Autozoom

Mit Ducati zurück in die Zukunft

Franz W. Rother Chefredakteur Edison

Kleinwagen und Luxusautos, Lieferwagen und Freizeitmobile, schwere Laster und Busse sowie schnelle Motorräder: Mit dem Kauf von Ducati wird der Volkswagen-Konzern zum Anbieter motorgetriebener Straßenfahrzeuge aller Art. Und mit der italienischen Motorradmarke greift Audi eine Tradition auf, mit der vor über 100 Jahren die Geschichte der vier Ringe begann.

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Audi Z02 Quelle: Pressebild

Analysten mögen den Kopf schütteln, Kleinaktionäre von VW verwundert die Augen reiben. Aber Ducati ist alles andere als ein Spontankauf, getrieben allein von dem Bedürfnis einiger Vorstände, dem Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch zum 75. Geburtstag noch schnell ein originelles Geschenk zu machen. Der Eintritt des Volkswagen-Konzerns in das Motorradgeschäft ist vielmehr von langer Hand vorbereitet. Und die treibende Kraft dahinter ist Piëch, der seit Jahren daran arbeitet, den VW-Konzern zum Komplettanbieter zu machen, mit Standbeinen in allen wichtigen Märkten und Segmenten weltweit.

„Das Truckgeschäft ist eminent wichtig. Motorräder, Blockheizkraftwerke, Schiffsmotoren mit 115.000 PS, mit Turbinen. All dies können wir machen“, schwärmte der Konstrukteur und Unternehmenslenker schon vor zwei Jahren in einem Interview mit Blick auf die Marken, Technologien und Kompetenzen, die sich unter dem Dach des Konzerns angesammelt haben.“ Eine Ducati-Rennmaschine hatte er damals schon in seiner Garage stehen, eine Geländemaschine vom Typ KTM ebenso.

Ende der Motorradproduktion

Im Kopf hatte er dabei sicher auch all die zweirädrigen Pretiosen, die in Ingolstadt im Audi-Museum stehen und von den Mitarbeitern der Audi Tradition liebevoll wie kenntnisreich gehegt werden: Motorräder von Wanderer und DKW aus der Frühzeit der Auto Union, aus der Audi nach dem zweiten Weltkrieg hervorging. Nicht zu vergessen die vielen Motorräder von NSU, die seit der Übernahme der NSU Motorenwerke Neckarsulm 1969 ebenfalls zur Audi-Sammlung zählen. Das erste BMW-Motorrad mit der Typenbezeichnung R32 wurde 1923 konstruiert, das erste Motorrad von Ducati rollte 1955 auf die Straße – die Erfolge der Motorräder von Wanderer, DKW und NSU im Rennsport und auf der Straße waren da schon Legende. DKW baute in den 20er Jahren bereits über 20.000 Motorräder jährlich und galten als die modernsten ihrer Zeit. Das werkseigene Rennteam sammelte mit den schnellen wie sparsamen Maschinen Titel in fast allen Klassen.

Nach dem Krieg wurden im ehemaligen DKW-Werk in Zschopau wieder Motorräder produziert – nach alten Konstruktionsplänen von DKW, aber unter der Marke MZ. DKW selbst legte als Teil der Auto Union im bayerischen Ingolstadt zwar noch einmal einen Neustart hin. Doch 1958 machte Daimler-Benz als damaliger Mehrheitsaktionär der Auto Union damit Schluss: DKW wurde ein Teil der Zweirad-Union, die 1966 von Fichtel & Sachs übernommen wurde.

Wanderer war schon 1929 aus der Motorradproduktion ausgestiegen. Die Technik und die Produktionsanlagen wurden nach Tschechien verkauft – wo die Maschinen unter dem Markennamen Jawa weiterproduziert wurden. NSU, damals noch ein selbständiges Unternehmen, gab im gleichen Jahr die Autoproduktion auf und konzentrierte sich in den Folgejahren ganz auf die Entwicklung und den Bau von schweren Motorrädern und entwickelte später für die Wehrmacht ein Kettenkrad als Zugmaschine. In den 50er Jahren war NSU mit einer Jahresproduktion von 350.000 Einheiten sogar der weltgrößte Motorradhersteller. Erst 1964 endete in Neckarsulm die Motorradproduktion mit der NSU Maxi.

Wohin die Reise geht

NSU Bullus Quelle: Pressebild

Lange ist‘s her. Doch in Vergessenheit geriet die Zweiradhistorie der Auto Union am Stammsitz von Audi nie. Mitte der 70er Jahre machte sich in Ingolstadt sogar ein kleines Team heimlich daran, ein neues Motorrad zu konstruieren und zu bauen. Angestachelt wurden sie von einem jungen Ingenieur, der kurz zuvor als Hauptabteilungsleiter für Sonderaufgaben bei Audi angefangen hatte und der schon seit dem 12. Lebensjahr einen Motorrad-Führerschein besaß. Sein Name: Ferdinand Piëch. Mit dem damaligen Leiter der Versuchsabteilung, Roland Gumpert, teilte er die Begeisterung für Motorräder. „Als wir dann mit der Idee rausgerückt sind, in unserer Abteilung ein Audi-Motorrad zu bauen, war er sofort Feuer du Flamme“, erinnerte sich Gumpert Jahre später. Piech gab grünes Licht für das Projekt, warnte aber auch: „Machen Sie das heimlich. Bevor das rauskommt, müssen wir was Brauchbares vorweisen können.

Zwei Jahre lang dauerten die Arbeiten an dem Motorrad mit der Bezeichnung Z02. Gumpert und seine Kollegen kauften eine gebrauchte BMW-Maschine und bauten sie in einem Holzverschlag nach und nach um. Der luftgekühlte BMW-Boxermotor wurde gegen einen wassergekühlten Vierzylinder-Motor aus dem Audi 50 ausgetauscht, Getriebe und Kupplung aus einem Motorrad von Norton entnommen. Dazu kamen Gussräder und viele selbstgefertigte Teile – 1977 war der Prototyp der Z02 fertig für Testfahrten. Gumpert und Piëch hatten viel Freude an dem Motorrad. Und sie hatten eine Vision: Bei Audi wollten sie eine Motorradproduktion aufziehen und mit der Z02 und einer Reihe weiterer Motorräder BMW Konkurrenz machen.

Neue Motorrad-Begeisterung

Doch die Träume platzten schon nach kurzer Zeit: Mit der spöttischen Bemerkung „Wir sind doch keine Fahrradhändler“ beerdigte der damalige VW-Vertriebschef Werner P. Schmidt das Motorrad-Projekt nach einer Präsentation der Z02 in Wolfsburg. Gumpert: „Damit war die Z02 mausetot.“ Das Motorrad kam ins Museum, Gumpert entwickelte noch zusammen mit Piëch den Quattro-Antrieb, wurde Rennleiter von Audi und machte sich später mit einer Sportwagen-Manufaktur selbständig. Schmidt machte noch ein wenig Karriere im VW-Konzern, wurde sogar noch Finanzchef, dann aber Ende 1994 abserviert – von einem gewissen Ferdinand Piëch, der einige Monate zuvor Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns.

Und nun, 35 Jahre nach der Präsentation der Audi Z02, bricht in Ingolstadt erneut Motorrad-Begeisterung aus. Audi-Chef Rupert Stadler – derzeit noch ohne Fahrerlaubnis – sieht sich bereits auf einer Ducati in einem Rennen mit BMW um die Marktführerschaft bei schweren Motorrädern. Andere überlegen bereits, wie sich die heute noch sehr sportliche Motorradmarke weiter entwickeln ließe und wie eine langfristige Zweirad-Strategie aussehen könnte: In vielen Großstädten der Welt, speziell in Asien, gelten leichte Motorräder wegen ihrer Wendigkeit, ihrer geringen Kosten und Kraftstoffverbräuche bereits als ideales Verkehrsmittel. Der Kaufpreis von angeblich 860 Millionen Euro könnte also langfristig gut angelegt sein. Ferdinand Piech („Seit 33 Jahren bin ich an der Sache dran“) hat auf der VW-Hauptversammlung angekündigt, mit den Edelmotorrädern aus Italien zunächst einmal Testfahrten durchzuführen. Danach wird man sicher bald erfahren, wohin die Reise geht.

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