In den kommenden zehn bis 15 Jahren wird noch der Autobau und-verkauf das Geld in die Kassen spülen, das räumt auch Müller ein. Die Grundlagen für das, was danach kommt, werden derzeit gelegt. Welche Dienste und Geschäftsmodelle daraus genau entstehen, werden die Konzernoberen in den kommenden Jahren ausarbeiten.
Ein Ansatz: Laut Jungwirth könnte die VW-Gett-Flotte ein Testfeld für autonome Autos werden. Die Profi-Fahrer sitzen als Back-up mit im Wagen, während das Fahrzeug im Straßenverkehr wertvolle Daten sammelt – die dann später die autonomen Assistenten in den Kundenfahrzeugen verbessern.
Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Vision eine ganz ähnliche: General Motors, ansonsten eher eigenbrötlerisch veranlagt, hat im Januar eine halbe Milliarde Dollar in den Uber-Konkurrenten Lyft investiert. Vor einiger Zeit hatte GM bereits das Start-up Cruise Automation übernommen. Mit dessen Technik, die ursprünglich für Landmaschinen und Minenräumfahrzeuge gedacht war, entsteht derzeit ein autonom fahrender Chevrolet Bolt.
Perspektivisch soll die Software auch in den Autos von Lyft eingesetzt werden – womit autonome Taxen vom Schlage eines Google Cars entstehen würden. In den kommenden Monaten soll eine gemeinsame Testflotte an den Start rollen.
Autobauer müssen nicht die Mobilitätskonzerne der Zukunft sein
In naher oder ferner Zukunft wird so aus den Taxi-Vermittlern und Mobilitätsplattformen mit steigender Nachfrage ein funktionierendes Geschäftsmodell. Klingt riskant – ist es auch. Dennoch müssen die Autobauer diese Milliarden-Wette eingehen. Mit Anteilen an Uber, Lyft oder Gett erzielen sie in den kommenden drei Jahren wohl keine Gewinne. Mit den Apps und Plattformen erhalten sie aber etwas viel wertvolleres: Zugang zu jungen Menschen.
In einem Autohaus bekommen sie den Kontakt zu ihren künftigen Kunden immer seltener. Stattdessen nutzen sie neue Portale, um ihre Mobilität bedarfsgerecht zu organisieren. „In der Branche sind sich alle einig, dass die Digitalisierung die Autobauer und ihre Geschäftsmodelle in den kommenden fünf bis zehn Jahren stärker verändern wird als jede Technologie in den vergangenen 50 Jahren“, sagt Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture. „Bei neuen Mobilitätskonzepten können viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen mitmischen – der Sieger muss kein deutscher Premiumhersteller oder eine heute bekannte Volumenmarke sein.“
Eines ist klar: Autos werden in Zukunft intelligenter genutzt, egal ob selbstfahrende Taxen, vermittelte Fahrer oder smart zusammengestellte Fahrgemeinschaften. Wer nicht emotional an einem eigenen Auto hängt, wird es teilen. Und wenn Autos besser genutzt und weniger auf dem Parkplatz stehen, wird man auch insgesamt weniger Autos brauchen.
Bis die Chefetagen der Autobauer (oder IT-Giganten) auf all diese Unwägbarkeiten eine überzeugende Antwort geliefert haben, hilft ihnen vorerst wohl nur eines: Die heute in einen solchen Anbieter investierte Million ist unter Umständen der Milliardengewinn von morgen. Aber eben nur unter Umständen.