Automobilbranche Die Chancen der Zulieferer beim Elektroauto

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Zulieferer müssen investieren

Bei der Frage, wie schnell die rein elektrisch oder mit Hybridtechnik angetriebenen Fahrzeuge tatsächlich in die Verkaufsräume der Hersteller kommen, sind sich die Experten nicht ganz einig. PRTM-Berater Hazimeh beziffert den Anteil der rein elektrisch oder per Hybrid mit externer Lademöglichkeit angetriebenen Fahrzeuge an den weltweiten Neuzulassungen 2020 auf zehn Prozent – „in Europa etwas mehr, in den USA vermutlich etwas weniger“. Die Bain-Berater gehen dagegen davon aus, dass je nach Rahmenbedingungen maximal ein Fünftel aller in zehn Jahren weltweit neu zugelassenen Autos ausschließlich elektrisch angetrieben wird (siehe Grafik in diesem Artikel).

Gleichwohl müssen Hersteller und Zulieferer schon jetzt in die Entwicklung völlig neuer Konzepte investieren. Etwa um die Karosserie leichter zu machen. BMW entwickelt dazu in einem Joint Venture mit der Wiesbadener SGL Group eine Leichtbaukarosserie aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff. Die dafür benötigten Fasern werden in dem gemeinsamen Werk in den USA produziert. Die neue Technik eröffnet auch ganz neuartige Konstruktionsmöglichkeiten: „Die Umhüllung der Batterie könnte zum Beispiel zur Knautschzone umfunktioniert werden“, sagt PRTM-Berater Hazimeh. In der Summe führt das dazu, dass das gesamte Auto leichter wird – auch das Fahrwerk kann einfacher dimensioniert werden, wenn etwa die Elektromotoren in die Radnaben wandern.

Eindeutige Gewinner werden jene Zulieferer, die die Autohersteller mit Batterien, Elektromotoren, Kabelsätzen und der notwendigen Steuerelektronik beliefern. „Der Wertschöpfungsanteil dieser Komponenten steigt und wird 2020 ein weltweites Volumen von 80 bis 90 Milliarden Dollar erreichen“, schätzt Hazimeh. „Da herrscht zurzeit Goldgräberstimmung.“ Das haben deutsche Großzulieferer wie Bosch oder Continental längst erkannt: Mit ihren Komponenten sind sie schon heute führend in der Welt. Bosch etwa hat kompakte Elektromotoren entwickelt, die in das Getriebe integriert sind und im Normalbetrieb als Antrieb wirken, beim Bremsen aber zum Generator werden und Strom zum Laden der Batterie erzeugen.

Aufwändige Elektronik

Conti wiederum hat die Steuerelektronik für den neuen Mercedes S400 Hybrid oder den 7er-BMW mit Hybridantrieb entwickelt, der demnächst auf den Markt kommt. Die macht aus dem Gleichstrom der Batterie Drehstrom für den Motor und regelt die Batteriespannung auf das niedrigere Bordnetzniveau für Leuchten oder Radio runter. Gleichzeitig sorgt die Elektronik dafür, dass die zum Beispiel vom US-Batteriehersteller Johnson Controls stammenden Lithium-Ionen-Akkus die Autos kraftvoll beschleunigen und die beim Bremsen anfallende Energie zwischengespeichert werden kann. Das Geschäft mit dieser anspruchsvollen Technik für Hybrid- und E-Autos wird für Conti immer wichtiger: „Wir wollen bis 2020 mit solchen Komponenten mehr als 500 Millionen Euro Umsatz erzielen“, sagt Jörg Grotendorst, Leiter des Bereichs Hybrid- und Elektroautos.

Eine Nasenlänge voraus

Entscheidend für die Leistung eines elektrisch angetriebenen Fahrzeugs ist die Batterie – von deren Technik hängt ab, ob die E-Mobilität eine Erfolgsstory wird. Der Stromspeicher muss in mehreren Bereichen zugleich Spitzenwerte bringen: Die Batterie soll möglichst viel Energie speichern können, damit der Aktionsradius des E-Autos genügend groß ist. Und sie soll eine hohe Leistung abgeben, damit man an der Ampel vom Fleck kommt. Anders als herkömmliche Batterien muss der Speicher auch bei winterlichen Minusgraden noch einwandfrei funktionieren, mindestens 10 bis 15 Jahre halten, bei Unfällen nicht zur Bombe werden und sich zu akzeptablen Kosten herstellen lassen. Johnson Controls ist bislang weltweit der einzige Hersteller, der alle wesentlichen elektrochemischen Batteriesysteme im Programm hat. Beliefert werden damit Daimler und BMW, demnächst auch Volkswagen und Ford.

Der deutsche Wettbewerber Litec, ein Gemeinschaftsunternehmen des Essener Mischkonzerns Evonik (50,1 Prozent) mit dem Stuttgarter Autobauer Daimler (49,9 Prozent), hat das noch vor sich. Seit Ende 2008 entwickeln beide gemeinsam Lithium-Ionen-Batterien. Bisher wurden rund 200 Millionen Euro investiert. Henrik Hahn, Chef von Evonik Litarion im sächsischen Kamenz, ist dem Ziel schon sehr nahe. Die 100-prozentige Evonik-Tochter liefert an Litec die Chemie – etwa die Elektroden-Materialien. Litec fertigt daraus Batteriezellen. Kapazität: rund 300.000 Stück pro Jahr. Gleich nebenan sitzt das Joint Venture Deutsche Accumotive (90 Prozent Daimler, 10 Prozent Evonik), das von 2012 an die Litec-Zellen zu Batterien komplettieren soll. Eingebaut werden die ersten Stromspeicher in den neuen Elektro-Smart.

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