Autokonzerne verlagern Produktion Mercedes aus Finnland, Audi aus Spanien, VW aus Mexiko

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"Build where you sell?"

Wo die Autoindustrie wächst
Deutschland - 5,72 Millionen produzierte Fahrzeuge (Stand: 2011)Als die Produktion im Jahr 2009 um satte 11,9 Prozent absackte, hätte wohl niemand geahnt, dass Deutschland der große Gewinner der Autokrise werden könnte. Doch mittlerweile liegt die Produktion längst wieder über dem Vorkrisenniveau. Im Vergleich zum Jahr 2001 werden in Deutschland 13,8 Prozent mehr Autos produziert. Über zehn Jahre gesehen ist Deutschland damit der einzige Produktionsstandort in Westeuropa, der wächst. Quelle: dpa
Spanien - 2,35 Millionen produzierte FahrzeugeWährend Volkswagen wächst, bleibt Seat der spanische Patient des Konzerns. Der Niedergang der Marke ist symptomatisch für einen Produktionsstandort, der unter der heimische Wirtschaftskrise leidet. Über die vergangenen zehn Jahre gesehen, schrumpfte die Autoindustrie im Schnitt Jahr für Jahr um 1,5 Prozent. Im Vergleich wurden damit 15 Prozent weniger Autos produziert als noch 2001.
Frankreich - 2,25 Millionen produzierte FahrzeugeNoch schlimmer sieht die Lage in Frankreich aus - und das ist nicht mal ausschließlich der Krise geschuldet. Von 2004 bis 2009 schrumpfte die Autoindustrie des Landes, in drei Jahren sogar zweistellig. Seit 2001 ist die Produktion des Landes um satte 37 Prozent gesunken. Insbesondere die Sparstrategien der französischen Hersteller Renault und Peugeot/Citroën wirken sich negativ aus. Quelle: dpa
Großbritannien - 1,45 Millionen produzierte FahrzeugeIm Jahr 2005 ging mit MG Rover der letzte selbstständige britische Autohersteller in die Pleite. Die zweite Welle folgte 2009 als mehrere Werke schließen mussten und die Produktion um 33 Prozent absackte. Durch den Erfolg des Mini geht es in den letzten Jahren wieder bergauf. Im Zehn-Jahres-Vergleich kommt Großbritannien auf ein Produktionsminus von 13 Prozent. Quelle: dpa
Tschechien - 1,1 Millionen produzierte FahrzeugeDie tschechische Marke Skoda gehört zu den wachstumsstärksten Umsatztreibern des VW-Konzerns. Nicht der Stammsitz Mladá Boleslav ist mittlerweile ein beliebter Standort für Autokonzerne mit einem Wachstum von 141 Prozent hat sich die Autoproduktion in Tschechien innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Schon bald könnten die Tschechen auch Großbritannien überholen.
Polen - 824.000 produzierte FahrzeugeAuch im Nachbarland Polen floriert die Autoindustrie. Auch wenn das Land keine Eigenmarke vorzuweisen hat: Fiat, Opel, Chevrolet und Volkswagen sorgen dafür, dass sich die Autoproduktion des Landes mit einem Wachstum von 101 Prozent verdoppelt hat. Die Aussicht ist allerdings längst nicht so gut wie in Tschechien: Im abgelaufenen Geschäftsjahr schrumpfte die Produktion um 5,3 Prozent. Quelle: rtr
Italien - 743.000 produzierte FahrzeugeZuletzt sprach Fiat-Chef Sergio Marchionne von einem „Blutbad bei den Margen“ - und strich kurzerhand ein milliardenschweres Investitionsprogramm. Obwohl die Produktion in den italienischen Autowerken in den vergangenen zehn Jahren um satte 51 Prozent gesunken ist, herrschen immer noch massive Überkapazitäten. Seit 2008 schrumpft die Produktion des Landes kontinuierlich. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Was früher eine Besonderheit war – die Produktion deutscher Autos für deutsche Kunden im Ausland – wird im Zeitalter der Globalisierung zum Normalfall. Nach einer Studie des CAR Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen werden von den 13,5 Millionen Autos, die deutsche Fahrzeughersteller in diesem Jahr absetzen, nur noch rund 5,5 Millionen oder 40 Prozent in Deutschland produziert – der überwiegende Teil läuft im Ausland vom Band.

Betriebswirtschaftlich macht das durchaus Sinn. Das Prinzip "Build where you sell" – Baue dort, wo Du verkaufst – bedeutet, dort zu montieren, wo das Gros der Autos verkauft wird. SUVs wie der BMW X5 oder die Mercedes M-Klasse wurden früher vor allem in den Vereinigten Staaten verkauft. Also bauten beide Konzerne die Fabriken für diese Freizeitfahrzeuge in USA. Als die Nachfrage nach preiswerten Kleinwagen in Mittelamerika größer wurde als in Europa, verlagerte Volkswagen die Produktion des Käfer nach Mexiko. Heute bedient der Volkswagen-Konzern mit neuen Werken in China und Indien die asiatischen Wachstumsmärkte von heute und morgen.

Autoabsatzprognose für 2012 und 2013

Der hiesige Automarkt hingegen ist gesättigt. In diesem Jahr werden in Deutschland nach der CAR-Studie voraussichtlich nur noch knapp drei Millionen Neuwagen abgesetzt – das wären 18 Prozent weniger als noch zu Beginn der Euro- und Wirtschaftskrise 2009. Deutschland liegt damit hinter den USA, China, Japan und Brasilien nur noch auf Platz 5 der weltgrößten Automärkte. Und im kommenden Jahr könnte Deutschland in diesem Ranking noch einen Platz nach hinten rutschen: Russland hat großen Nachholbedarf und die Mittelschicht dort inzwischen auch die Kaufkraft, um sich Neufahrzeuge aus westlicher – oder asiatischer Produktion zulegen zu können. Auf dem Sprung ist auch der indische Tiger: 2015, so die CAR-Studie, wird der indische Automarkt erstmals größer sein als der deutsche.

Die Autoindustrie hat sich auf diese Verschiebung der Gewichte längst eingestellt. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Auslandsfertigung der deutschen Autohersteller fast verdoppelt. Und seit der Eröffnung des BMW-Werks Leipzig 2005 wurde in Deutschland keine einzige neue Produktionsstätte für Automobile mehr in Betrieb genommen. Im Gegenteil: 2016 wird Opel sein Werk in Bochum nach über 50 Jahren endgültig schließen, in der Zwischenzeit aber möglicherweise eine neue Produktionsstätte in China eröffnen. Werksschließungen sind bei den anderen deutschen Autoherstellern derzeit zwar kein Thema. Aber das Wachstum findet auch bei ihnen im Ausland statt: Audi baut ein neues Werk in Mexiko, BMW ein neues Montagewerk in Brasilien, VW weitere in China. Daimler lässt Autos in Ungarn produzieren, baut ein Werk in China und denkt an eine Ausweitung der Fertigung in Nordamerika. Und selbst Porsche denkt, auch um Einfuhrzölle zu sparen, inzwischen über eine Sport- und Geländewagenproduktion im Ausland nach. "Wir müssen nicht zwingend alle Autos auch in Deutschland bauen Es genügt, wenn wir 'Engineered by Porsche in Germany' auf unsere Autos schreiben können" wagte Vorstandschef Matthias Müller kürzlich in einem Interview den Tabubruch – bislang produziert der Sportwagenhersteller offiziell nur in Deutschland. Um den Schein zu wahren, wird der eigentlich in der Slovakei produzierte SUV Cayenne nach Leipzig geschafft und im dortigen Werke komplettiert.

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