Zur Abwendung drohender Diesel-Fahrverbote wollen die bayerischen Autohersteller Audi und BMW die Hälfte ihrer in Deutschland zugelassenen Euro-5-Dieselautos technisch nachrüsten. Das sagte Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Mittwoch in München nach einem Treffen mit den Vorstandschefs von Audi, BMW und dem Lkw-Hersteller MAN. Damit soll der Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide sinken. Nähere Einzelheiten zu den Nachbesserungen oder zur Frage der Finanzierung nannten die Autobauer noch nicht.
Die Nachrüstung ist Teil eines Bündels von Maßnahmen, mit denen Bayern bundesweit die Vorreiterrolle übernehmen will. Die Landesregierung erwartet, dass die Nachrüstung für Autobesitzer kostenlos ausfällt. „Meine Zielsetzung ist, dass der Kunde gar nichts zahlt“, sagte Aigner. Mit BMW und Audi ist dies jedoch nicht schlussendlich ausgehandelt. Nach Angaben von BMW sind 700.000 Euro-5-Diesel des Autobauers in Deutschland zugelassen, von denen mindestens 350.000 nachgerüstet werden könnten. Von Audi gab es zunächst keine Zahlen. BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter betonte, man erwarte ein klares Signal von der Politik, das die Unsicherheit der Kunden beim Diesel beseitigt. Notwendig sei eine national einheitliche Lösung.
Aigner bezifferte die Gesamtzahl der Euro-5-Diesel in Deutschland auf 5,9 Millionen - das seien 12,9 Prozent aller zugelassenen Pkw. Die Landesregierung hofft darauf, dass die nicht in Bayern ansässigen Autohersteller nachziehen. „Ich gehe davon aus, dass es ein deutliches Commitment des Verbands der Automobilindustrie geben wird“, sagte Aigner.
BMW und Audi wollen bei der großen Nachrüstungsaktion die Motor-Software aktualisieren. Welche Fahrzeuge modernisiert werden, entscheiden die Hersteller - sie sollen dann Kontakt mit den Autobesitzern aufnehmen. Die drei Vorstandschefs Harald Krüger (BMW), Rupert Stadler (Audi) und Joachim Drees (MAN) wollten an der Pressekonferenz nicht teilnehmen und ließen sich lediglich in einer Mitteilung zitieren. „Wir meinen, es gibt intelligentere Optionen als Fahrverbote“, erklärte Krüger demnach. Drees sagte zu, Ende 2019 mit der Serienproduktion eines elektrischen Stadtbusses zu beginnen.
Die Landesregierung will in Bayern unter anderem den öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn stärker fördern und ihre Zuschüsse für neue Elektro-Ladesäulen aufstocken. Auf Bundesebene fordert die Landesregierung einen Steueranreiz für die Besitzer älterer Diesel mit Euro-3- und Euro-4-Motoren, um sie zum Wechsel auf ein Auto mit weniger Schadstoffausstoß zu motivieren.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Vor der Bundestagswahl wird sich jedoch in dieser Hinsicht nicht viel tun: „Das wäre eine Frage, die wir in die Koalitionsverhandlungen einbringen würden“, sagte Aigner. Würden alle Vorschläge umgesetzt, ließen sich die Stickoxid-Emissionen deutschlandweit bis 2021 um 50 Prozent reduzieren. Diesel von der Straße verbannen wollen Seehofer und sein Kabinett nicht. „Wir wollen keine pauschalen Einfahrverbote“, betonte Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU).
Seehofer hatte das Gespräch angesetzt, nachdem der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Überlegungen über ein Diesel-Fahrverbot in der Landeshauptstadt angestellt hatte.
Die Deutsche Umwelthilfe drohte Seehofer und der Landesregierung mit einem Zwangsgeld, wenn Bayern nicht an diesem Donnerstag ein Gutachten über die Belastung der Atemluft in München veröffentlicht. Die Frist für die Veröffentlichung hatte die Umwelthilfe vor dem Verwaltungsgerichtshof erzwungen.