Absatzmärkte Für Autobauer ist die Party in den BRIC-Staaten vorbei

Hoffnungsmärkte gibt es viele in der Branche der Autobauer. Dumm nur: Selten erfüllen sich die Hoffnungen immer zum gewünschten Zeitpunkt. Derzeit schwächeln gleich drei der vier großen neuen Wachstumsländer.

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Diese Autos kaufen Chinesen am liebsten
Platz 10: VW PassatEin Passat „nur“ auf dem zehnten Platz in der Zulassungsstatistik – in Deutschland undenkbar. Dennoch kann sich der Erfolg der NMS-Version des Passats (New Midsize Sedan), die in den USA und China verkauft wird, sehen lassen: Im ersten Halbjahr kam der Passat in China auf  135.954 Neuzulassungen. Zum Vergleich: In Deutschland kam der Passat, trotz oder wegen des anstehenden Modellwechsels ,in der Statistik von Januar bis Juni hinter dem Golf auf den zweiten Platz – allerdings reichen dafür hierzulande gerade einmal 35.533 Neuzulassungen. Quelle: Presse
Platz 9: Great Wall Haval H6Great Wall Motors gehört zu den größten SUV-Herstellern Chinas. Sein Bestseller ist der Haval H6, teilweise auch Hover H6 genannt. Das Kompakt-SUV ist mit 4,64 Metern etwa so groß wie ein Audi Q5. Mit  143.119 Zulassungen ist der H6 das beliebteste SUV Chinas im ersten Halbjahr 2014. Quelle: Presse
Platz 8: Nissan SylphyAb jetzt folgen nur noch die in China gefragteste Karosserieform – viertürige Stufenheck-Limousinen in allen erdenklichen Größen. Den Anfang macht auf dem achten Rang der Nissan Sylphy, der als Kompakt-Limousine für chinesische Verhältnisse geradezu klein ist. Mit 4,61 Metern ist er in etwa so lang wie hierzulande ein Golf Kombi. Im ersten Halbjahr konnte Nissan 145.214 Sylphys verkaufen. Quelle: Presse
Platz 7: Buick Excelle XTIhnen kommt der Buick Excelle XT irgendwie bekannt vor? Kein Wunder, schließlich ist es ein Opel Astra. Lediglich die Logos außen und innen wurden getauscht, ebenso der verchromte Kühlergrill – Badge-Engineering vom Feinsten. Mit dieser wohl einfachsten Art der „Modellentwicklung“ bringt es die GM-Tochter immerhin auf 147.404 Neuzulassungen. Quelle: Presse
Platz 6: VW JettaJetzt wird es etwas kompliziert: 152.621 Neuzulassungen in China gab es für den VW Jetta. Unter diesem Namen wurde auch in Deutschland jahrelang die viertürige Limousine auf Basis des Golf verkauft. Auf den aktuellen Jetta trifft das nur noch in Teilen zu. Um den Ansprüchen der amerikanischen und chinesischen Kunden zu entsprechen, übernimmt der Jetta von der Plattform des Golf VI zwar zahlreiche Teile, ist aber deutlich länger. Der Jetta wird in China allerdings auch noch unter anderen Modellbezeichnungen verkauft. Quelle: Presse
Platz 5: VW SagitarEin Beispiel dafür ist der VW Sagitar. Er entspricht zwar technisch und weitestgehend auch optisch dem Schwestermodell Jetta, wird aber nicht von VW selbst, sondern von dem Joint Venture FAW-VW zusammen mit First Automotive Works - gebaut. Und dieses formell eigenständige Unternehmen nennt seinen Jetta eben anders. Am Verkaufserfolg ändert sich wenig, der Sagitar kam im ersten Halbjahr auf 155.393 Neuzulassungen. Quelle: Presse
Platz 4: VW SantanaDer seit 2013 gebaute Santana ist eine Eigenentwicklung von Shanghai Volkswagen, speziell für den chinesischen Markt. Damit ist der Santana eines der wenigen VW-Modelle in China, das nicht auf einem bestehenden Fahrzeug basiert. Mit einer Länge von 4,47 Metern gehört der Santana zu den kleineren Limousinen. Er brachte es im ersten Halbjahr auf 161.957 Neuzulassungen. Shanghai Volkswagen ist übrigens ein weiteres VW-Joint Venture aus der Shanghai Automotive Industry Corporation und eben Volkswagen. Quelle: Presse

Auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen zu wollen, ist bekanntlich ein schwieriges Unterfangen. Die deutschen Autobauer haben aber gar keine andere Wahl. Denn nur so lässt sich das Auf und Ab der Verkaufsregionen halbwegs die Waage halten. Die zentrale Frage dabei: Wo steigt die nächste Party?

Lange war die Lage recht eindeutig: Brasilien, Russland, Indien und China - kurz BRIC genannt - bescherten ein rauschendes Fest nach dem anderen. Doch inzwischen ist dieser Ofen ziemlich aus, allein China wärmt die Branche noch mit verlässlichen Zuwächsen.

Zum Bild mit den vielen Hochzeiten sagt Wolf-Henning Scheider, Chef der Kfz-Sparte bei Bosch: „Ganz entscheidend für die Marktsituation sind unverändert die aufstrebenden Schwellenländer.“ Da sei Bosch stark aufgestellt. „Aber es kommen ja immer wieder neue Emerging Markets als Chance hinzu.“ Sie zu erschließen, sei „eine ständige Herausforderung“.

Der Hoffnungsträger BRIC sorgte ein Jahrzehnt für eine Konstante. Zwischen 2002 und 2012 legten die Verkaufszahlen in Brasilien und Russland Jahr für Jahr um durchschnittlich 10 Prozent zu, in Indien lag die Rate sogar bei 15 Prozent. Doch seitdem ist es mit dem Aufstieg vorbei - ab 2012 gingen die Neuzulassungen zurück.

Die Gründe sind überall ähnlich: Die Wirtschaft wächst nicht mit dem erhofften Tempo und ungewisse Zukunftsaussichten sind kein guter Berater beim Neuwagenkauf. Vor allem in Indien fehlt außerdem die Infrastruktur - dort werden rund fünfmal so viele Motorräder wie Autos verkauft. In Brasilien bleibt der erhoffte Schub durch die Fußball-WM und die anstehenden Olympischen Spiele aus. Und die russische Wirtschaft ist zu abhängig vom Gas- und Ölgeschäft. Sie hängt an schwankenden Rohstoffpreisen - dazu sorgt die Ukraine-Krise für Unsicherheit bei den Menschen.

Nur das Reich der Mitte kann dem Trend entfliehen - auch wenn das Wachstum an Fahrt verliert. „China ist auf dem Weg, sich zu einem „normalen“ Markt zu entwickeln“, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer auf dem Pariser Autosalon. Auch bei Volkswagen blitzte jüngst ein erstes Alarmsignal auf, als die Pkw-Kernmarke auf dem weltgrößten Markt nur noch im mittleren einstelligen Prozentbereich wuchs.

Was also kommt nach BRIC? Bosch-Manager Scheider sagt: „Aktuell ist das besonders Südostasien.“ Diese Region wird auch Asean genannt. Danach sei Afrika „der nächste Kontinent, auf dem immer mehr Menschen ein Einkommen haben werden, das den Kauf eines Autos ermöglicht“.

Größte ausländische Autohersteller in China

Die Rechnung klingt simpel: Wächst das Pro-Kopf-Volkseinkommen um 1000 US-Dollar, dann steigt nach Zahlen des Analysehauses IHS die Pkw-Dichte pro 1000 Einwohner im Schnitt um 13 Autos. Während die Werte in den Industriestaaten am oberen Rand liegen, rangieren die BRIC-Staaten, aber auch Asean-Länder wie Indonesien oder Thailand am anderen Ende der Skala. Gerade dort leben die meisten Menschen - und damit auch die meisten potenziellen Autokäufer.

Der Trugschluss ist nur: Ein Hoffnungsmarkt erfüllt die Hoffnungen nicht immer zum gewünschten Zeitpunkt - es braucht einen langen Atem. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh nennt Asean als Beispiel. „Wir haben uns eine Strategie überlegt, es gibt zu Asean schon lange Ideen im Vorstand.“ Doch unverhofft kommt oft - zuletzt mit Wechselkursen. „Wenn die Währung dort um ein Viertel nachgibt, müssen wir uns überlegen, wie wir das kompensieren. Schließlich wollen wir in dem Markt Geld verdienen.“

Aber wo geht das am besten? In den nächsten Jahren werde das BRI von BRIC in der Versenkung verschwinden, sagt Autofachmann Stefan Bratzel, der zu Managementfragen in der Branche forscht. „Aber abschreiben würde ich sie noch lange nicht.“ Zu den Nachfolgern - ob nun Asean oder Afrika - gibt Bratzel zu bedenken, dass die Märkte langfristig von innen heraus entwickelt werden müssten: Neue Fabriken bringen Menschen in Arbeit, Zulieferer siedeln sich an, Autocluster werden zu lokalen Wirtschaftsmotoren und heben das Wohlstandsniveau. Bei VW dauerte das in China rund 30 Jahre.

Und so lange nach BRIC noch nichts zieht, bleiben Europa und die USA wichtige Stabilisatoren. „Wenn man dort schwach ist, wird man insgesamt immer verwundbarer“, sagt Bratzel. Das große Wachstum kommt aber nicht mehr aus den diesen Märkten. Nach Zahlen des Analysehauses LMC Automotive wurden im Jahr 2000 weniger als ein Viertel aller Autos in den aufstrebenden Märkten jenseits der großen Industrienationen verkauft - schon dieses Jahr dürfte sich der Anteil auf 54 Prozent mehr als verdoppelt haben. Und die etablierten Märkte bleiben gar unter dem Niveau von 2000 hängen.

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