August Markl hatte etwas loszuwerden. Zwei Tage vor dem Erscheinen eines WirtschaftsWoche-Artikels über den Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) lässt der Präsident sein Büro eine Mail an etliche Funktionäre, Angestellte und sogar einige ehemalige Mandatsträger schicken. Beigefügt: Eine Anfrage der WirtschaftsWoche.
„Damit jeder von Ihnen sehen kann, mit welcher Dreistigkeit und Unverfrorenheit die WiWo die zugespielten Dokumente nutzt, um am Ende des Tages das Image des ADAC zu diskreditieren“, schreibt der Präsident. „Woher diese Informationen zur WiWo gelangen, darüber möge sich bitte jeder seine eigenen Gedanken machen.“
Fragwürdiger Umgang mit Gremien und Öffentlichkeit
Die vertraulichen Informationen, deren Bekanntwerden Markl wurmt, lassen sein bisheriges Vorgehen bei der Reform des Automobilclubs in einem zweifelhaften Licht erscheinen. Bei dem Umbauprogramm geht es um die Neuausrichtung des ADAC nach dem Dauerskandal, der mit aufgeflogenen Manipulationen bei der Wahl zum Autopreis „Gelber Engel“ im Januar 2014 seinen Anfang nahm, den ADAC monatelang erschütterte und zum Rücktritt von Präsident Peter Meyer führte. Seit Frühjahr 2014 steht Markl an der ADAC-Spitze.
Der große Durchbruch auf dem Weg zur Reform schien im Dezember vergangenen Jahres gelungen. Da vermeldete Präsident Markl nach einer Abstimmung im Verwaltungsrat – dort sind auch die 18 Regionalclubs vertreten – per Pressemitteilung: Der ADAC habe die „finalen Richtungsentscheidungen zur Neuausrichtung“ getroffen. Nach den Beschlüssen des Verwaltungsrats stehe „einer erfolgreichen Umsetzung im kommenden Jahr nun nichts mehr im Weg“. Doch damit lag Markl falsch. Nun muss auch noch die Hauptversammlung des ADAC im Mai über die Reformpläne beschließen, mit dem Votum des Verwaltungsrates ist es nicht getan.
Nach außen behauptet Markl, dies sei „im Sinne einer neuen Kultur aus Transparenz, Offenheit und Mitgliedereinbindung“ beschlossen worden. Der ADAC sei eben „kein ,normales‘ Unternehmen, sondern eine mitgliederorientierte Wertegemeinschaft“. Doch so schön die Worte in der Pressemitteilung auch klingen: Tatsächlich wurde Markl von seinem Vorgänger Meyer zu der Abstimmung in der Hauptversammlung gezwungen.
Ein brisantes Gutachten vor der Strategietagung
Der Beschluss zur Einbindung der Hauptversammlung fiel auf einer Strategietagung des ADAC in Mainz. Einen Tag vorher hatte Markls Vorgänger Meyer, der immer noch Chef des größten ADAC-Regionalclubs Nordrhein ist, ein Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei CMS Hasche Sigle an die Teilnehmer verschickt. Die Juristen lassen darin kein gutes Haar an Markls Vorgehen bei der Reform.
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V.
Neben dem Verein hat der ADAC viele Firmen gegründet. Sie wickeln die zahlreichen Geschäfte ab. Dazu zählen etwa die Autovermietung, eigene Angebote für Versicherungen oder ein Verlag. Gebündelt sind die Firmen unter dem Dach der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH. Insgesamt verbuchte der ADAC dort 2012 einen Umsatz von 1,03 Milliarden Euro. Rund 8600 Menschen arbeiten beim ADAC. Damit ist der Club ein stattliches Unternehmen, auch wenn es gemessen am Umsatz bei weitem nicht für die Top 100 in Deutschland reicht.
2012 knackte der ADAC erstmals die Milliarden-Euro-Grenze bei den Mitgliedsbeiträgen. 2012 flossen knapp 323 Millionen Euro in Hilfeleistungen wie den Pannendienst oder die Luftrettung. Für den Mitgliederservice wie etwa Geschäftsstellen flossen knapp 155 Millionen Euro, für die Mitgliederzeitschrift „Motorwelt“ 53 Millionen Euro. Gut 343 Millionen Euro gingen in die Beiträge zur Gruppenversicherung für die Mitglieder.
Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor, dass Vereine kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sein dürfen. Deswegen hat sich im ADAC die Doppelstruktur aus Verein und den Tochterunternehmen entwickelt. Diese erzielen nicht alle Überschüsse, die Luftrettung etwa ist ein Zuschussgeschäft. Unter dem Strich nimmt der ADAC allerdings in der Regel mehr Geld ein als er ausgibt. Auch der Verein erzielt Überschüsse und zahlt Steuern. Die erwirtschafteten Mittel fließen in die Rücklage oder werden investiert. Die Struktur des ADAC war in den vergangenen Jahren immer wieder umstritten.
Nach Auffassung der Anwälte ist der Verwaltungsrat von Markl nicht ausreichend informiert worden, der Beschluss somit nichtig. Obendrein dürfe über Vermögensverfügungen in einer Größenordnung, wie sie die Reform vorsehe, gar nicht der Verwaltungsrat entscheiden, sondern nur die Hauptversammlung. Markl hisste in Mainz die weiße Fahne, nun haben Anfang Mai die Delegierten bei der nächsten Hauptversammlung in Lübeck das letzte Wort. Auf Anfrage nahm Markl zur Auffassung von CMS nicht Stellung.
In der Auseinandersetzung über das Prozedere bei der ADAC-Reform treffen im Hintergrund zwei renommierte Anwaltskanzleien aufeinander. Meyers Regionalclub Nordrhein hat für das Gutachten mit CMS Hasche Sigle eine Kanzlei in Stellung gebracht, die zu den größten in Deutschland gehört und zahlreiche Großunternehmen wie E.On, Procter&Gamble oder Thyssenkrupp zu ihren Mandanten zählt. Markl ließ sich bei der Ausarbeitung der Reformpläne von der Großkanzlei Freshfields beraten, die für zahlreiche Dax-Konzerne arbeitet.
Es geht um mehr als eine Viertelmilliarde Euro
Freshfields und die ADAC-Spitze entwickelten für die Neuausrichtung eine Struktur, die sie „Drei-Säulen-Modell“ getauft haben. Zurzeit steht der ADAC-Dachverband im Wesentlichen auf zwei Säulen: einem eingetragenen Verein (e.V.) und einer Tochter namens Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst (BuW) GmbH, in der die Wirtschaftsaktivitäten gebündelt sind.
Künftig soll die BuW GmbH in eine europäische Aktiengesellschaft (SE) umgewandelt werden, an der der Verein nicht mehr 100 Prozent, sondern nur noch 74,9 Prozent hält. Als dritte Säule soll eine gemeinnützige ADAC-Stiftung hinzukommen, die die weiteren 25,1 Prozent der BuW bekommt und eine Sperrminorität sowie einen Sitz im Aufsichtsratssitz der BuW erhält. Der Verein soll im Aufsichtsrat keine Mehrheit haben. Dabei geht es nicht nur um eine neue Struktur und wer darin das Sagen hat, sondern auch um einen Batzen Geld – mehr als eine Viertelmilliarde Euro.
Bei einem Buchwert der BuW-Anteile von 912 Millionen Euro, der in der ADAC-Bilanz 2014 steht, wäre allein der 25,1-prozentige Anteil, der an die neue Stiftung gehen soll, schon 228 Millionen Euro wert. Zudem soll die neue Stiftung großzügig mit Stiftungskapital ausgestattet werden. Die Abteilung Luftrettung mit einem Buchwert von 93 Millionen Euro soll aus dem Verein in die künftige SE wandern. Die Gutachter von CMS kommen zu dem Schluss, dass über derart weitreichende Transaktionen nur die Hauptversammlung beschließen kann und nicht der Verwaltungsrat, zumal durch die Umwandlung in eine SE der ADAC e.V. an Kontrollmöglichkeiten über die BuW verliert.
Harsche Worte von CMS
Der ADAC-Verwaltungsrat ist aus Sicht der Gutachter obendrein auch noch unzureichend informiert worden. „In der Vorlage wird die ausgearbeitete Drei-Säulen-Struktur nur positiv dargestellt und etwaige Argumente, die gegen diesen Lösungsweg sprechen könnten, gar nicht angesprochen“, rügen die CMS-Anwälte. Und weiter: „Ausführungen zu den weiteren Kosten des Restrukturierungsprogrammes finden sich in der Entscheidungsvorlage, mit Ausnahme des Hinweises auf anfallende Grunderwerbssteuer, ebenfalls nicht.“
ADAC Kundenbarometer 2014
1. Platz: Opel Adam
2. Platz: VW Up
3. Platz: Smart Fortwo
1. Platz: Audi A1
2. Platz: BMW Mini
3. Platz: VW Polo
1. Platz: Mazda 3
2. Platz: Toyota Auris
3. Platz: Audi A3
1. Platz: Audi A5
2. Platz: Mercedes SLK
3. Platz: BMW 3er
1. Platz: Audi A6
2. Platz: Skoda Superb
3. Platz: BMW 5er
1. Platz: VW T5
2. Platz: VW Sharan
3. Platz: VW Touran
1. Platz: Volvo XC60
2. Platz: Audi Q3
3. Platz: Mini Countryman
Zu diversen weiteren Kritikpunkten der Anwälte zählt auch, dass „zu einem Kernelement, nämlich der Bestellung und Wahl des Stiftungsrates keine Ausführung gemacht werden.“ Doch „ohne diese Informationen war es dem Verwaltungsrat unmöglich, […] Chancen und Risiken der geplanten Struktur auf einer angemessenen Tatsachengrundlage zu entscheiden.“ Sie als „alternativlos“ dazustellen reiche jedenfalls nicht.
Im Ergebnis stellt das Gutachten von CMS fest: „Der Beschluss des Verwaltungsrates vom 04.12.2015 ist wegen fehlerhafter Ermessenausübung durch die Mitglieder des Verwaltungsrats beruhend auf unzureichender Informationsgrundlage, der fälschlicherweise behaupteten Alternativlosigkeit und der fälschlicherweise behaupteten Unzuständigkeit der Hauptversammlung nichtig.“
Markl schweigt zu den Argumenten der Kritiker
Zur harschen Kritik von CMS nimmt ADAC-Präsident Markl nicht Stellung. Auf die Frage an seine Sprecher Christian Garrels und Alexander Machowetz, wie der ADAC die Auffassung der CMS-Gutachter beurteilt, lässt Markl erklären: Auf Vorschlag des Präsidiums sei beschlossen worden, „Mitgliedereinbindung – eine der Leitlinien der neuen ADAC-Kultur – umfassender zu sehen und deshalb auch die Delegierten der Hauptversammlung noch einmal um ihr abschließendes Votum zu bitten.“
Zur Kritik der Gutachter dagegen kein Wort. Machowetz teilt lediglich so viel noch mit: „In diesen Vorschlag sind auch alle rechtlichen Bewertungen eingeflossen, die den Gremien zu diesem Zeitpunkt vorlagen.“ Zu seiner frustrierten Rundmail will Markl nun auch lieber nichts mehr sagen.
Hierzu teilt Machowetz nur mit: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir interne E-Mails des ADAC-Präsidenten selbstverständlich nicht öffentlich kommentieren.“