Doch während VW und Audi beinahe im Monatstakt auf Automessen rund um die Welt neue Studien und Concept Cars vorstellen, muss Skoda bedachter agieren. Die Premiere der Studie eines seriennahen Elektroautos ist für Skoda daher eine große Sache. Und so könnte man denken, dass ein solcher Wurf erstmals bei dem Gipfeltreffen der PS-Branche präsentiert wird: der IAA in Frankfurt. Könnte.
Skoda hat sich für den Vision E, wie die Studie heißt, nicht die Leitmesse in der Mainmetropole ausgesucht. Das Elektroauto wird auf der Auto Shanghai zur Schau gestellt, die am Mittwoch die Pforten für die Journalisten und am Freitag für die Besucher öffnet. China statt Deutschland.
Die Wahl für die Elektro-Premiere in der Volksrepublik ist kein Zufall. China ist schon heute der größte Markt für Elektroautos. Im Electric Vehicle Index (EVI), den die Unternehmensberatung McKinsey exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt, führt China – in den Index fließen sowohl die Nachfrage als auch die Produktion von E-Autos ein.
China hat die größte E-Auto-Flotte
Die Volksrepublik drückt bei der Elektromobilität weiter aufs Tempo: 43 Prozent aller Elektroautos wurden im vergangenen Jahr in China gebaut, zudem kommt jede vierte Batteriezelle und jeder dritte Elektromotor aus China. Mit BYD beheimatet das Land gleich den größten Hersteller von E-Autos überhaupt.
Auch in China boomen SUV
Limousinen: 5.047.000 Fahrzeuge
SUV: 448.000 Fahrzeuge
MPV*: 197.000 Fahrzeuge
Minivans: 1.064.000 Fahrzeuge
Gesamt: 6.756.000 Fahrzeuge
Quelle: Chinesischer Branchenverband CAAM
Die Daten beziehen sich auf den Verkauf von Herstellern an die Händler, nicht auf den Verkauf an die Endkunden.
*Multi Purpose Vehicle, entspricht einem Van
Limousinen: 7.473.000 Fahrzeuge
SUV: 659.000 Fahrzeuge
MPV: 249.000 Fahrzeuge
Minivans: 1.950.000 Fahrzeuge
Gesamt: 10.331.000 Fahrzeuge
Limousinen: 9.494.000 Fahrzeuge
SUV: 1.326.000 Fahrzeuge
MPV: 445.000 Fahrzeuge
Minivans: 2.492.000 Fahrzeuge
Gesamt: 13.757.000 Fahrzeuge
Limousinen: 10.123.000 Fahrzeuge
SUV: 1.595.000 Fahrzeuge
MPV: 498.000 Fahrzeuge
Minivans: 2.258.000 Fahrzeuge
Gesamt: 14.473.000 Fahrzeuge
Limousinen: 10.745.000 Fahrzeuge
SUV: 2.989.000 Fahrzeuge
MPV: 493.000 Fahrzeuge
Minivans: 2.257.000 Fahrzeuge
Gesamt: 15.795.000 Fahrzeuge
Limousinen: 12.010.000 Fahrzeuge
SUV: 2.989.000 Fahrzeuge
MPV: 1.305.000 Fahrzeuge
Minivans: 1.625.000 Fahrzeuge
Gesamt: 17.929.000 Fahrzeuge
Limousinen: 125.376.000 Fahrzeuge
SUV: 4.078.000 Fahrzeuge
MPV: 1.914.000 Fahrzeuge
Minivans: 1.332.000 Fahrzeuge
Gesamt: 19.701.000 Fahrzeuge
Limousinen: 10.531.000 Fahrzeuge
SUV: 5.500.000 Fahrzeuge
MPV: 1.888.000 Fahrzeuge
Minivans: 1.008.000 Fahrzeuge
Gesamt: 18.927.000 Fahrzeuge
Limousinen: 12.150.000 Fahrzeuge
SUV: 9.021.000 Fahrzeuge
MPV: 2.496.000 Fahrzeuge
Minivans: 683.000 Fahrzeuge
Gesamt: 24.350.000 Fahrzeuge
Limousinen: 1.849.000 Fahrzeuge
SUV: 1.553.000 Fahrzeuge
MPV: 354.000 Fahrzeuge
Minivans: 94.000 Fahrzeuge
Gesamt: 3.851.000 Fahrzeuge
Auch die Nachfrage legt zu. Seit dem vergangenen Jahr fahren auf chinesischen Straßen mehr als 650.000 E-Fahrzeuge (Plug-in-Hybride und rein batterieelektrische Autos). „Damit hat China die USA als Land mit der größten E-Auto-Flotte erstmals überholt“, sagt Nicolai Müller, Seniorpartner von McKinsey. „Die Zukunft der E-Mobilität entscheidet sich in China.“
Das enorme Wachstum und die zunehmende Bedeutung als E-Auto-Markt sind das Ergebnis verschiedener Faktoren. „Die chinesischen Hersteller haben erkannt, dass sie die alteingesessenen Autobauer beim Verbrenner nicht überholen können“, sagt Axel Schmidt, Geschäftsführer Automotive bei der Unternehmensberatung Accenture. „Deshalb haben sie nie die Entwicklung eines Diesels forciert, sondern sind gleich auf die Elektromobilität gegangen.“
Dazu kommt, dass die Regierung diese Entwicklung extrem fördert – nicht nur aus industriepolitischen Gründen. Sie will auch die Umweltbelastung in den Megacities senken. Das ist dringend nötig, wie die Smog-Bilder aus Shanghai oder Peking immer wieder zeigen.
Kurz gesagt: Chinas Regierung hat den Technologiewechsel in der Autoindustrie zu einer Priorität gemacht.
„Chinas Industriepolitiker sehen die Unternehmen des Landes im Wettbewerb mit ausländischen Autobauern um die Technologieführerschaft in der Elektromobilität“, schrieb Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator Instituts für China-Studien (Merics) in Berlin und Professor für Politik und Wirtschaft Chinas an der Universität Trier, Mitte März in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. „Sie geben sich nicht mit einzelnen Fördermaßnahmen und Stückwerk zufrieden, sondern arbeiten an einer fortlaufend und systematisch angepassten Automobilpolitik, die in dieser Form weltweit einmalig ist.“
Zwischen Subvention und Protektionismus
Die Unterstützung geht weit über klassische Subventionen wie Zuschüsse zum Kaufpreis und beschleunigte Zulassungsverfahren hinaus.
Ein Beispiel für das, was Heilmann als „ein ausgefeiltes System von Marktanreizen, technologischer Standardsetzung und verdecktem Protektionismus“ bezeichnet: China verfolgt einen eigenen Standard bei den Ladesäulen. Wer die Infrastruktur nutzen will, muss sich anpassen. Der heimische Hersteller entwickelt natürlich direkt für diesen Standard. Ein ausländischer Autobauer muss seine Elektroautos erst umrüsten, Teile neu entwickeln, die Software umprogrammieren.
Anderes Beispiel: Während in Europa noch gestritten wird, wem die im Auto erhobenen Daten gehören – dem Hersteller, Besitzer oder doch dem Fahrer? – schafft China Tatsachen. Die erhobenen Fahrprofile müssen zum einen in China gehostet werden und etwa nicht auf Servern in den USA. Zum anderen werden die Daten direkt an die Behörden übermittelt. Für die deutschen Hersteller, die ihre Kunden derzeit mit der Privatheit ihrer Daten umwerben und selbst kein Interesse haben, wertvolle technische Daten zu teilen, wäre diese Vorschrift eigentlich ein KO-Kriterium.
Nach Meinung vieler Experten werden sie sich aber anpassen müssen. „Die Größe des Marktes ist so einzigartig, dass es sich kein Autobauer erlauben kann, diesen Markt nicht zu bedienen“, sagt Unternehmensberater Schmidt. „Das gilt auch für einzelne Fahrzeugsegmente und -antriebe, denen sich ein Hersteller nicht entziehen kann.“
Quote könnte zum Problem werden
Wer in China mitspielen will, wird sich dem E-Trend bald wohl kaum noch verwehren können. Die Regierung plant ein Quotensystem, das alle Hersteller zu bestimmten Absatzquoten für Elektroautos zwingt. Ursprünglich sah der Plan drei Stufen vor: Ab Januar 2018 sollten batteriebetriebene Fahrzeuge und Hybridmodelle mindestens acht Prozent des Absatzes jedes Autobauers ausmachen - sonst drohten Strafen. Im Jahr darauf sollten es bereits zehn, ein Jahr später sogar zwölf Prozent sein.
Die Ziele hätten die deutschen Hersteller niemals so schnell erreichen können. Laut einem „Handelsblatt“-Bericht aus dem Februar will Peking nach politischen Gesprächen auf höchster Ebene Forderungen aus Deutschland entgegenkommen. Über eine Einigung auf neue Quoten ist noch nichts bekannt.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Ein solcher Zwang wird die Elektro-Bemühungen der Hersteller weiter antreiben. Dabei haben sich die bisherigen Maßnahmen bereits positiv ausgewirkt. „Drei Faktoren erklären die große Dynamik auf dem chinesischen Markt“, sagt McKinsey-Experte Müller. „Zum einen ist China mit 75 verfügbaren E-Modellen das Land mit der größten Modellvielfalt, zum anderen wirkt eine Kombination aus direkten finanziellen Anreizen und nicht-finanziellen Vorteilen als Beschleuniger.“ Drittens baue das Land die Ladeinfrastruktur massiv aus.
Für Unternehmensberater Schmidt ist hier das Tempo der Chinesen entscheidend. „Themen wie die ausreichende Lade-Infrastruktur, freie Parkplätze oder gesonderte Fahrspuren für Elektroautos sind in China derzeit noch genauso unterentwickelt wie in Frankfurt oder Stuttgart“, sagt er. „Aber es wird mit einer viel höheren Geschwindigkeit vorangetrieben.“
Deutsche Autobauer müssen sich beeilen
Der extrem schnelle Ausbau von Subventionen und Infrastruktur hat auch zu fehlgeleiteten Investitionen, Überkapazitäten und Subventionsbetrug geführt.
Plug-in-Hybride wurden mit den staatlichen Vorteilen zugelassen, danach aber – mangels Infrastruktur oder Willen des Fahrers – nicht mehr geladen. Sie wurden nur noch mit dem Verbrenner gefahren. China steuerte gegen: Diese Art des Subventionsbetrugs gilt aus ausschlaggebend für die Erhebung der Fahrprofile – nur wer seinen Plug-in-Hybrid auch elektrisch fährt, soll die Vorteile bekommen.
An vielen Orten stehen übereifrig installierte Ladesäulen ungenutzt am Straßenrand. Zudem gibt es teils massive Zweifel an den offiziellen Zulassungsstatistiken für Elektroautos, wie die WirtschaftsWoche bereits vor einem Jahr berichtete. Ein Großteil des Geldes, das die chinesische Zentralregierung in den Fördertopf für den Kauf von E-Autos gesteckt hat, floss demnach nicht an den umweltbewusste Privatkunden, sondern an städtische Omnibus-Gesellschaften. Wie chinesische Medien damals berichteten, soll in rund der Hälfte der Fälle, in denen Bus-Betreiber Fördergelder kassiert haben, Betrug vorgelegen haben.
.Trotz derartiger Ineffizienzen: „Es wäre fahrlässig, den Anpassungsdruck zu unterschätzen, der von Elektromobilitätsquoten und besagtem Bonitätssystem ausgehen wird“, urteilt Merics-Direktor Heilmann über den chinesischen Markt. „In dem Land entfaltet sich ein staatlich aktiv gestalteter, verzerrter Technologiewettlauf. Deutschlands Unternehmenslenker und Wirtschaftspolitiker werden sich wappnen und wehren müssen, um nicht schrittweise aus diesem Markt hinausgedrängt zu werden.
Für einen Hersteller wie Skoda könnte es in der Tat schwer werden: Die Serienversion des Vision E kommt erst 2020, selbst eine abgemilderte Quotenregelung könnte zum Problem werden.
Ob die deutschen Premium-Hersteller mit ihren für das Ende des Jahrzehnts angekündigten Elektro-Limousinen und -SUVs gleich einen nennenswerten Anteil an ihren China-Verkäufen erzielen können, bleibt offen. Die Fahrzeuge sind alle im deutlich gehobenen Preissegment angesiedelt und nicht für den Massenmarkt gemacht.“
Volkswagen präsentiert auf der Messe in Shanghai ebenfalls ein neues Elektro-Konzept. Bei den vollelektrischen Serienautos für den chinesischen Markt sieht es aber nach wie vor mau aus.
"Volkswagen wird in den kommenden Jahren noch chinesischer werden – gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir ein neues mobiles Zeitalter in China gestalten", verkündet VW-Chef Müller immerhin im Vorfeld der Messe. Am Rande der Jahrespressekonferenz im März hatte er bereits erklärt, dass die Gespräche zur Zusammenarbeit mit dem Hersteller Anhui Jianghuai Automobile (JAC) "weit fortgeschritten" seien. Aus der Kooperationen sollen endlich preiswerte Elektroautos für den Massenmarkt entstehen.
Doch "weit fortgeschritten" könnte bald nicht mehr genug sein. Die Zeit drängt – für alle deutschen Hersteller.