Vorwürfe der Umwelthilfe: Hat auch BMW manipuliert?
BMW trickst bei Abgaswerten – das sagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Der private Verein wirft dem Autobauer vor, eine Abschalteinrichtung in der Abgasreinigung eines Modells zu verwenden. Basis für den Vorwurf sind eigene Messungen mit einem Diesel-BMW, bei dem deutliche höhere Abgaswerte als im Labortest festgestellt wurden. Die wichtigsten Antworten im Überblick:
Was wirft die DUH BMW vor?
In den vergangenen Monaten hat die DUH in Zusammenarbeit mit dem ZDF-Verbrauchermagazin WISO, anderen Prüfinstitutionen und einem Software-Experten im ihrem eigenen Emissions-Kontroll-Institut (EKI) die Abgasemissionen eines BMW 320d untersucht. Der Wagen des Baujahrs 2016 – also nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals bei Volkswagen im September 2015 gebaut – soll dabei den Stickoxid-Grenzwert von 80 Milligramm pro Kilometer überschritten haben. Laut dem „Tagesspiegel“, der ebenfalls mit der DUH kooperiert, soll der Ausstoß bei Messungen auf der Straße bis zu sieben Mal so hoch gelegen haben wie im Labortest nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Auch innerhalb der Straßenmessungen soll es große Unterschiede beim NOx-Ausstoß gegeben haben.
Im Gegensatz zu früheren Anschuldigungen gegen Autobauer wird die DUH dieses Mal sehr konkret: Die Analyse der Motorsteuerung habe ergeben, dass die Software die Abgasrückführung bereits ab einer Drehzahl von 2000 Umdrehungen pro Minute herunterfahre und ab 3500 Umdrehungen komplett abschalte.
Bei einer Pressekonferenz in Berlin sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch, dass der Verein auf eine technische Überprüfung der Modelle dränge. „Die vorliegenden Messergebnisse sind sehr klare Indizien dafür, dass hier unzulässige Abschalteinrichtungen in der Motorsteuersoftware vorhanden sind“, sagte Resch. „Diese müssten komplett entfernt werden.“ Resch kündigte an, den zuständigen Behörden die Untersuchungsergebnisse der DUH zu übergeben. Zudem forderte er „eine Überprüfung und gegebenenfalls Entzug der Typgenehmigung und einen amtlichen Rückruf für alle Fahrzeuge, die über eine illegale Abschalteinrichtung verfügen.“
Was sagt BMW dazu?
BMW erklärte, seine Fahrzeuge entsprächen grundsätzlich „den jeweils gültigen gesetzlichen Vorschriften“ und seien seien nicht manipuliert. „Es gibt bei der BMW Group keinerlei Aktivitäten und technische Vorkehrungen, den Prüfmodus zur Erhebung von Emissionen zu beeinflussen – das heißt, dass unsere Abgas-Systeme sowohl auf dem Prüfstand wie auch in der Praxis aktiv sind“, teilte BMW weiter mit. BMW betonte, der TÜV Süd habe bereits 2015 ein technisch identisches Modell getestet und dabei keine Eingriffe festgestellt.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Zum Straßentest der Umwelthilfe erklärte das Unternehmen, es nicht für aussagekräftig zu halten, „beliebige Straßentests mit willkürlich gewählten Teilabschnitten eines Rollentests zu vergleichen und daraus plakativ hohe Abweichungsfaktoren zu erheben“. Um valide Vergleiche anstellen zu können, seien deutlich längere Streckenabschnitte sowie eindeutig bestimmbare Randbedingungen nötig. „Wenn ein Tester bewusst und zielgerichtet untypische Fahrweisen im Randbereich erzwingt, dann hat das Züge einer gezielten Kampagne“, sagte Vorstandsmitglied Klaus Fröhlich.
Was bringt die Abgasrückführung?
Bei Dieselmotoren ist die Abgasrückführung eine der wichtigsten Maßnahmen zur Senkung der Stickoxidemissionen. Die Technik macht genau das, was der Name suggeriert: Ein Teil der Abgase wird zurückgeführt und nochmals in dem Motor verbrannt. Das senkt die Verbrennungstemperatur im Zylinder. Zusammen mit weiteren Effekten führt das dazu, dass weniger Stickoxide entstehen. Hohe Abgasrückführraten führen also zu weniger NOx-Emissionen. Die Kehrseite: Dann steigt der Ausstoß an Rußpartikeln stark an. Die genaue Menge des rückgeführten Abgases ist immer ein Kompromiss zwischen NOx- und Partikelausstoß.
Wie die Adblue-Technik funktioniert
Verbrennt Diesel in Motoren, entstehen Rußpartikel und Stickoxide. Die Partikel dringen in die Lunge ein und können Krebs verursachen, Stickoxide reizen die Schleimhäute der Atemwege und Augen und erhöhen das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sie fördern zudem die Ozonbildung. Damit möglichst wenig der Schadstoffe in die Umwelt gelangt, werden in modernen Fahrzeugen die Abgase in zwei oder drei Stufen gereinigt – zumindest in der Theorie.
Ist die Verbrennungstemperatur im Motor hoch, entstehen wenig Partikel, aber viel Stickoxide. Bei niedrigen Temperaturen ist es umgekehrt.
Der erste Katalysator filtert rund 95 Prozent der Rußpartikel heraus.
Sensoren messen die Stickoxidkonzentration im Abgas. Die Kontrolleinheit spritzt entsprechend Adblue (Harnstofflösung) in den zweiten Katalysator.
Das Adblue reagiert im zweiten Katalysator – das Verfahren heißt selektive katalytische Reduktion (SCR) – zu harmlosem Wasser und Stickstoff. Mehr als 95 Prozent der Stickoxide werden so entfernt.
Nicht alle modernen Dieselfahrzeuge verfügen über die effektive, aber teure Adblue-Technik. Eine Alternative ist der NOx-Speicherkatalysator. Darin werden auf Edelmetallen wie Platin und Barium die Stickoxide gespeichert. In regelmäßigen Abständen wird der Speicherkatalysator freigebrannt, dabei werden die Stickoxide zu unvollständig verbrannten Kohlenwasserstoffen – und/oder Kohlenstoffmonoxid – weiter reduziert. Zum Teil werden auch SCR- und NOx-Speicherkatalysatoren kombiniert – wie etwa im BMW X5.
Bei hoher Motorlast – also Vollgas – steigt der Rußpartikelausstoß ohnehin an. In diesen Momenten regelt die Software die rußfördernde Abgasrückführung zurück, um die Emission an Rußpartikeln zu begrenzen. Das von der DUH festgestellte Verhalten der BMW-Motorsteuerung ist also nicht ungewöhnlich. Die entscheidende Frage ist, bei welchen Drehzahlen abgeregelt wird – ob bereits übervorsichtig früh, oder erst bei den hohen Drehzahlen. Ob das nun ein Defeat Device ist, oder einfach nur eine Praxis, um die verschiedenen Schadstoffe in der Waage zu halten, ist damit auch nicht beantwortet.