Denn bei Fahrzeugtechnik und Innovationsstärke hat BMW gegenüber Wettbewerbern verloren. Im entsprechenden Index auf Basis von Daten des Center of Automotive Management liegt BMW nur auf Platz sechs. Das ist eine Altlast, die Krüger von seinem Vorgänger Reithofer übernommen hat. Das Sagen haben in München noch immer Maschinenbauer und Motorentwickler. IT und Software dagegen stünden „ganz hinten in der Nahrungskette“, sagt ein Kenner, der in Digitalisierungsprojekte bei BMW involviert ist: „Bei der Entwicklung werden IT-Aufgaben regelmäßig vergessen oder zu spät bedacht.“
Gleichzeitig ist es BMW bis heute nicht gelungen, genug IT-Fachleute anzuheuern. Hunderte Stellen in der IT sind derzeit unbesetzt. Die vorhandenen über 4000 Softwareexperten seien schon jetzt überlastet, sagt ein Mitarbeiter. Die Abteilung befinde sich nach mehrfacher Umstrukturierung an der Grenze zur Handlungsunfähigkeit und habe intern einen extrem schlechten Ruf. Hinzu kämen Grabenkämpfe zwischen der gegenwärtigen Digitalisierungs- und der IT-Abteilung. „Die Stimmung“, so der Mitarbeiter, „nähert sich dem Tiefpunkt.“
Belegschaftsstrukturen der BMW- und Porsche-Werke Leipzig
BMW: 10 714
Porsche: 7797
Quelle: Unternehmen; Stand: November 2015
BMW: 43,9 Prozent
Porsche: 46,2 Prozent
BMW: 25,2 Prozent
Porsche: 22,4 Prozent
BMW: 16,8 Prozent
Porsche: 18,0 Prozent
BMW: 14,1 Prozent
Porsche: 13,4 Prozent
Eine hinderliche Rolle spielen dabei Elmar Frickenstein, Leiter der Entwicklung Elektronik, und Klaus Straub, der für die IT des Konzerns verantwortlich ist. Beide seien keine Teamplayer. „Sie schenken sich, wann immer möglich, gegenseitig einen ein“, sagt ein Insider. Das Gerangel könnte bald ein Ende haben. Krüger will die Entwicklungsabteilung umbauen. Als Termin kursiert der 1. April. Und – kein Scherz – dabei könnte sogar ein Vorstandsressort Digitalisierung herausspringen. Krüger wollte das gegenüber der WirtschaftsWoche jedoch nicht kommentieren.
BMW muss mit alten Traditionen brechen
Will Monsees Erfolg haben, wird er die BMW-Chefetage überzeugen müssen, mit alten Traditionen zu brechen. Dazu gehört auch, mit Innovationen offensiver aufzutreten. Während sich Elon Musk, der Gründer des kalifornischen Elektroautoherstellers Tesla, als Heilsbringer der Elektromobilität und der dezentralen Energieversorgung in Szene setzt, machen sich die Bayern eher bieder und klein.
Die Quandts und BMW
Nach dem Tod des Unternehmers Herbert Quandt 1982 hatten seine Witwe Johanna und ihre beiden Kinder die BMW-Anteile und die Mehrheit am Chemiekonzern Altana geerbt. Johanna Quandt war ab 1982 im Aufsichtsrat, von 1986 bis 1997 war sie stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende. Dann überließ sie diese Arbeit ihren Kindern. Johanna Quandt hielt 16,7 Prozent, Sohn Stefan hält 17,4 Prozent und Susanne Klatten 12,6 Prozent an BMW.
Die starke Stellung der Familie hatte in den vergangenen Jahren für große Kontinuität bei dem Münchner Konzern gesorgt. Johanna Quandt habe dem Unternehmen „Rückhalt und Sicherheit gegeben“, sagte der Vorstandschef Harald Krüger der „Süddeutschen Zeitung“. Auch ihre Kinder haben gezeigt, dass sie nicht an schnellen Renditen interessiert sind, sondern langfristig denken.
Nach dem milliardenschweren Desaster durch die Übernahme des britischen Autobauers Rover hätten die Geschwister die Ablösung des damaligen Vorstandschefs Bernd Pischetsrieder forciert, hatte das „Manager Magazin“ berichtet. „Auch den Chefwechsel von Joachim Milberg zu Joachim Panke leiteten die beiden ein.“
Der 50-jährige Stefan Quandt hatte in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert und danach bei dem seiner Familie gehörenden Unternehmen DataCard in den USA und Hongkong gearbeitet. Dem Vater einer Tochter gehört neben dem BMW-Paket auch der Logistikkonzern Logwin.
Seine vier Jahre ältere Schwester Susanne hatte in England und in der Schweiz Betriebswirtschaft studiert. Die Mutter dreier Kinder wird von dem US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ als reichste Frau Deutschlands geführt, mit einem geschätzten Vermögen in zweistelliger Milliardenhöhe. Ihr gehören auch der Chemiekonzern Altana, und sie ist Großaktionärin bei dem Auto- und Flugzeugzulieferer SGL Carbon.
Alle Welt spricht etwa vom Solarstromspeicher Powerwall von Tesla, aber niemand von den vergleichbaren Akkus für den Keller zum Laden der Elektroautos, die BMW vor Kurzem vorstellte. „Wir dürfen die öffentliche Debatte über die Zukunft der Autoindustrie nicht Tesla oder Uber überlassen“, sagte Monsees unlängst.
Die nächste Gelegenheit, mehr zur klappern, bietet sich BMW in der kommenden Woche, wenn die Bayern eine Kooperation mit Loxone Electronics bekannt geben wird. Das österreichische Unternehmen bietet die Vernetzung nahezu aller elektrischen Funktionen und Geräte am und im Haus an. BMW wird in die Kooperation wahrscheinlich die Stromheimspeicher sowie seine neue Open Mobility Cloud einbringen: eine Onlineplattform, von der sich etwa der Ladezustand der Elektroautobatterie, der Wetterbericht oder auch das Kinoprogramm abrufen lassen.