August Markl ahnt offenbar das kommende Unheil. Eines wolle er sehr deutlich machen, schrieb er kürzlich an die Mitglieder des Verwaltungsrats: „Wir haben uns eine gemeinsame Compliance-Richtlinie gegeben und eine gemeinsame Compliance-Organisation vorgenommen. Ich bitte deshalb herzlich darum, in den nächsten Wochen nur noch das ,Wie’ auf der Grundlage der vorliegenden Entwürfe zu diskutieren.“
Die Bitte dürfte unerfüllt bleiben, denn mehrere Regionalclubs verweigern Markl die Gefolgschaft. Der ADAC-Präsident will die Compliance – also die Einhaltung gesetzlicher Regeln und eigener ethischer Standards – im gesamten ADAC künftig zentral überwachen, um Skandale wie die Manipulation beim Autopreis Gelber Engel zu verhindern.
Dafür will Markl eine eigene Compliance GmbH gründen. Über seine Pläne entscheidet am Freitag der Verwaltungsrat. In dem Gremium sitzen neben dem Präsidium der ADAC-Dachorganisation auch die Vertreter der 18 Regionalclubs. Um die zur Zustimmung zu bewegen, hat Markl die geplanten Befugnisse der GmbH bereits so weit zurechtgestutzt, dass sich manche ADACler fragen, warum er sie überhaupt noch durchsetzen will.
Zurechtgestutzte Kontrollinstanz
So soll der Leiter Compliance nicht mehr an den Vorstandssitzungen der Regionalclubs teilnehmen dürfen. Auch die geplanten Weisungsrechte gegenüber Regionalclub-Mitarbeitern wurden gestrichen. Verdachtsunabhängige Untersuchungen in den Regionalclubs soll es nach den jüngsten Plänen ebenfalls nicht mehr geben. Die Compliance GmbH soll nun vorwiegend beraten, Risikobereiche analysieren, Vorschläge für Sanktionen unterbreiten und die Wirksamkeit der Compliance-Programme überprüfen.
Experten wie der Frankfurter Rechtsanwalt und frühere Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner wundern sich. „Eine zentrale Kontrollinstanz ist richtig. Damit können Sie am besten sicherstellen, dass überall die gleichen Maßstäbe gelten“, sagt der Anwalt, doch warum es ausgerechnet eine GmbH sein soll, leuchtet ihm nicht ein. „Die GmbH-Lösung ist verwaltungsaufwändig, komplex und teuer. Das macht in Deutschland kaum jemand. Ich würde sie meinen Mandanten auch nicht empfehlen.“
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V.
Neben dem Verein hat der ADAC viele Firmen gegründet. Sie wickeln die zahlreichen Geschäfte ab. Dazu zählen etwa die Autovermietung, eigene Angebote für Versicherungen oder ein Verlag. Gebündelt sind die Firmen unter dem Dach der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH. Insgesamt verbuchte der ADAC dort 2012 einen Umsatz von 1,03 Milliarden Euro. Rund 8600 Menschen arbeiten beim ADAC. Damit ist der Club ein stattliches Unternehmen, auch wenn es gemessen am Umsatz bei weitem nicht für die Top 100 in Deutschland reicht.
2012 knackte der ADAC erstmals die Milliarden-Euro-Grenze bei den Mitgliedsbeiträgen. 2012 flossen knapp 323 Millionen Euro in Hilfeleistungen wie den Pannendienst oder die Luftrettung. Für den Mitgliederservice wie etwa Geschäftsstellen flossen knapp 155 Millionen Euro, für die Mitgliederzeitschrift „Motorwelt“ 53 Millionen Euro. Gut 343 Millionen Euro gingen in die Beiträge zur Gruppenversicherung für die Mitglieder.
Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor, dass Vereine kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sein dürfen. Deswegen hat sich im ADAC die Doppelstruktur aus Verein und den Tochterunternehmen entwickelt. Diese erzielen nicht alle Überschüsse, die Luftrettung etwa ist ein Zuschussgeschäft. Unter dem Strich nimmt der ADAC allerdings in der Regel mehr Geld ein als er ausgibt. Auch der Verein erzielt Überschüsse und zahlt Steuern. Die erwirtschafteten Mittel fließen in die Rücklage oder werden investiert. Die Struktur des ADAC war in den vergangenen Jahren immer wieder umstritten.
In mehreren ADAC-Regionalclubs kursiert zudem eine Stellungnahme, die der ADAC Nordrhein beim Frankfurter Rechtsanwalt und Compliance-Spezialisten Gero von Pelchrzim eingeholt hat. Pelchrzim kritisiert darin unter anderem, dass auf die Regionalclubs unkalkulierbare Kostenrisiken zukommen. So lägen zum Beispiel keinerlei Businesspläne für die Compliance GmbH vor. Auch könnten für die Untersuchung möglicher Compliance-Verstöße die Ressourcen der internen Revision genutzt werden, die etwa bei der ADAC-Wirtschaftstochter Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH (BuW) ohnehin vorhanden ist. Im derzeitigen Konzept aber spiele die Revision überhaupt keine Rolle.
Wie groß wird das Lager der Abweichler?
Selbst Markls Kritiker in den Regionalclubs haben eingesehen, dass sich in Sachen Compliance etwas tun muss im ADAC. Die einheitliche Compliance-Richtlinie, in der verbindliche Verhaltensregeln festgeschrieben sind, akzeptieren auch sie – nicht aber die nun vorgelegten Entwürfe und die zentrale Compliance GmbH. Nun muss Markl zittern, wie viele Regionalclubs sich quer stellen. Nach einer Umfrage der WirtschaftsWoche bei allen Regionalclubs haben erst sieben von 18 beschlossen, bei dem Konzept mitzumachen. Zehn halten sich die Entscheidung offen. Und der mit 2,65 Millionen Mitgliedern größte Regionalclub Nordrhein will weder Gesellschafter der GmbH werden noch einen Compliance-Dienstleistungsvertrag mit ihr abschließen.
Eine Mehrheit für Markl ist zwar nicht unrealistisch, weil im Verwaltungsrat gewichtet abgestimmt wird: Große Regionalclubs mit vielen Mitgliedern haben mehr Stimmen, kleine weniger. Markl selbst führt mit Südbayern den drittgrößten Regionalclub an, sein Vizepräsident Matthias Feltz mit Hessen-Thüringen den zweitgrößten. Der Vorsitzende des viertgrößten Regionalclubs Württemberg, Dieter Rosskopf, ist zugleich Vorsitzender des Compliance Ausschusses. Ihre Clubs zählen zu denjenigen, die sich bereits festgelegt haben, bei der GmbH mitzumachen.