Aufruhr bei VW wegen Abgas-Affäre Wackelt jetzt Martin Winterkorn?

Nachdem Volkswagen die Manipulation von Abgaswerten in den USA zugab, ist die VW-Aktie massiv abgestürzt. Eine Frage steht besonders im Raum: Was wusste Martin Winterkorn?

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Der Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, Martin Winterkorn, bei der Volkswagen Group Night in der Ballsporthalle in Frankfurt am Main. Quelle: dpa

Die US-Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei zahlreichen Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften vorsätzlich umgangen zu haben. Es geht um fast eine halbe Million Autos. Volkswagen droht nach Angaben der Behörde damit eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar. Winterkorn hatte sich am Wochenende für den Verstoß entschuldigt und eine externe Untersuchung angekündigt. Er persönlich bedauere zutiefst, dass VW das Vertrauen von Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht habe. Daneben dürfte der Konzern für die Nachbesserung beziehungsweise Rücknahme der manipulierten Fahrzeuge zur Kasse gebeten werden. Zudem drohen Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe. Auch dürften die Autoverkäufe in den USA, die sich zuletzt stabilisiert hatten, wegen des Imageverlusts unter Druck geraten.

Die US-Umweltbehörde kündigte unterdessen an, weitere Diesel-Fahrzeuge auf den Prüfstand zu stellen. Es werde untersucht, ob auch bei anderen Fahrzeugen Software zur Manipulation von Abgaswerten zum Einsatz gekomen sei.

Stimmen zum Abgas-Skandal bei VW

Die Affäre um Abgas-Manipulationen in den USA setzt Volkswagen-Chef Martin Winterkorn schwer unter Druck. Das oberste Kontrollorgan von VW kommt Insidern zufolge am Mittwoch zusammen, um über die Affäre, die nach Ansicht von Experten Winterkorn den Job kosten könnte, zu beraten. Für Mittwochabend sei ohnehin schon ein Treffen des Präsidiums zur Vorbereitung der regulären Aufsichtsratssitzung am Freitag geplant gewesen, hieß es am Montag von zwei VW-Insidern. Am Vormittag werde es nun eine zusätzliche Sitzung des Präsidiums wegen der Vorwürfe in den USA geben, erklärte ein weiterer Insider.

Aus Sorge über milliardenschwere Strafzahlungen trennten sich Anleger zu Wochenbeginn in Scharen von VW-Papieren. Die Aktie brach am um bis zu 23 Prozent auf 125,40 Euro ein. Mit dem größten Kurssturz seit 21 Jahren verlor der Wolfsburger Autokonzern rund 17 Milliarden Euro an Börsenwert. Das ist mehr als die gesamte Marktkapitalisierung des Kosmetikkonzerns Beiersdorf. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sprach von einem "schlimmen Vorfall". Man müsse sich um den exzellenten Ruf von VW und den anderen Auto-Herstellern sorgen. Alle deutschen Autobauer müssten nun prüfen, ob auch Abgaswerte anderer Pkw-Modelle manipuliert worden seien.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt wollte Regierungskreisen zufolge am Montag mit VW-Chef Martin Winterkorn über die Affäre sprechen. Details wurden nicht bekannt. Erste Analysten sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordern bereits einen personellen Neuanfang an der Konzernspitze. Winterkorns Vertrag soll eigentlich auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag vorzeitig um zwei Jahre bis Ende 2018 verlängert werden. Denn der 68-Jährige soll den von ihm angestoßenen Konzernumbau begleiten.

Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI geht davon aus, dass der Abgas-Skandal weitere Veränderungen im VW-Management auslösen könnte. "Entweder Winterkorn wusste von dem Vorgehen in den USA oder es wurde nicht an ihn berichtet", sagte er.

Im ersten Fall müsse Winterkorn sofort zurücktreten. Im zweiten Fall müsse man genau fragen, wieso ein solch weitreichender Verstoß nicht an ihn berichtet wurde - auch dann sollte es für Winterkorn eng werden. VW sei der Konzern mit dem weltweit größten Forschungsbudget und habe sich in den USA wie eine Hinterhofwerkstatt benommen, die mit Manipulationen einen Gebrauchtwagen durch die Abgas-Inspektion bringen wolle, sagte Ellinghorst. Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte, er stehe zu Winterkorn. Wenn Winterkorn persönlich für den Abgas-Skandal verantwortlich wäre, würde der Vorstandsachef zurücktreten.

"Das wird teuer"

Die US-Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei zahlreichen Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften vorsätzlich umgangen zu haben. Es geht um fast eine halbe Million Autos. Volkswagen droht nach Angaben der Behörde damit eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar. Winterkorn hatte sich am Wochenende für den Verstoß entschuldigt und eine externe Untersuchung angekündigt. Er persönlich bedauere zutiefst, dass VW das Vertrauen von Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht habe. Daneben dürfte der Konzern für die Nachbesserung beziehungsweise Rücknahme der manipulierten Fahrzeuge zur Kasse gebeten werden. Zudem drohen Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe. Auch dürften die Autoverkäufe in den USA, die sich zuletzt stabilisiert hatten, wegen des Imageverlusts unter Druck geraten.

Vermintes Gelände – Volkswagen und die USA

Die US-Umweltbehörde kündigte unterdessen an, weitere Diesel-Fahrzeuge auf den Prüfstand zu stellen. Es werde untersucht, ob auch bei anderen Fahrzeugen Software zur Manipulation von Abgaswerten zum Einsatz gekomen sei.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht bei VW den Tatbestand der "vorsätzlichen Körperverletzung" erfüllt, weil die betroffenen Fahrzeuge absichtlich bis zu 40 mal mehr hochgiftige Diesel-Abgasgifte ausgestoßen hätten als erlaubt. Die DUH fordert daher Winterkorns Rücktritt und eine lückenlose Offenlegung durch den Aufsichtsrat, ob weitere Diesel-Pkw mit einer Software zur Abgas-Manipulation ausgerüstet und weitere Länder betroffen seien.

Auch andere Hersteller setzten nach Einschätzung der DUH insbesondere in Europa Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung ein, um noch mehr Leistung aus den Motoren herauszuholen. Daimler erklärte, man sei nicht von den Ermittlungen der US-Umweltbehörde betroffen. Bei BMW hieß es, die US-Behörde habe ein Dieselmodell getestet und keine Verstöße festgestellt.

Die Bundesregierung fordert von den Autoherstellern Klarheit, ob eine Manipulation von Abgaswerten auch über die USA hinaus möglich ist. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums forderte den Konzern auf, bei der Aufklärung eng mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten. Klarheit forderten auch Betriebsratschef Bernd Osterloh und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Die Ratingagentur Fitch befürchtet, dass die Kreditwürdigkeit von VW unter Druck geraten könnte, sollte sich die Krise länger hinziehen.

Für VW dürfte der Fall teuer werden, glaubt Heino Ruland, Marktanalyst vom Brokerhaus ICF. Da VW die Manipulation zugegen habe, müsse mit der Höchststrafe von etwa 18 Milliarden Dollar gerechnet werden. "Das ist aber sicher nicht das Ende der Fahnenstange." Hinzukommen dürften Sammelklagen von US-Autohaltern. Außerdem sei offen, ob die Prüfergebnisse auch in anderen Staaten falsch seien.

Die auf Kapitalmarktrecht spezialiserte Kanzlei Tilp prüft bereits Schadensersatzklagen: "Wir haben mehrere Anfragen von Kleinanlegern und institutionellen Investoren, die uns gefragt, wie sie vorgehen können", sagte ein Sprecher.

Autoexperte Stefan Bratzel erwartet eine niedrigere Strafe, da VW mit den US-Behörden kooperiere. Viel größer sei der Imageschaden, den VW und damit auch die gesamte deutsche Automobilindustrie in den USA erlitten habe, sagte der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. "Das ist ein deutsches Thema. Da sind alle in der Sippenhaftung", ist Bratzel überzeugt. Volkswagen mit seiner Tochter Audi sei das Aushängeschild der deutschen Automobilindustrie. Die stärkere Einführung des Dieselantriebs in den USA könne die Branche vorerst vergessen. Geklärt werden müsse nun, ob auch andere Hersteller die Abgaswerte manipuliert hätten.

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