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VW Touran: Pampersbomber mit Erdgasantrieb im Check

Jürgen Rees
Jürgen Rees Ehem. Redakteur Technik & Wissen

Erdgas ist nicht nur ein vergleichsweise sauberer, sondern auch ein günstiger Kraftstoff. Obwohl das Angebot an alltagstauglichen Fahrzeugen wächst, kommt der Markt in Deutschland aber nicht wirklich in die Gänge. Woran liegt es?

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Der VW Touran ist der Marktführer bei den Familienvans, seine Kastenform bietet viel Platz auf vergleichsweise wenig Grundfläche. Als Touran 1.4 TSI Ecofuel fährt er mit einem doppelt aufgeladenen 1,4-Liter-Vierzylinder-Motor vor, der 150 PS hat – zehn mehr als die konventionelle Benzin-Version. Freunde der Umwelt freuen sich zudem über den CO2-Ausstoß des Erdgas-Touran, der nach ECE-Norm bei 128 Gramm pro Kilometer liegt. Auch hier hat der Benziner mit 159 g CO2 das Nachsehen. Doch obwohl die Papierform überzeugend ist, rollen auf unseren Straßen knapp 30,5 Millionen Autos, die mit Benzin fahren, aber nur rund 72000 Stück, die Erdgas verbrennen. Im Alltag suchen wir nach Gründen für die Zurückhaltung. 

Fahren: Der 150-PS-Erdgasantrieb ist ein kultivierter Zeitgenosse, sehr leise und laufruhig. Das Doppeltschaltgetriebe kaschiert die Anfahrverzögerung ganz gut und ist sowieso immer die  komfortablere Alternative zum Schaltgetriebe. Wenn der Erdgasvorrat in den 18 Kilogramm-Tanks im Heck zu Ende ist, schaltet das System automatisch auf den kleinen Elf Liter fassenden Benzintank um. Das einzige, was der Fahrer davon merkt, ist dass die Tankanzeige für Erdgas nicht mehr grün leuchtet, stattdessen die Benzin-Tankuhr aktiv ist. Der Fahrer registriert schnell, dass der Touran auf das Fahren mit Erdgas optimiert ist, denn im Benzinbetrieb reagiert der Wagen merkbar träger.  

Technische Daten

Motor:

4-Zylinder Reihenmotor

Hubraum:

1390 cm³  

Leistung:

150 PS (110 kW) bei 5500 U/min.

max. Drehmoment:

220 Nm bei 1500 U/min.

CO2-Ausstoß:

128 g/km

Kraftstoff:

Erdgas

Grundpreis:  

31125 €

Höchstgeschwindigkeit

(Herstellerangabe):

204 km/h

Verbrauch im Test:

5,9 kg/100 km Erdgas

Verbrauch nach Herstellerangabe:

4,6 kg/100 km Erdgas  

Umwelt: Erdgas oder compressed natural gas (CNG) ist deutlich weniger umweltschädlich als Benzin. Es produziert unter vergleichbaren Bedingungen etwa 75 Prozent weniger Kohlenmonoxid (CO) und bis zu 65 Prozent weniger Kohlenwasserstoffe (HC). Billiger ist Gas außerdem, das Kilogramm kostet im Großraum Bonn/Köln im Testzeitraum zwischen 0,96 Euro und 1,08 Euro.

Kosten: Der VW Touran TSI Ecofuel mit 1,4-Liter-TSI-Motor kostet 3675 Euro mehr als seine Basis-Version. Das ist ein satter Aufpreis. Immerhin ist der Einbau der Gas-Komponenten so geschickt gelöst, dass die Alltagstauglichkeit kaum leidet. Das Leuchten in den Augen des kostenbewussten Fahrers beginnt an der Tankstelle: Dort zahlt er für ein Kilogramm Erdgas rund einen Euro, das ist nach Energiegehalt gerechnet ungefähr die Hälfte des Preises von einem Liter Benzin.

Im Alltag muss man eben doch häufiger tanken, als erwartet

Das sind die beliebtesten Familienautos 2013
Kategorie: Familienautos bis 15.000 EuroPlatz 1: Skoda Fabia Combi Preis ab 12.790 Euro Ladevolumen bis zu 1.485 Liter 21 Prozent aller Stimmen erhielt der Skoda Fabia Combi bei der doppelten Leserwahl. Ihm folgten in dieser Preiskategorie der Skoda Roomster mit 20,9 Prozent und der Seat Ibiza ST mit 10,5 Prozent. Quelle: PR
Kategorie: Familienautos 15.000 bis 20.000 EuroPlatz 1: Skoda Octavia Combi Preis ab 17.000 Euro Ladevolumen: 610 - 1.740 Liter 18,4 Prozent der Befragten favorisierten den Skoda Octavia Combi. 11,1 Prozent der Leser entschieden sich für den VW Golf Variant, nur knapp dahinter landete der VW Caddy mit 10,9 Prozent.  Quelle: PR
Kategorie: Familienautos 20.000 bis 25.000 EuroPlatz 1: VW Touran Preis ab 22.530 Euro Ladevolumen: 5-Sitzer 695 - 1.989 Liter; 7-Sitzer: 121 - 1.913 Liter 25,3 Prozent der abgegebenen Stimmen vereinigte der erste Rang, dahinter folgten der Skoda Superb Combi mit 10 Prozent und der Ford Kuga mit 7,7 Prozent.  Quelle: PR
Kategorie: Familienautos 25.000 bis 30.000 EuroPlatz 1: VW Passat Variant Preis ab 26.400 Euro Gepäckraumvolumen: 603 - 1.731 Liter 17,2 Prozent der Befragten votierten für das wohl klassischste aller Papamobile, 11,9 Prozent der Teilnehmer entschieden sich in dieser Preisklasse für den Audi A4 Avant und 9,4 Prozent für den Ford S-Max. Quelle: PR
Kategorie: Familienautos 30.000 bis 35.000 EuroPlatz 1: VW Sharan Preis: ab 30.525 Euro Gepäckraumvolumen: 5-Sitzer 885 - 2.430 Liter; 7-Sitzer 300 - 2.297 Liter 19,3 Prozent Zustimmung erhielt der Sieger. Ihm folgt der VW Multivan, für den 18,3 Prozent stimmten. Auf Platz drei schaffte es der Audi Q3 mit 9,6 Prozent der Stimmen.  Quelle: PR
Kategorie: Familienautos 35.000 bis 40.000 EuroPlatz 1: Audi A6 Avant Preis: ab 39.555 Euro Gepäckraumvolumen: 565 Liter Der Audi A6 Avant ließ mit überragenden 33,2 Prozent der Stimmen den Q5 aus gleichem Hause hinter sich, den 18,8 Prozent der Umfrageteilnehmer nannten. Platz 3 ging an den BMW X3 mit 14 Prozent Zustimmung. Quelle: PR
Kategorie: Familienautos über 40.000 EuroPlatz 1: VW Touareg Preis: ab 50.850 Euro Gepäckraumvolumen: 580 - 1.642 Liter In der höchsten Preiskategorie lag dann erneut ein VW an der Spitze. Der beliebteste Familienwagen dieser Klasse ist mit 15,5 Prozent der VW Touareg. Dahinter folgte mit 12,2 Prozent das T-Modell der Mercedes E-Klasse, das den Münchner Dauer-Kontrahenten BMW 5er Touring mit 9,1 Prozent auf Platz drei verwies. Quelle: PR

Und Gastanken ist übrigens so einfach wie Benzin zapfen. Nur sieht man die Tankstelle öfter als einem lieb sein kann. Denn auch hier ist der Verbrauch im Alltag höher als der realitätsferne Normwert. Dieser sogenannte ECE-Verbrauch liegt bei 4,6 kg/100 km. Der Durchschnittsverbrauch im Test lag bei etwa sechs kg/100 km, bei ganz sensiblen Gasfuß reichten auch rund fünf Kilogramm. Der Verbrauch hat Konsequenzen für den Alltag.

Alltag: Der Erdgasvorrat ist leider  bei flotter Fahrweise schon nach 350 Kilometer zu Ende, der Elf-Liter-Benzinvorrat bringt zwar noch einmal zwischen 100 und 150 Kilometer Reichweite. Da sich aber vor allem das Fahren mit Erdgas lohnt, hält man schon früh Ausschau nach Erdgastankstellen, von denen es bundesweit etwa 1000 gibt.

Die neuen Erdgasfahrzeuge
Fiat 500LZwei-Zylinder-Motor mit 80 PS Treibstoffkosten pro 100 Kilometer*: 4,45 Euro Preis: ca 19.000 Euro kommt Ende 2013 *kombinierter Kraftstoffverbrauch, 1,60 Euro pro Liter Superbenzin und 1,08 Euro pro Kilogramm Erdgas Quelle: dpa
VW Scirocco R-CupGegen das Pfennigfuchser-Image: Das Erdgasrennauto leistet mit Zwei-Liter-Turbomotor bis zu 285 PS Quelle: Presse
Skoda Octaviavermutlich 110 PS Treibstoffkosten pro 100 Kilometer*: 3,78 Euro Preis: steht noch nicht fest kommt im Frühjahr 2014 *kombinierter Kraftstoffverbrauch, 1,60 Euro pro Liter Superbenzin und 1,08 Euro pro Kilogramm Erdgas Quelle: Presse
VW eco up!Drei-Zylinder-Motor mit 68 PS Treibstoffkosten pro 100 Kilometer*: 3,13 Euro Preis: ab 12.9900 Euro *kombinierter Kraftstoffverbrauch, 1,60 Euro pro Liter Superbenzin und 1,08 Euro pro Kilogramm Erdgas Quelle: Presse
Mercedes B-Klasse 200 NGD156 PS Treibstoffkosten pro 100 Kilometer*: 4,64 Euro Preis: ab 32.368 Euro kommt Mitte 2013 *kombinierter Kraftstoffverbrauch, 1,60 Euro pro Liter Superbenzin und 1,08 Euro pro Kilogramm Erdgas Quelle: Presse
Audi A3 g-tronErstes Audi-Serienauto mit Erdgasantrieb 110 PS Treibstoffkosten pro 100 Kilometer*: 3,78 Euro Preis: ab 25.900 Euro kommt Ende 2013 *kombinierter Kraftstoffverbrauch, 1,60 Euro pro Liter Superbenzin und 1,08 Euro pro Kilogramm Erdgas Quelle: Presse

Dafür ist das aufpreispflichtige Navi ein Segen, denn alle Erdgastankstellen sind dort als Sonderziele hinterlegt und lassen sich so einfach anfahren. Aber die insgesamt geringe Reichweite ist ein Grund, warum Vielfahrer eher nicht zum Erdgasantrieb greifen. Die sind mit ihren Dieselautos Reichweiten von 1000 Kilometer gewöhnt.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, der die Verbreitung in Deutschland behindert: Erdgasautos haben die Sparfüchse unter den Käufern im Visier. Doch die werden zumindest im Bereich der Dienstwagen ausgebremst: Fahrer von Dienstwagen müssen die unterstellte private Nutzung mit einem Prozent des Neuwagenpreises pro Jahr versteuern. Da sagt der Angestellte seinem Fuhrparkmanager beim Erdgasauto: „Mehr Aufwand beim Tanken und dann auch noch mehr private Steuern zahlen? Komm mir bloß nicht so einem Auto!" Sinnvoll wäre statt der Neuwagenpreisbesteuerung eine CO2-basierte Besteuerung vom privaten Anteil der Firmenwagen. Dann lohnen sich saubere und sparsame Fahrzeuge.

Fazit: Unterm Strich ist der Erdgastouran beim Tanken mehr als ein Drittel billiger als ein gleichstarker Benzinmotor. Das Fachblatt Auto, Motor und Sport hat sogar ausgerechnet, dass der Erdgastouran trotz des heftigen Mehrpreises bereits bei einer Jahresfahrleistung von 7000 Kilometern verglichen mit der Benzin-Version im Vorteil ist. Das ist schon ein überzeugender Kaufgrund. Aber der Mehrpreis für den Wagen schreckt, die Dienstwagenbesteuerung genauso wie die zu geringe Reichweite. Der Tester wünscht sich vor allem größere Erdgastanks – gerne doppelt so viel. Dann ist es ein ideales Pendler- und Familienauto. 

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