Absatzkrise Spart Marchionne Fiat kaputt?

Fiat-Chef Sergio Marchionne spielt ein riskantes Spiel. Während die anderen Volumenhersteller trotz Krise mit neuen Modelle aufwarten, streicht er das Portfolio zusammen. Ein genialer Schachzug oder schlichter Wahnsinn?

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Während der Krise am europäischen Automobilmarkt streicht der Fiat-Chef das Portfolio des Autobauers zusammen, das könnte ein sehr riskantes Manöver sein Quelle: ASSOCIATED PRESS

Minus. Wohin auch immer der Fiat-Boss seinen Blick richtet - in keinem europäischen Markt entdeckt er ein positives Zeichen. Im vergangenen Jahr hat Fiat in Europa 16 Prozent weniger Autos verkauft als im Vorjahr. In Italien wurden 20 Prozent weniger Neuwagen zugelassen als im Vorjahr. Noch dramatischer sind die Einbrüche in Portugal und Griechenland, wo der Markt um rund 40 Prozent schrumpfte. Gut, dass der Italo-Kanadier die US-Marke Chrysler sein Eigen nennt.

Vor knapp vier Jahren kaufte sich Marchionne bei dem kurz vor der Pleite stehenden Autobauer aus Übersee ein, investierte Millionen. Dass Chrysler sich derart positiv entwickeln würde, war längst nicht sicher. Jetzt zahlt sich das riskante Investment aus. Satte 18 Prozent mehr Autos aus dem Hause Chrysler, zu dem auch die Marken Jeep und Dodge zählen, setzte der Konzern 2010 in den USA ab. Chrysler legte damit stärker zu als Ford und General Motors.

Sparen am falschen Ende

So retten die Amerikaner die Europäer, denn ohne Chrysler hätte Fiat einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro ausweisen müssen - 2011 machten die Italiener noch einen Gewinn von gut einer Milliarde Euro. Mit dem Big Brother aus Michigan im Rücken lebt es sich in Zeiten der Absatzkrise in Europa leichter, doch auf Dauer kann Marchionne Fiat nicht mit den Millionen aus den USA über Wasser halten.

Also tut er, was nötig ist und spart. Doch das Ende scheint das falsche. Denn Marchionne setzt den Rotstift in erster Linie bei den Modellen an und nicht bei den Werken. Die Einführung des neuen Grande Punto und des Bravo hat er auf frühestens 2014 verschoben, die Investitionen in Europa um 500 Millionen Euro gekürzt. Werksschließungen gab es nur bei Nutzfahrzeugtochter Iveco. Einzig ein kleines sizilianischen Fiat-Werk schloss im Pkw-Segment Ende 2011 die Pforten. Dabei leidet Fiat unter massiven Überkapazitäten. Bis zu 15 Prozent der Kapazitäten will Marchionne nun mit dem Bau von Exportfahrzeugen auffüllen - allen voran mit Jeep-Modellen, die dann in Melfi produziert würden. Doch das reicht längst nicht. Die Auslastung der Pkw-Werke liegt aktuell nur noch bei 50 bis 60 Prozent. Das belegen Zahlen des Prognoseunternehmens IHS Automotive.

Stefan Bratzel vom CAM Center of Automotive Management kommentiert: "Ich denke, Marchionne wird nicht darum herum kommen, ein Werk zu schließen, auch wenn es sehr schwierig wird." Die anderen Volumenhersteller haben längst Nägel mit Köpfen gemacht. Ford hat Werke in Belgien und Großbritannien geschlossen, Peugeot-Citroen schließt das Werke in Aulnay bei Paris, bei Opel stehen Rüsselsheim und Bochum auf der Abschussliste. Marchionne verspricht derweil, es werde keine Werksschließungen in Italien geben. In Grugliasco hat er sogar vor wenigen Tagen ein neues Werk für die Fiat-Marke Maserati eingeweiht. Verkehrte Welt? Ein neues Werk in der Krise? Wie kann das sein?

Marchionne hat keine Alternative

Der Fiat-Chef steht unter enormem Druck. Der Konzern ist der größte private Arbeitgeber in Italien. Inklusive der Industrie- und Nutzfahrzeugsparte arbeiten mehr als 66.000 Menschen für ihn. Rund 43.000 stehen an Stanzen und Bändern in den Werken in Melfi, Mirafiori, Cassino, Pomigliano d'Arco und Termini Imerese. Im stolzen Italien ein Werk schließen zu wollen, gleicht dem Vorschlag, den Papst zu verbannen. Und Marchionne ist klar, dass eine Schließung zum jetzigen Zeitpunkt große Symbolkraft hätte.

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