Auto Union Audis schreckliche NS-Verantwortung

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2000 Mark für jahrelanges Leiden

Knapp 500 jüdische Frauen stellten dort ab Oktober 1944 im Drei-Schicht-Betrieb Flakmunition für die Wehrmacht her. Acht Stunden härteste Arbeit im Stehen, danach stundenlange Zählappelle bei Schnee und Regen im Fabrikhof. Oederan war eines von sieben KZ-Außenlagern, die die SS in Sachsen und im heutigen Böhmen für Auto Union eingerichtet hatte. Alle wurden vom KZ Flossenbürg aus geführt.

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Hana Malka, gebürtige Tschechin, schmerzt oft der linke Fuß. Das, so glaubt sie, liegt daran, dass während der Schwerstarbeit an einem ihrer Schuhe der Absatz fehlte. Hana, 20 Jahre alt, trug damals Kleidung von Menschen, die in Auschwitz vergast worden waren. Dort starben Hanas Mutter, ihre Cousine und die Schwestern ihrer Mutter. Auch Hana war in Auschwitz, wurde aber bei zwei Selektionen als arbeitsfähig eingestuft und dann nach Oederan gebracht. Zuvor mussten die jungen Frauen sich schnell von den Kleider- und Schuhbergen der Toten Sachen greifen. So kam Hana zu den kaputten Schuhen. Sechs Monate trug sie die.

Audi will Auszubildende zu Geschichtsstunden nach Flossenbürg schicken

Die freundliche Frau mit offenem Blick und feinem Lächeln lebt heute im israelischen Haifa. Zu einer Begegnung zwischen der greisen Gymnastiklehrerin, die immer noch Kurse gibt, und Audi-Vorstand Hackenberg kommt es bei der Gedenkveranstaltung nicht. Der Manager sagt der WirtschaftsWoche nach einem Rundgang durch die Flossenbürg-Ausstellung, bei der ihm ein Historiker die Bezüge zu Auto Union erklärt hat: „Sehr bedrückend ist das. Es ist wichtig, dass wir junge Menschen mit dieser Realität konfrontieren.“

Audi will nun Auszubildende zu Geschichtsstunden nach Flossenbürg schicken. Damit das nicht die Gedenkstätte bezahlen muss, fordert der Historiker Wolfgang Benz, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Flossenbürg, Audi-Chef Rupert Stadler per Brief auf, für drei Jahre zwei Personalstellen in der Gedenkstätte zu finanzieren. Zudem möchte Audi jetzt mit Zeitzeugen ins Gespräch kommen, sagt Audi-Sprecher Jürgen De Graeve.

Auf Antrag des Betriebsrats hat Audi den Namen von Auto-Union-Chef Richard Bruhn aus der Bezeichnung einer Pensionskasse getilgt: Der hochgeehrte Gründervater war hauptverantwortlich für den Einsatz der KZ-Häftlinge.

Revision der Audi-Geschichte

Dies einzugestehen fällt Audi aber schwer. Im Historien-Teil der deutschen Konzern-Homepage wurde zwar die Glorifizierung Bruhns beseitigt – seine Verstrickung in NS-Regime und KZ-Komplex aber verschwiegen. Auf die Frage, warum das so sei, geht Hackenberg kaum ein. Drei Tage später aber kündigt Sprecher De Graeve an, Audi werde nun in dem Text Bruhns „Verantwortung für die Zwangsarbeit bei der Auto Union“ deutlich machen.

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Auch an anderer Stelle schlingert Audi noch bei der Revision der eigenen Geschichte. Audi-Homepages für Frankreich, Italien und die Schweiz lassen den früheren Wehrwirtschaftsführer und späteren Bundesverdienstkreuzträger Bruhn weiter als „Vater der Auto Union“ hochleben. Sein „honoriger Name“ habe es nach dem Krieg ermöglicht, Auto Union „aus dem Nichts wieder aufzubauen“.

Es gibt auch massiven Widerstand dagegen, Bruhn vom Sockel zu stoßen. Carl Hahn, VW-Chef von 1982 bis 1993, intervenierte persönlich bei der Stadt Ingolstadt, um die Umbenennung der Bruhn-Straße zu verhindern. Der 88-Jährige nahm im November 2014 an einer Sitzung des Ältestenrates der Stadt teil – begleitet von Bruhns ehemaliger Sekretärin. „Unter Tränen“, berichtet ein Stadtrat, „plädierte Herr Hahn für die Beibehaltung des Straßennamens.“ Der Hintergrund: Hahns Vater Carl Hahn senior gehörte dem Auto-Union-Vorstand an und war Bruhn eng verbunden. Trotzdem empfahl der 15-köpfige Ältestenrat dem Kulturausschuss des Stadtrats in den vergangenen Tagen, die Bruhnstraße umzubenennen.

Hana Malka hört aufmerksam zu, als sie erfährt, dass Audi jetzt die Auto-Union-Historie in einem anderen Licht betrachtet. In den Neunzigerjahren habe Audi eine Entschädigungszahlung für ihre Leidenszeit abgelehnt, sagt sie. „Das sei zu lange her, haben die damals geschrieben.“ Schließlich habe die Konzernmutter VW aber eingelenkt und gezahlt: „2000 Mark.“

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