Bei den Antrieben ist die BMW-Spitze um Reithofer konsequenter vorgegangen als jeder Wettbewerber. Lange galt der Reihensechszylinder als der BMW-Motor schlechthin. Diese Motoren, für ihren seidenweichen Lauf berühmt, passen aber nicht in das Downsizing-Konzept – für BMW-Romantiker ist in Reithofers Konzern kein Platz.
Saugmotoren sind längst aus dem Programm geflogen, in den meisten Modellen kommen Turbo-Vierzylinder zum Einsatz. Im Mini und der 1er-Baureihe läuft neuerdings ein 1,5-Liter-Dreizylinder. Immerhin in den großen Modellen hat der Reihensechser noch überlebt – wenn auch mit Turbolader.
Dass Reithofer in seinem Streben nach neuen Kunden und sparsameren Autos keine Tabus kennt, hat er spätestens mit dem 2er Active Tourer bewiesen. Erstens: es ist ein Van. Zweitens: er hat den bereits erwähnten Dreizylinder. Drittens: der Wagen hat Frontantrieb. Für einen Autobauer, der wie keine andere deutsche Marke für den Heckantrieb steht und sich die "Freude am Fahren" auf die Fahnen geschrieben hat, kam das einer Zäsur gleich.
Doch Reithofer ließ durchblicken: Er glaubt an das Konzept, auch die kommende Generation des Kompaktmodells 1er soll auf der Frontantriebs-Plattform aufbauen. Die ersten Zahlen untermauern Reithofers Kurs: In drei Monaten konnte BMW über 13.000 Vans verkaufen. Nicht das Niveau der 3er-Baureihe, aber auch kein Flop.
BMW i3 bleibt eine Wette auf die Zukunft
Zu seinen mutigsten Entscheidungen gehörte zweifellos der Bau der Elektro-Modelle i3 und i8. Nicht nur, dass BMW als erster eine eigene Elektro-Auto-Linie aus dem Boden stampfte. Reithofer brachte damit auch Carbon als neuen Leichtbau-Stoff in Serie. Dafür waren horrende Investitionen notwendig, die das Ergebnis belasteten.
Reithofer ließ sich davon nicht schrecken: "Wir bereiten damit den nächsten Wachstumsschritt vor und stärken die Zukunftsfähigkeit", sagt er. Wer die Mobilität von morgen bestimmen wolle, müsse heute in Vorleistung gehen. "Für diese Fahrzeuge braucht man einen langen Atem, mindestens zehn Jahre. Und wir brauchen den i3 auch, um die CO2-Ziele der EU-Kommission zu erreichen."
Bisher hat BMW über 16.000 Stück des Elektro-Flitzers i3 verkauft. Vom Supersportwagen i8 wurden rund 1700 Modelle ausgeliefert. Derzeit warten i3-Käufer drei bis vier Monate auf ihr Fahrzeug, i8-Kunden sogar bis zu acht.
Ob sich die riskante Carbon-und Elektro-Strategie letztendlich auszahlt? Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh. Der neue Chef Harald Krüger, wie Reithofer zuvor Produktionsvorstand bei BMW, übernimmt mit der i-Familie eine Wette auf die Zukunft. Aber immerhin: BMW wagt, und wartet nicht einfach nur ab.
Bei seinen Aufgaben kann Krüger auf den Rat seines Vorgängers zählen – als Aufsichtsrat wird Reithofer weiter Einfluss auf den Kurs von BMW haben. Der Wechsel dürfte reibungslos über die Bühne gehen. Öffentlichen Streit oder Skandale gab es in der Ära Reithofer nicht. Der Manager genießt hohes Ansehen und gilt auch intern als uneitel. Das Scheinwerferlicht meidet er soweit wie möglich. Das schätzt nicht nur die Eigentümerfamilie Quandt, sondern auch die Arbeitnehmervertreter.
Seit Reithofer BMW von Rekord zu Rekord geführt hat, schmücken den studierten Maschinenbauer auch zahlreiche Titel und Ehrungen. Unter anderem bekam er 2010 den Bayerischen Verdienstorden, 2011 die Ehrendoktorwürde der TU München, wurde im selben Jahr zum Manager des Jahres gewählt und bekam 2012 das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion überreicht.
Über den Menschen Reithofer ist dagegen wenig bekannt. "Was machen Sie denn ab Mai mit Ihrer Freizeit?" will eine Journalistin wissen. "Das weiß ich noch gar nicht", entgegnet Reithofer. Man glaubt es dem 58-Jährigen aufs Wort.
Golf? "Ich spiele kein Golf". Vielleicht Segeln? Reithofer bleibt stumm. Er weiß es nicht. Und wirkt tatsächlich wie jemand, der es noch gar nicht fassen kann, dass er fortan nicht mehr von sechs Uhr morgens bis spät in die Nacht mit Haut und Haar im Dienste seines Arbeitgebers steht. "Ich war jetzt 15 Jahre Vorstand. Da führt es durchaus zu einem positiven Gefühl, wenn einem jetzt mehr Freiheit zur Verfügung steht", sagt er nur – und strahlt.