An seinen Ambitionen als Aufräumer ließ August Markl keinen Zweifel. Bei der Mitgliederversammlung des ADAC in Saarbrücken vor einem Jahr gab er das ehrgeizige Ziel vor: den Abschluss des Reformprogramms spätestens „bis zur Hauptversammlung in einem Jahr“.
Die steht am Wochenende in Bochum an. Doch von einer Runderneuerung ist der Automobilclub, der 2014 wegen jahrelanger Manipulationen beim Autopreis Gelber Engel in die Schlagzeilen geraten war, meilenweit entfernt. Auf der Tagesordnung stehe „nur Palaver“, sagt ein hochrangiger ADAC-Funktionär. Über die Reform soll nur debattiert werden. Markl sei ein „Ankündigungs- und Verkündigungspräsident“, ätzt ein anderer ADAC-Grande.
Markl selbst betont: „Unser gemeinsames Ziel ist es, den ADAC zukunftssicher aufzustellen.“ Doch über den Weg zum Ziel gibt es immer weniger Konsens. Im Zentrum der Kritik steht eines der wichtigsten Projekte, das der 66-Jährige nach der Übernahme der ADAC-Präsidentschaft von seinem zurückgetretenen Vorgänger Peter Meyer angestoßen hat: die sogenannte neue Compliance-Struktur. Die soll regeln, wie die Riesenorganisation mit fast 19 Millionen Mitgliedern künftig für gesetzes- und regeltreues Verhalten in ihren Reihen sorgt.
Markls Plan stößt auf erbitterte Gegenwehr
Verabschiedet ist bisher nur eine Richtlinie. Diese soll nach Markls Vorstellungen eine Compliance Service GmbH durchsetzen, die künftig die Zentrale in München und alle 18 Regionalclubs überwacht. Dafür soll sie weitreichenden Durchgriff auf die Regionalclubs erhalten. An der neuen Firma soll sich jeder Regionalclub beteiligen. Sie soll auch ohne konkreten Verdacht Kontrollen durchführen und sogar an Vorstand und Geschäftsführung vorbei Mitarbeitern Weisungen erteilen können. So jedenfalls sieht es ein Entwurf für den Vertrag vor, den jeder Regionalclub abschließen soll.
Markls Plan für einen Über-ADAC mit derartigen Rechten stößt auf erbitterte Gegenwehr. „Das ist kein Dienstleistungs-, vielmehr ein Überwachungs- und Eingriffsvertrag“, kritisiert der sächsische ADAC-Präsident Nikolaus Köhler-Totzki in einem Schreiben an Markl, das der WirtschaftsWoche vorliegt. Köhler-Totzki will deshalb weder dem internen Ausschuss Governance und Compliance noch dem Arbeitskreis Recht weiterhin angehören. Stattdessen droht der Sachse Markl: „Wir müssen jetzt höllisch aufpassen, dass das Tischtuch zwischen uns nicht endgültig zerreißt.“
Die Phalanx der Kritiker ist mächtig. Manfred Voit, Präsident des Regionalclubs Berlin-Brandenburg, nennt die geplante Compliance-Tochter in einem verbandsinternen Rundschreiben ein „Überwachungsmonstrum“ und warnt die ADAC-Spitze davor, „ein System an Bespitzelung und Überwachung“ für die Ehrenamtler zu schaffen. Einem „generellen Ausforschungssystem“ werde sich sein Club nicht anschließen.
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V.
Neben dem Verein hat der ADAC viele Firmen gegründet. Sie wickeln die zahlreichen Geschäfte ab. Dazu zählen etwa die Autovermietung, eigene Angebote für Versicherungen oder ein Verlag. Gebündelt sind die Firmen unter dem Dach der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH. Insgesamt verbuchte der ADAC dort 2012 einen Umsatz von 1,03 Milliarden Euro. Rund 8600 Menschen arbeiten beim ADAC. Damit ist der Club ein stattliches Unternehmen, auch wenn es gemessen am Umsatz bei weitem nicht für die Top 100 in Deutschland reicht.
2012 knackte der ADAC erstmals die Milliarden-Euro-Grenze bei den Mitgliedsbeiträgen. 2012 flossen knapp 323 Millionen Euro in Hilfeleistungen wie den Pannendienst oder die Luftrettung. Für den Mitgliederservice wie etwa Geschäftsstellen flossen knapp 155 Millionen Euro, für die Mitgliederzeitschrift „Motorwelt“ 53 Millionen Euro. Gut 343 Millionen Euro gingen in die Beiträge zur Gruppenversicherung für die Mitglieder.
Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor, dass Vereine kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sein dürfen. Deswegen hat sich im ADAC die Doppelstruktur aus Verein und den Tochterunternehmen entwickelt. Diese erzielen nicht alle Überschüsse, die Luftrettung etwa ist ein Zuschussgeschäft. Unter dem Strich nimmt der ADAC allerdings in der Regel mehr Geld ein als er ausgibt. Auch der Verein erzielt Überschüsse und zahlt Steuern. Die erwirtschafteten Mittel fließen in die Rücklage oder werden investiert. Die Struktur des ADAC war in den vergangenen Jahren immer wieder umstritten.
Quer durch die Republik zieht sich das Lager der Nein-Sager. Hessen-Thüringen, der zweitgrößte Regionalclub, hat ein mehr als 20-seitiges Kritikschreiben rundgeschickt. Schleswig-Holstein stört sich daran, dass die Regionalclubs als Gesellschafter der Compliance GmbH dort nichts zu melden haben sollen. Das sei auch nicht im Einklang mit dem GmbH-Gesetz. Und der ADAC Nordrhein, mit 2,8 Millionen Mitgliedern größter Regionalclub, schließt kategorisch aus, sich an der Compliance GmbH zu beteiligen.