche-Geländewagen Cayenne als auch für sämtliche anderen Porsche-Modelle.
Für Autobauer, die Abgaswerte bei Tests nach unten drücken wollen, ist die Lenkradkennung eine feine Sache. Mit ihrer Hilfe können Fahrzeuge erkennen, ob sie sich auf der Straße oder im Testbetrieb auf einem Rollenprüfstand befinden. Auf Letzterem wird das Auto beschleunigt, aber nicht gesteuert. Manipulierte Autos können dann automatisch in einen speziellen Modus schalten, in dem sie weniger Sprit verbrauchen und weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen.
Der Zufall half mit
Als bei einem US-Prüfstandstest ein Ingenieur der kalifornischen Umweltbehörde Carb aus Versehen am Lenkrad drehte, sollen die Messwerte dramatisch gestiegen sein. Bei Folge-Tests ergab sich ein Muster: Dreht der Fahrer das Lenkrad um mehr als 15 Grad, wird die sogenannte „Aufwärmstrategie“ abgeschaltet und der Wagen wechselt in das Standard-Schaltprogramm. Im Normalbetrieb sind Verbrauch und Emissionen deutlich höher.
Porsche erklärt seine Lenkraderkennung wie folgt: Die Daten über die Lenkbewegungen werden grundsätzlich für die Schaltstrategie der Automatik genutzt. Das sei beispielsweise bei sportlichen Fahrzeugen wichtig, um ungewollte Schaltvorgänge in dynamisch gefahrenen Kurven zu verhindern. Diese Technik werde jedoch nicht zur Manipulation an Prüfständen eingesetzt.
Im November hat das Ministerium wegen eines solchen Verdachts bereits eine Untersuchung von Audi-Modellen in Auftrag gegeben. Über diese Vorgänge hatte zuerst die „Bild am Sonntag“ berichtet.
Die Zeitung beruft sich dabei nicht nur auf Untersuchungen der kalifornischen Umweltbehörde Carb aus dem Sommer, sondern auch auf Abschlussprotokolle einer Erprobungsfahrt in Südafrika. Laut diesem Dokument soll Axel E., zu jener Zeit Leiter Antrieb bei Audi, nach dem Stand beim „zyklusoptimierten Schaltprogramm“ gefragt haben. Seine Vorgabe: Das „Schaltprogramm soll so ausgelegt werden, dass es auf der Rolle zu 100 Prozent aktiv ist, beim Kunden aber nur in 0,01 Prozent.“ E. leite inzwischen die Aggregateentwicklung des Volkswagen-Konzerns, so die BamS weiter.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Betroffen sind bei Audi vor allem die leistungsstärkeren Modelle, die mit dem Stufenautomatik-Getriebe mit der internen Bezeichnung „AL 551“ ausgerüstet sind – dieses soll bis Mai 2016 mit der besagten Prüfstandserkennung ausgeliefert worden sein. Mit anderen Worten: Dieses Mal hängt der Betrugsvorwurf nicht an einem Motor, sondern am Automatikgetriebe – das auch bei Benzinern verbaut wurde. Das würde bedeuten, dass der Skandal, bei dem es bislang um den Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid bei Dieselwagen ging, eine neue Dimension erhalten würde.
Neue CO2-Regeln sind für VW ein Problem
An diesem Freitag ist die nächste Anhörung vor dem Bezirksgericht San Francisco angesetzt, in dem es um die 80.000 Diesel-Wagen von Audi, VW und Porsche geht, deren Drei-Liter-V6 über eine illegale Abgastechnik verfügt. Bei der vorangegangenen Anhörung Anfang November zeigte sich Richter Breyer zufrieden mit dem Fortschritt der Verhandlungen zwischen Audi als Entwickler der Motors und den US-Umweltbehörden. Ob der Richter und die Behörden das nach den neuerlichen Vorwürfen immer noch so optimistisch sehen, wird sich zeigen. Zudem hat die US-Kanzlei Hagens Berman eine Sammelklage im Namen der Autobesitzer eingereicht, die einen Audi mit dem betreffenden Automatikgetriebe besitzen.
Nach dem Skandal um manipulierte Stickoxid-Emissionen (NOx) bei Volkwagen und anderen Herstellern nehmen Umweltorganisationen nun verstärkt die klimarelevanten Kohlendioxidemissionen ins Visier. Dass Autohersteller bei den CO2-Werten und den direkt damit verbundenen Verbrauchsangaben nach allen Regeln der Kunst tricksen, ist unstrittig. Deshalb wuchs in Europa die Diskrepanz zwischen den gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsmessungen und dem realen Verbrauch auf der Straße in nur fünfzehn Jahren von neun auf 42 Prozent. Diese neuen Zahlen kommen von der US-Umweltorganisation ICCT, die schon den Abgasskandal bei VW mit ihren Messungen ins Rollen brachte.
Auch bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die in den vergangenen Monaten aufgrund ihrer zahlreichen unabhängigen NOx-Messungen an Fahrzeugen zum wichtigsten Kontrolleur und Gegenspieler der deutschen Autobauer geworden ist, steht das Thema CO2 im kommenden Jahr ganz oben auf der Agenda. Laut DUH-Chef Jürgen Resch „setzen neben Audi auch andere Hersteller in Deutschland die Lenkradkennung ein“. Ein „süddeutscher Hersteller“ habe, so heißt es bei der Umwelthilfe, „bei allen Benzin-Motoren eine Testerkennung aktiv und nutzt Lenkwinkel beziehungsweise ein Querbeschleunigungssignal aus dem Getriebesteuergerät.“
Teils basieren diese Erkenntnisse auf Informationen, die Mitarbeiter der Konzerne und andere Insider der DUH zukommen lassen, teils sind sie das Ergebnis von DUH-Tests. Die Umweltorganisation werde die für die einzelnen Autokonzerne zuständigen Staatsanwaltschaften „über die ihr vorliegenden Hinweise sowie erste durchgeführte Tests informieren“, kündigte die DUH an. Auch gebe es derzeit Tests an Autos deutscher Hersteller, um mögliche Mogeleien per Lenkradkennung zu beweisen.
Die DUH streitet mit dem Bundesverkehrsministerium seit einem halben Jahr um die Herausgabe der Protokolle von Emissionsmessungen inklusive der CO2-Werte. Die Weigerung des Ministeriums, die Werte der vor Monaten abgeschlossenen Untersuchungen nicht zu veröffentlichen, sei „skandalös“, sagt DUH-Chef Resch. Die DUH habe mittlerweile über zehn Rechtsverfahren gegen das Bundesverkehrsministerium oder das KBA eingeleitet. Sie beziehen sich auf die Weigerung der Behörden, dem Umweltverband Informationen zu Rückrufen sowie zu den fehlerhaften CO2-Angaben mehrerer VW-Modelle, die Ende letzten Jahres bekannt wurden, zu übermitteln.
Eine neue Studie der Unternehmensberatung PA Consulting belegt, wie groß der gesetzliche Druck auf den VW-Konzern ist, die CO2-Emissionen zu senken. Wenn 2021 die neuen CO2-Grenzwerte in der EU in Kraft treten, wird der Volkswagen-Konzern diese Grenzwerte so deutlich verfehlen wie kaum ein anderer Autobauer in Europa. Nur bei Hyundai-Kia und dem technologisch zunehmend abgehängten Fiat-Chrysler-Konzern sieht die Lage nach Einschätzung von PA noch düsterer aus. Daran kann die angekündigte Elektroauto-Offensive von VW nach Einschätzung der PA-Berater nichts ändern: Die E-Autos kommen zu spät, um noch einen positiven Effekt auf das Jahr 2021 zu haben.
Aufgrund seines hohen Absatzes drohen VW Rekordstrafen in Europa. Weil ein Auto aus dem VW-Konzern 2021 voraussichtlich knapp drei Gramm CO2 pro Kilometer mehr ausstößt als erlaubt, könnte auf Volkswagen eine jährliche Strafe von rund einer Milliarde Euro zukommen. Das schwärzeste Schaaf im VW-Stall ist dabei Porsche. Weil die Fahrzeuge der Stuttgarter besonders groß und besonders sportlich sind, ist der CO2-Ausstoß höher als bei jeder anderen europäischen Massenmarke. Wäre Porsche 2009 nicht von VW übernommen worden und würden die Emissionen seither nicht mit denen von kleineren VW-, Skoda-, Seat- und Audi-Modellen konzernintern verrechnet, hätte Porsche ein handfestes Existenzproblem.