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Sie haben Post, Herr Lohbeck

Martin Seiwert
Martin Seiwert Redakteur Blickpunkte

Ein offener Brief an den Verkehrsexperten von Greenpeace, der für Elektroautos überraschenderweise nicht viel übrig hat.

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Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck.

Lieber Herr Lohbeck,

bei einem Kongress der Auto-Zeitschrift auto motor und sport in Stuttgart am Donnerstag wurden Sie als Verkehrsexperte von Greenpeace vorgestellt und sagten, sinngemäß, dass Sie von Elektroautos nichts halten. Das sagen Sie ständig, aber mir scheint, Sie haben selten so deutliche Worte gefunden für ihre Abneigung gegenüber dem elektrischen Fahren. E-Mobile seien umweltschädlicher als herkömmliche Autos und schlössen aufgrund ihres hohen Preises Menschen von der Mobilität aus, wetterten Sie auf dem Podium.

Also, mit Verlaub, das ist so grober Unfug, da weiß ich gar nicht so recht, wo ich anfangen soll mit dem Zerpflücken. Aber der Reihe nach.

Ihr Argument Nummer 1:

Elektroautos bieten überhaupt keinen ökologischen Vorteil. Denn beim jetzigen Strommix stößt ein Elektroauto sogar mehr CO2 aus als ein sparsamer Benziner.

Dass ein mit Kohle-Strom betanktes Elektroauto kein wirklicher Fortschritt ist, kapiert jedes Kind mit Fahrradabzeichen. Der Dreck entsteht im Kraftwerk statt im Auspuff, so einfach ist das. Für diese Analyse braucht man keinen Verkehrsexperten.

Aber, Herr Lohbeck, falls es Ihnen entgangen sein sollte: An dem Strom, der aus unseren Steckdosen kommt, ändert sich gerade was. 2010 kamen schon 17 Prozent des Stroms aus sauberen Quellen, 2011 waren es 20 Prozent und mit dem Tempo wird es wohl weitergehen. Es werden gerade hunderte neue Windräder ins Meer gestellt, alte Mühlen an Land werden ausgetauscht und Solarstrom aus neuen Anlagen ist aufgrund des Preisverfalls der Zellen schon seit 2011 nicht mehr teurer als normaler Strom aus dem Netz. Bereits in acht Jahren soll es laut Greenpeace „mindestens 40 Prozent“ sauberen Strom in Deutschland geben.

Und jetzt kommen die E-Autos ins Spiel: Eine Million von ihnen lassen den Stromverbrauch in Deutschland gerade mal um ein Prozent steigen. Wenn bis 2020, wie von der Bundesregierung geplant, überhaupt so viele E-Autos bei uns herumkurven – sie werden im grünen Strom ersaufen. Die Kunden, die in ein Elektroauto investieren, dann aber den grünen Status-Gewinn aber mit einem Kohle-Strom-Vertrag wieder zunichtemachen, diese Kunden werden Sie, Herr Lohbeck, mit der Lupe suchen müssen. Sämtliche Elektroauto-Großtests rund um den Globus haben gezeigt, dass E-Auto-Käufer fast ausschließlich sauber und modern, sprich mit Strom aus erneuerbaren Energien, unterwegs sein wollen.

Aus diesem Grund werden viele E-Autos direkt mit entsprechendem Grün-Stromvertrag vermarktet. Manche Autohersteller gehen noch weiter und investieren selbst in die Erzeugung von sauberem Strom. Audi macht in Windparks, VW vermarktet zusammen mit dem Öko-Stromanbieter Lichtblick dezentrale, hocheffiziente Blockheizkraftwerke und BMW ist zu der Erkenntnis gelangt, dass die Kunden weder Kohle- noch Atomstrom tanken wollen und dass die Autos am besten auch nicht damit gefertigt werden. BMW will deshalb die E-Autos, und auf absehbare Zeit alle Autos, komplett mit sauberer Energie produzieren. In Leipzig werden dafür Windräder gebaut, andernorts helfen Wasserkraft oder das Biogas einer Mülldeponie. „Ich habe den Eindruck“, sagte mir ein BMW-Manager, „dass die Autohersteller die Energiewende nicht nur begrüßen, sondern sogar selbst beschleunigen.“

Fazit:

Sie können zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Esel oder eben mit dem E-Auto emissionsfrei unterwegs sein. Das schafft noch nicht mal die Bahn, deren Strom auf absehbare Zeit nicht komplett aus erneuerbaren Energien stammen wird. Und der aufkeimende E-Auto-Markt hat einen hübschen Nebeneffekt. Autoprofessor Stefan Bratzel: „Kunden werden bei Elektroautos nicht nur schauen, was hinten im Auto rauskommt, sondern auch, wie der Produktionsprozess unter dem Strich ausfällt.“ Das Elektroauto macht den Autoherstellern also Beine, grüne Beine. Sie werden zu Grün-Strom-Erzeugern und -Vermarktern, stellen ihre E-Autos als Speicher für Solar- und Windstrom zur Verfügung, machen ihre Produktion ökologischer. Noch so ein Vorteil der E-Mobilität.

Prioritäten der deutschen Autoindustrie

Die prominentesten "Dinosaurier des Jahres"
2012: Ilse AignerDie äußerst zweifelshafte Ehre, zum "Dinosaurier des Jahres 2012" ernannt zu werden, wurde Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zuteil. Die Ministerin widerspreche mit ihrer rückwärtsgewandten Klientelpolitik einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Politikgestaltung. "Dies betrifft insbesondere ihr Festhalten an einer umweltschädlichen Agrarpolitik und ihr enttäuschendes Engagement für ein besseres Tierschutzgesetz", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Auch in puncto Jagdrecht und Fischerei habe Aigner versagt. Tschimpke kritisierte, dass jedes Jahr rund 57 Milliarden Euro gießkannenartig in die europäische Landwirtschaft fließen und damit immer noch Betriebe gefördert werden, die durch großflächigen Maisanbau, Pestizideinsatz und Massentierhaltung der Umwelt schaden. "Frau Aigner muss sich endlich für einen Kurswechsel in der Agrarpolitik einsetzen. Es reicht nicht aus, dass die Landwirte nur Nahrungsmittel erzeugen, sie müssen dabei auf die Wasserqualität und den Klimaschutz achten und die Artenvielfalt erhalten. Steuergelder müssen an konkrete Leistungen im Natur- und Umweltschutz geknüpft werden", so der NABU-Präsident. Quelle: Presse
NABU-Präsident Olaf Tschimpke vergibt den Dinosaurier des Jahre 2011 an AIDA und TUI Quelle: dapd
RWE-Chef Jürgen Großmann Quelle: dpa
Ifo-Chef Prof. Hans-Werner Sinn Quelle: AP
Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Michael Glos Quelle: dpa
Der ehemaliger Air Berlin-Chef Joachim Hunold Quelle: dpa
Harry Roels Quelle: AP

Ihr Argument Nummer 2:

Die Autohersteller bauen zu schwere Kisten. Ein Auto wiegt heute anderthalb Tonnen. Da ist es egal, ob er mit Elektro- oder Benzinmotor angetrieben wird.

Die Autohersteller haben das Thema Spritverbrauch sträflich vernachlässigt. Sie haben jahrelang immer mehr Technik in die Autos gestopft, um sie leistungsstärker, sicherer und komfortabler zu machen. Das war der Trend, und die Kunden haben fröhlich mitgemacht.

Neuerdings ist Spritsparen aber das Top-Thema der Branche, da rennen Sie also offene Türen ein. Allein VW investiert bis 2018 rund 40 Milliarden (!) Euro in effiziente, umweltverträglichere Antriebe. Dabei ist die Priorität in der deutschen Autoindustrie übrigens die ihrige: Erst wird der Benzin- und Dieselantrieb flächendeckend sparsamer gemacht, das Elektroauto soll dann peu à peu in den Markt sickern. Für diese Dramaturgie gibt es einen einfachen Grund: Die Hersteller wollen die mit den herkömmlichen Antrieben verbundenen Sachwerte – Produktionsanlagen etwa oder Patente – noch so lange nutzen, wie es geht. Von einem schnellen Wechsel zum E-Auto würden Umwelt und Gesellschaft profitieren, nicht aber die Autobauer und ihre Aktionäre.

Und wie ist die Position von Greenpeace? Der "Verbrennungsmotor wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Nase eindeutig vorn" haben, sagen Sie. Es gehe darum, noch erheblich sparsamere Benzinmotoren zu bauen. „Die Zukunft besteht im Downsizing und Supercharging. Das hat sich als Königsweg herausgestellt. Der Weg zu weniger Ölverbrauch führt zu allererst über den sparsameren Benzinmotor.“

Man hat das Gefühlt, man hörte einen Manager von einem jener Autobauer sprechen, die bei den Hybrid- und Elektroantrieben den Anschluss verpasst haben. Dass Greenpeace Seit an Seit mit den Autokonzernen marschiert, erst mal sparsamere Benziner fordert und beim E-Auto auf die Bremse tritt, mag manchen Autohersteller freuen. Aber merkwürdig ist es schon. Denkt Greenpeace vielleicht darüber nach, künftig – wie etwa der WWF – auch Großspenden von Unternehmen anzunehmen? Oder wie darf man sich das erklären?

Ich komme vom Thema ab. Wir waren beim Gewicht. Was treibt die Autohersteller vor allem an, in Leichtbau zu investieren? Genau, die Elektromobilität. Denn das E-Auto hat ein ernstes Gewichtsproblem: Je schwerer das Auto ist, umso mehr der teuren Akkus muss man einbauen, um den Wagen vom Fleck zu bekommen. Jedes Kilo, das nicht auf die Waage kommt, spart also Batteriekosten. Ob sich Leichtbau mit teuren Materialien wie Aluminium, Spezialstahl, Kunststoffen oder Karbon rechnet, liegt deshalb immer am Antrieb. 100 eingesparte Kilogramm können beim E-Auto die Gesamtkosten spürbar senken. Bei einem herkömmlichen Auto lohnt sich dagegen der Aufwand oft nicht, denn die Spritersparnis steht in keinem Verhältnis zum Aufwand.

Und wieder lautet das Fazit: Das Elektroauto macht den Herstellern grüne Beine. Es zwingt sie in den von Ihnen so geschätzten Leichtbau. E-Mobilität ist nicht idiotisch, weil die Autos so schwer sind. Sie ist die Lösung, weil sie die Hersteller zum Leichtbau zwingt. Von der so beflügelten Leichtbautechnik werden dann auch ihre Lieblingsautos, die mit dem guten, alten Verbrenner, profitieren.

Ihr Argument Nummer 3:

Es gibt keinen Durchbruch bei den hohen Batteriepreisen. Elektroautos schließen aufgrund ihres hohen Preises weite Teile der Bevölkerung von der Mobilität aus. Das ist Mobilität für Reiche.

Das sind eigentlich zwei Argumente, was die Sache aber nicht besser macht, denn beide sind falsch. Es gibt sehr wohl einen Durchbruch bei den Batteriepreisen. Schon in drei Jahren könnte Volkswagen E-Fahrzeuge bauen, die günstiger sind als herkömmliche Autos. Möglich wird das durch einen drastischen Preissturz bei den Batterien, dem teuersten Bauteil von E-Autos. „Wir rechnen damit, dass die Kosten pro Kilowattstunde Kapazität beim Lithium-Ionen-Akku schnell auf eine Größenordnung von etwa 100 Euro sinken und dass diese Grenze 2015 oder spätestens kurz danach erreicht wird“, sagte Rudolf Krebs, Elektroauto-Chef des Volkswagen-Konzerns, der WirtschaftsWoche.

Niemand wird ausgeschlossen

Mein Auto heißt Miev
Nissan Leaf Quelle: Pressebild
Peugeot iOn Quelle: REUTERS
Chevrolet Volt Quelle: REUTERS
 BMW i3 Quelle: dpa
Opel Ampera Quelle: dpa
 e-Wolf Delta-1 Quelle: Pressebild
Audi e-tron Quelle: AP

Bei solchen Batteriepreisen kosten 150 Kilometer elektrische Reichweite maximal 4.000 Euro. Was das E-Auto in der Herstellung mehr kostet, holt es im Betrieb wieder raus: 100 Kilometer für zwei Euro – das schließt wohl niemand von der Mobilität aus. Und das alles ohne die ärgerliche Abstauberei der Öl-Riesen, ohne Klimaschäden und Öl-Katastrophen. So was freut auch den kleinen Mann.

Und selbst wenn E-Autos sündhaft teuer wären, würden sie niemand von der Mobilität ausschließen. Auch die Existenz von Lamborghinis und Rolls Royce schließt nicht „weite Teile der Bevölkerung von der Mobilität aus“. Die Einstiegspreise für Autos fallen seit Jahren. Es gibt Dacias für 7.000 Euro. Das 5.000-Euro-Auto ist nur eine Frage der Zeit. In Schwellenländern reichen schon 2.000 Euro für einen Viertürer. Um die Mobilität der Massen müssen wir uns also wahrlich nicht sorgen. Zumindest nicht wegen der Anschaffungspreise.

Anders sieht es freilich aus, wenn wir von den Kosten des Tankens reden. Die Ölpreise kennen tendenziell nur eine Richtung: nach oben. Anders als früher, brechen sie selbst während schlimmster Wirtschaftskrisen nicht wirklich ein, was an der hohen Nachfrage in Schwellenländern und langsam zur Neige gehender Ölvorräte liegt. Viele Kunden in Schwellenländern können sich einen kleinen Benziner für 2.000 Euro kaufen. Die Frage ist aber, ob sie auch für 200, 300 Euro im Monat tanken können. Solche Kosten sind abzusehen, wenn die Nachfrage weiter steigt. Wenn die Chinesen ähnlich gut mit Autos ausgestattet wären, wie die Amerikaner, würde der Ölverbrauch Chinas, so hat McKinsey errechnet, das gesamte weltweite Fördervolumen deutlich übersteigen. Uns steht ein Verteilungskampf ums Öl bevor.

Fazit:

Wenn Menschen von der Mobilität ausgeschlossen werden, dann durch hohe Benzinpreise. Die aufkommende Elektromobilität auf der Basis erneuerbarer Energien bietet einen Ausweg. Deshalb will und wird die chinesische Regierung das Land elektrisch mobilisieren. Eher nicht wegen des Klimaschutzes.

Wissen Sie, Herr Lohbeck, was das Schönste ist: Das mit der günstigen und sauberen E-Mobilität ist keine bloße Zukunftsvision. Sie müssen darauf keine Minute warten. Holen Sie sich doch einfach bei Karabag – das ist bei Ihnen in Hamburg um die Ecke – einen elektrischen Fiat 500. Den können Sie ohne Anzahlung leasen für 299 Euro im Monat und nach vier Jahren wieder zurückgeben, null finanzielles Risiko. Unterm Strich kommen sie damit günstiger weg, als mit einem herkömmlichen Fiat 500, das hat Auto Bild ausgerechnet. Den Strom würde ich bei Greenpeace Energy holen. Kennen Sie die? Vielleicht nicht, denn Sie machen Ihre Rechnungen ja immer mit Kohle-Strom. Hier für alle Fälle der Link: www.greenpeace-energy.de

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