Audi SQ7 Letztes Hochamt für den Diesel

Audis neuer Power-Diesel markiert mit 435 PS und 900 Newtonmeter Drehmoment neue Bestwerte in der Leistungsklasse. Der 200 Millionen Euro teure Motor ist ein technisches Wunderwerk - und könnte das Ende des Selbstzünders einläuten.

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Audi SQ7, Stefan Knirsch Quelle: AP

Im Dominikanerkloster von Guebwiller wird schon lange nicht mehr gebetet: In der gotischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert wurde kurz nach Ausbruch der französischen Revolution 1789 die letzte Messe gelesen. Seitdem diente das Gotteshaus als Fabriklager, Pferdestall, Militärkrankenhaus und als Markthalle. 1991 ließ die Landesregierung das Gebäudeensemble renovieren und nutzt es seitdem unter anderem als Versuchsstätte für „digitale Audio-Kreationen“.

In diesen Tagen huldigt man dort keinen Klanggebilden, sondern einer Auto-Kreation - dem neuen V8-Dieselmotor von Audi. Das Kraftpaket, das im ungarischen Györ geschnürt wird, ist 435 PS stark, entwickelt dank eines innovativen, elektrisch angetriebenen Verdichters praktisch aus dem Stand heraus 900 Newtonmeter Drehmoment und begnügt sich nach Angaben seiner Konstrukteure unter Laborbedingungen im Schnitt mit 7,2 Litern Dieselsprit. Eingebaut wird das Triebwerk, dessen Entwicklung fast vier Jahre dauerte und rund 200 Millionen Euro verschlang, vorerst exklusiv im Audi SQ7 - einem knapp 2,3 Tonnen schweren Allradler der Gattung SUV

Später soll der Power-Diesel auch in anderen Modellen von Audi, aber auch der Schwestermarken VW und Porsche zum Einsatz kommen. Dieselgate hin oder her. "Mit dieser Innovation beweist Audi einmal mehr Vorsprung durch Technik". freut sich Audi-Technikvorstand Stefan Knirsch bei der Weltpremiere des neuen, hochkomplexen Motors vor historischer Kulisse.

Drehmoment ohne Ende
Audi SQ7 4.0 TDI Quattro Tiptronic Quelle: PR
Audi SQ7 4.0 TDI Quattro Tiptronic Quelle: PR
Audi SQ7 4.0 TDI Quattro Tiptronic Quelle: PR
Audi SQ7 4.0 TDI Quattro Tiptronic Quelle: PR
Audi Q7 TDI Quelle: PR
Audi SQ7 TDI Quelle: PR
Audi SQ7 TDI Quelle: PR

Aber natürlich wirft der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW-Motoren und hohe Stickoxid-Emissionen von Dieselautos auch anderer Fahrzeughersteller im Alltagsbetrieb einen Schatten auf die Premierenfeier. So betont Motorenentwickler Andreas Fröhlich sicher nicht ganz zufällig, dass die Abgasreinigung mit NOx-Speicherkat und SCR-Katalysator auf dem neuesten Stand der Technik ist, der Tank für die Harnstofflösung - mit deren Hilfe das gesundheitsschädlich Stickoxid im Kat in harmlosen Stickstoff und Wasserdampf verwandelt wird - immerhin 24 Liter fasst. Damit sollte eine Tankfüllung bis zu 10.000 Kilometer weit reichen.

Und natürlich arbeite das aufwändige System schon bei Temperaturen zwischen 3 Grad minus und 35 Grad plus. Celsius wohlgemerkt. Ein "Thermofenster", eine Temperaturzone, in der das System zum Schutz von Motorenteilen nur eingeschränkt arbeitet, suche man hier vergeblich. Damit nimmt man den Autohassern im Land, die mit Hinweis auf die Schadstoffbelastungen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren nur zu gerne aus der Stadt verbannen würden, gleich den Wind aus den Segeln.

So tricksen die Autobauer beim Diesel
VolkswagenSeit Monaten tobt der Dieselskandal bei Volkswagen. Der Auslöser: eine Software, die erkennt, ob ein Auto auf dem Prüfstand steht. Um die Abgasprüfer hinters Licht zu führen, erkannten die Fahrzeuge mit 1.2-, 1,6- und 2.0-Liter TDI-Motor beispielsweise ob das Lenkrad bewegt wurde. Mittlerweile müssen etliche Modelle des Konzerns, darunter auch Passat und Golf darum zurück in die Werkstatt. Quelle: dpa
VolkswagenAuch bei den Nachprüfungen des Kraftfahrtbundesamtes sind Modelle der Wolfsburger negativ aufgefallen. Fast 200.000 Fahrzeuge müssen zurück in die Werkstatt, weil eine gesetzliche Ausnahmeregelung wohl zu weit ausgelegt wurde. Bei einer zu hohen oder zu niedrigen Außentemperatur schalten die Fahrzeuge ihre Abgasreinigung ab. Die Hersteller begründen das mit dem Motorenschutz. Der Gesetzgeber sieht das offenbar anders. Betroffen sind der Amarok, aber auch der Lieferwagen Crafter. Quelle: dpa/dpaweb
AudiUnd auch die VW-Premiumtochter Audi spielt im Dieselskandal eine größere Rolle als zunächst angenommen. Das illegale Abschaltung der Abgasreinigung, die den Skandal auslöste, soll sogar in Ingolstadt mitentwickelt worden sein. Auch in den jüngsten KBA-Nachprüfungen überschritten einige Audi-Modelle den gesetzlichen Grenzwert für den Stickoxid-Ausstoß. Unter anderem muss der Q5 zurückgerufen werden. Quelle: obs
PorscheAuch bei Porsche gehörte der Betrug zum Geschäft. Wenige Wochen nach dem Ausbruch des Dieselskandals musste auch der Sportwagenbauer eingestehen, dass seine 3-Liter-Dieselmotoren eine illegale Abschalteinrichtung enthalten. Auch bei den Nachprüfungen des KBA fiel ein Porsche-Modell unangenehm auf: ausgerechnet der kompakte Macan überschreitet die Stickoxid-Grenzwerte bei niedrigen Außentemperaturen. Quelle: AP
MercedesDie Sprachregelung bei Daimler wackelt: bisher hatten die Schwaben alle Vorwürfe, man habe beim Diesel betrogen weit von sich gewiesen. Doch bei den Nachprüfungen des KBA fielen A-Klasse, B-Klasse und V-Klasse aus dem Rahmen und müssen nun bei einem Rückruf überarbeitet werden. Alle haben übrigens eins gemeinsam... Quelle: dpa
Renault...Denn die Daimler-Diesel kommen aus einer Kooperation mit dem französischen Autobauer Renault. Der steht ohnehin schon unter Beobachtung der französischen Behörden, die nach dem Ausbruch des Dieselskandals mehrere Razzien bei Renault vornahmen. Der jüngste Bericht des KBA soll darum auch an die französischen Behörden weitergeleitet werden. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Quelle: REUTERS
OpelAuch in Rüsselsheim sind die Dieselmotoren offenbar schmutziger als der Konzern es bisher zugegeben hat. Bei Zafira, Insignia und Cascada sind die Abgase wohl deutlich schmutziger, sobald die Temperatur unter 17 Grad fällt. Den vereinbarten Rückruf nennt man in Rüsselsheim "freiwillige Serviceleistung". Wohl auch um sich vor Schadenersatzforderungen zu schützen. Künftig sollen alle Modelle des Autobauers mit einem Harnstoff-Katalysator ausgerüstet werden. Quelle: dapd

Entsprechend trotzig gab sich Knirsch später, als er auf die Zukunft des Dieselmotors im Pkw angesprochen wurde. Ja, die Dieselaffäre habe der Reputation des Selbstzünders schweren Schaden zugeführt. "Aber der Diesel ist noch längst nicht am Ende" - und das Zeitalter der Elektromobilität habe gerade erst begonnen. Im Jahr 2025 würden nach zuverlässigen Schätzungen weltweit vielleicht 30 Prozent aller Personenwagen batteriegetrieben sein. In den übrigen 70 Prozent werde weiterhin ein Verbrennungsmotor werkeln.

Knirsch: "Der Diesel ist eine sehr ökonomische Antriebsart und der Motor leistet mit seinen niedrigen Kraftstoffverbräuchen einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz." Auch unter dem Eindruck der "Dieselthematik" und mit Blick auf die aktuelle Diskussion über die Abgasproblematik würde "sofort wieder" Gelder für die Entwicklung eines neuen Dieselmotors freigeben. An der Dieseltechnologie komme man nicht vorbei, wenn ein Auto über zwei Tonnen wiegt oder einen Anhänger ziehen soll. Knirsch: "Wenn Sie einen Benziner mit ähnlichen Leistungsdaten haben wollen, müssen sie mit deutlich höheren Kraftstoffverbräuchen rechnen."

Q7 mit Power-Diesel

Audi ist deshalb überzeugt, auch außerhalb Europas Käufer für den Q7 mit Power-Diesel finden zu können: Etwa 30 Prozent der Gesamtproduktion sollen 2017 nach USA exportiert werden. "Die Amerikaner wollen die TDI-Technik in den Q-Modellen nach wie vor haben. Das Votum unserer Händler ist da ganz eindeutig." In Ingolstadt ist man auch zuversichtlich, dass das Verkaufsverbot für Dieselmotoren mit drei Litern Hubraum schon bald wieder aufgehoben wird. Die US-Umweltbehörden hatten dem VW-Konzern vorgeworfen, auch bei diesen Fahrzeugen die Abgaskontrolle mit nicht zugelassenen Software-Funktionen ausgetrickst zu haben. VW, Audi und Porsche hatten dies stets bestritten.

Aber natürlich wissen die Audi-Ingenieure auch, dass die Stunde des Dieselmotors geschlagen hat, dass der Selbstzünder ein Auslaufmodell ist. Die Schadstoffgrenzwerte werden immer ehrgeiziger, die Testverfahren immer schärfer: Ab Herbst 2017 müssen die Autos nicht nur auf dem Prüfstand glänzen, sondern die Anforderungen des Gesetzgebers auch bei Messfahrten im Straßenverkehr erfüllen. Ohne die RDE-Gesetzgebung, gibt Motorenentwickler Fröhlich unumwunden zu, hätten man den neuen Achtzylinder-Motor nicht gebaut und statt dessen das Leben des 4,2 Liter großen Vorgängermodells aus 2014 wohl noch um ein paar Jahre verlängert.

Der Aufwand zur Abgasreinigung wird immer größer. Und die technischen Finessen, mit denen den Dieselmotoren das berühmte Turboloch ausgetrieben werden, verschlingen immer größere Summen.

Audi schrumpft den Q3
Wenn es bei all den Zukunftsthemen Elektroauto, Connectivity und autonomen Fahren einen Trend in der Autobranche gibt, dann ist es der SUV-Boom. Alleine in Deutschland wurden 2015 knapp 600.000 der halbwegs geländegängigen Fahrzeuge verkauft – ein Plus von 13,3 Prozent zum Vorjahr. Getrieben wurde dieses Wachstum nicht nur von immer neuen Kompakt-SUV und großen Geländewagen, sondern vor allem von Mini-SUV. Quelle: Audi
In der Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamts sind der Opel Mokka (+ 12,1 Prozent) und der Renault Captur (+ 18,9 Prozent) die großen Gewinner. Wer bislang bei einer der Premiummarken ein Mini-SUV gesucht hat, wurde nicht fündig – unterhalb der Kompakten Audi Q3, BMW X1 und Mercedes GLA gab es kein Angebot. Das holt Audi mit dem Q2 nach, der im März auf dem Genfer Autosalon seine Premiere gefeiert hat. Quelle: Audi
Um den hausinternen Abstand zum Verkaufsschlager Q3 zu wahren, hat Audi das Mini-SUV nochmals gekürzt. Mit 4,19 Metern ist der Q2 fast 20 Zentimeter kürzer. Er misst 1,51 Meter in der Höhe und ist 1,79 Meter breit. Der Radstand liegt bei 2,60 Meter – genau wie bei zweitürigen A3, auf dem er aufbaut. Im Gegensatz zu vielen anderen SUV, die mit ihrer Größe protzen, taugt der Q2 mit seinen kompakten Abmessungen eher für den Großstadtdschungel als das schwere Gelände. Quelle: Audi
Optisch hebt sich der Q2 von vielem ab, was derzeit bei den aktuellen Audi-Modellen üblich ist. Der große Singleframe-Kühlergrill ist zwar immer noch obligatorisch, aber anders geformt und wirkt somit frischer. Die in Kontrastfarbe lackierten Blades auf der C-Säule und die Heckleuchten hat man in dieser Form bei Audi noch nicht gesehen. Gerade die LED-Rücklichter waren bislang eher flach und zogen sich bis in die Heckklappe hinein. Quelle: Audi
Bei der S-Line-Ausstattung (links im Bild) fällt die Offroad-Beplankung dezenter aus. Hier stehen sportliche Elemente wie der angedeutete Diffusor am Heck oder der integrierte Dachspoiler im Vordergrund. Die Blades an der C-Säule sind aus auffälligem Aluminium gefertigt. Quelle: Audi
Auch an der Front hebt sich das S-Line-Modell von seinem Offroad-Bruder mit angedeutetem Unterfahrschutz ab – die robuste Ausstrahlung haben aber beide. Im Gelände wird man sie dennoch eher selten sehen. Die flachen Scheinwerfer arbeiten gegen Aufpreis mit LED-Technik. Quelle: Audi
Die Platzverhältnisse im Innenraum dürften ausreichend, aber nicht üppig werden. Im Gegensatz zu dem dreitürigen A3 wird es aber SUV-typisch etwas mehr Kopffreiheit geben. Quelle: Audi

Der elektrisch angetriebene Verdichter, der beim Audi SQ7 die beiden Abgasturbolader bei niedrigen Drehzahlen unterstützt, benötigt nicht nur ein zweites Bordnetz mit 48 Volt Spannung, sondern obendrein eine Lithium-Ionen-Batterie (der koreanischen Hersteller Samsung und LG Chem) mit einer Kapazität von 0,5 Kilowattstunden und einer Spitzenleistung von 13 Kilowatt, in dem die für den Betrieb des Verdichters erforderliche Energie gespeichert wird. Über die Zusatz-Kosten dafür schweigen sich die Audi-Ingenieure wohlweislich aus.

Diese Autobauer investieren am meisten
Kia Quelle: AP
Suzuki Quelle: dpa
Renault Quelle: REUTERS
BMW Quelle: REUTERS
PSA Quelle: REUTERS
Honda Quelle: dpa
 Nissan Leaf Quelle: AP

Aber das ist immerhin eine Investition in die Zukunft: 48-Volt-Bordnetze werden in Autos mit Hybridantrieb schon bald Standard sein. Und vom Energiemanagement, das hierfür nötig ist, profitieren auch die künftigen Elektromobile. "Das 48-Volt-Netz ist ein erster Schritt", sagt Knirsch. Gekoppelt mit einer Hochvolt-Batterie bilde es eine Plattform für die nächste Generation mit teil- oder vollelektrischem Antrieb.

Audi wird Ende 2018 sein erstes Großserienauto mit reinem Batterieantrieb und über 500 Kilometer Reichweite in den Handel bringen - den Q6. Knirsch: "Wir gehen bewusst in ein Segment, wo weltweit große Stückzahlen zu erwarten sind." Bis 2025, deutet der Technikvorstand an, werde ein Viertel der Audi-Fahrzeuge zumindest streckenweise elektrisch angetrieben - "je nachdem, wie sich der Mix bei den konventionellen Antrieben verschiebt."

Die letzte Messe für den Dieselmotor könnte dann schon gelesen sein.

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