BMW Wie sich Norbert Reithofer ein Denkmal setzt

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Reithofer kennt keine Tabus – und fährt gut damit

Bei den Antrieben ist die BMW-Spitze um Reithofer konsequenter vorgegangen als jeder Wettbewerber. Lange galt der Reihensechszylinder als der BMW-Motor schlechthin. Diese Motoren, für ihren seidenweichen Lauf berühmt, passen aber nicht in das Downsizing-Konzept – für BMW-Romantiker ist in Reithofers Konzern kein Platz.

Saugmotoren sind längst aus dem Programm geflogen, in den meisten Modellen kommen Turbo-Vierzylinder zum Einsatz. Im Mini und der 1er-Baureihe läuft neuerdings ein 1,5-Liter-Dreizylinder. Immerhin in den großen Modellen hat der Reihensechser noch überlebt – wenn auch mit Turbolader.

BMWs Super-Hybrid-Sportler i8 im Detail
Im September 2013 stellte BMW den i8 auf der IAA vor. BMW-Chef Norbert Reithofer präsentierte dort das grüne Vorzeigemodell, mit dem Smog und Großstadtlärm der Vergangenheit angehören sollen. Im April hat BMW mit der Serienproduktion begonnen und im Juni 2014 rollen die neuen Elektroautos zum Händler. Vorbestellungen nimmt der Autobauer bereits seit Herbst 2013 entgegen. Schon jetzt sei absehbar, dass die Nachfrage in der Anlaufphase die Produktion deutlich übersteigen wird. Ein guter Grund, einmal zu schauen, was der Neue aus München so drauf hat. Quelle: Presse
Das Plug-in-Hybrid-System des i8 setzt sich aus einem Dreizylinder-Ottomotor mit einer Höchstleistung von 170 Kilowatt (231 PS) und einem maximalen Drehmoment von 320 Newtonmetern sowie einem Hybrid-Synchron-Elektromotor mit einer Höchstleistung von 96 Kilowatt (131 PS) und einem maximalen Drehmoment von 250 Newtonmetern zusammen. Quelle: Presse
Zur eDrive-Technologie gehört außerdem ein Lithium-Ionen-Hochvoltspeicher mit 5,2 Kilowattstunden und ein intelligentes Energiemanagement mit einer Gesamtleistung von 266 Kilowatt (362 PS). Quelle: Presse
Der Aufladevorgang der Batterie dauert zwischen zwei und drei Stunden. Die Lithium-Ionen-Batterie kann sowohl an einer ganz gewöhnlichen Steckdose als auch an speziellen Ladestationen für Elektroautos aufgeladen werden. Dazu gehört neben der öffentlichen Ladestation an Tankstellen auch die BMW i Wallbox. Quelle: Presse
Der i8 beschleunigt dank seines Antriebskonzeptes "eDrive" in 4,4 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer. Dabei verbraucht er im Durchschnitt nur 2,1 Liter Super pro 100 Kilometer. Im Berufsverkehr verbraucht der Wagen bei vollständig geladener Batterie weniger als fünf Liter Sprit. Quelle: Presse
Wer nicht nur innerhalb der Stadt, sondern auch auf Landstraßen und Autobahnen unterwegs ist, verbraucht immer noch weniger als sieben Liter Sprit auf 100 Kilometern. Und auch auf längeren Strecken mit höherer Geschwindigkeit sind immer noch weniger als acht Liter Verbrauch drin. Damit fallen die Verbrauchswerte des Plug-in-Hybrid-Modells insgesamt um rund 50 Prozent niedriger aus als bei herkömmlich angetriebenen Sportfahrzeugen. Quelle: Presse
Darüber hinaus verbraucht der i8 auf 100 Kilometern durchschnittlich 11,9 Kilowattstunden Strom und kommt auf eine CO2-Emission von 49 Gramm pro Kilometer. Quelle: Presse

Dass Reithofer in seinem Streben nach neuen Kunden und sparsameren Autos keine Tabus kennt, hat er spätestens mit dem 2er Active Tourer bewiesen. Erstens: es ist ein Van. Zweitens: er hat den bereits erwähnten Dreizylinder. Drittens: der Wagen hat Frontantrieb. Für einen Autobauer, der wie keine andere deutsche Marke für den Heckantrieb steht und sich die "Freude am Fahren" auf die Fahnen geschrieben hat, kam das einer Zäsur gleich.

Doch Reithofer ließ durchblicken: Er glaubt an das Konzept, auch die kommende Generation des Kompaktmodells 1er soll auf der Frontantriebs-Plattform aufbauen. Die ersten Zahlen untermauern Reithofers Kurs: In drei Monaten konnte BMW über 13.000 Vans verkaufen. Nicht das Niveau der 3er-Baureihe, aber auch kein Flop.

BMW i3 bleibt eine Wette auf die Zukunft

Zu seinen mutigsten Entscheidungen gehörte zweifellos der Bau der Elektro-Modelle i3 und i8. Nicht nur, dass BMW als erster eine eigene Elektro-Auto-Linie aus dem Boden stampfte. Reithofer brachte damit auch Carbon als neuen Leichtbau-Stoff in Serie. Dafür waren horrende Investitionen notwendig, die das Ergebnis belasteten.

Reithofer ließ sich davon nicht schrecken: "Wir bereiten damit den nächsten Wachstumsschritt vor und stärken die Zukunftsfähigkeit", sagt er. Wer die Mobilität von morgen bestimmen wolle, müsse heute in Vorleistung gehen. "Für diese Fahrzeuge braucht man einen langen Atem, mindestens zehn Jahre. Und wir brauchen den i3 auch, um die CO2-Ziele der EU-Kommission zu erreichen."

Bisher hat BMW über 16.000 Stück des Elektro-Flitzers i3 verkauft. Vom Supersportwagen i8 wurden rund 1700 Modelle ausgeliefert. Derzeit warten i3-Käufer drei bis vier Monate auf ihr Fahrzeug, i8-Kunden sogar bis zu acht.

Ob sich die riskante Carbon-und Elektro-Strategie letztendlich auszahlt? Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh. Der neue Chef Harald Krüger, wie Reithofer zuvor Produktionsvorstand bei BMW, übernimmt mit der i-Familie eine Wette auf die Zukunft. Aber immerhin: BMW wagt, und wartet nicht einfach nur ab.

Das sind die innovativsten Autostandorte der Welt
BMW drückt beim Ausbau seines weltweiten Produktionsnetzwerks aufs Tempo. Laut einem Bericht des "Handelsblatt " prüft der Konzern intensiv den Bau eines zweiten großen Werks in Übersee, der Favorit soll Mexiko sein. Gebaut werden sollen dort die Kompakten der Einser- und Dreier-Reihe sowie der Mini. Der neue Standort würde BMW mindestens eine Milliarde Dollar kosten, berichtet das Blatt weiter. Mit einem Ausbau in Startanburg und dem angedachten neuen Werk wolle BMW sein Produktionsvolumen in Amerika auf mehr als 600.000 Autos pro Jahr verdoppeln.Ein Blick auf die innovativsten Auto-Standorte der Welt: Quelle: AP
Russland"Wie wettbewerbsfähig sind Ihrer Meinung nach folgende Automobilstandorte hinsichtlich ihrer Innovationskraft?", lautete eine der Fragen, die die Berater von Ernst & Young den Managern von 300 Unternehmen aus der europäischen Automobilbranche stellten. Im Falle Russlands antworteten sieben Prozent mit "sehr wettbewerbsfähig", 24 Prozent sagten "wettbewerbsfähig". Quelle: dpa-tmn
FrankreichFrankreich gehört nach wie vor zu den bedeutendsten Automobilstandorte der Welt. Allerdings hat das Land sehr unter der Absatzkrise auf dem europäischen Automarkt gelitten. Das zeigt sich in den Bewertungen der Europäischen Automanager: In den Bereichen Innovationskraft, Produktqualität und Produktivität verlor Frankreich als Standort zwischen sieben und 21 Prozentpunkten. 34 Prozent der Befragten halten Frankreich in puncto Innovation für wettbewerbsfähig beziehungsweise sehr wettbewerbsfähig. Das reicht für Platz neun. Quelle: AP
Schweden43 Prozent der Manager aus der Automobilbranche halten Schweden als Automobilstandort für wettbewerbsfähig bis sehr wettbewerbsfähig, was die Innovationskraft anbelangt. Besser schneiden die skandinavischen Autobauer bei der Qualität ihrer Produkte ab: 2013 landet Schweden auf dem dritten Platz des Produktqualitäts-Rankings. Quelle: dpa
IndienIn Indien haben derzeit 14 Automobilhersteller ihren Hauptsitz, darunter Ashok Leyland, Bajaj Auto oder Tata Motors. Tata Motors ist der größte Automobilhersteller Indiens. Was die Wettbewerbsfähigkeit des Landes in puncto Produktionskosten angeht, belegt Indien sogar den zweiten Platz. Nur bei der Innovation sind die befragten Manager skeptischer. Da reicht es nur für Platz sieben. Quelle: obs
BrasilienBrasilien ist der viertgrößte Autoproduzent der Welt. Doch nur zehn Prozent der Automobilhersteller halten den Standort für "sehr wettbewerbsfähig", 39 Prozent schätzen das Land immerhin als wettbewerbsfähig ein, was die Innovationsfähigkeit anbelangt. Quelle: dpa
USA56 Prozent der Automanager sind der Meinung, dass die Vereinigten Staaten als Automobilstandort 2013 in Sachen Produktqualität wettbewerbsfähig sind. 13 Prozent schätzen den Standort als "sehr wettbewerbsfähig" ein. Im Vergleich zu 2011 entspricht das einem Zuwachs von sieben Prozent. Damals hielten etwas weniger als die Hälfte der Automanager die USA für einen wettbewerbsfähigen Standort in der Kategorie Innovationskraft. Quelle: AP

Bei seinen Aufgaben kann Krüger auf den Rat seines Vorgängers zählen – als Aufsichtsrat wird Reithofer weiter Einfluss auf den Kurs von BMW haben. Der Wechsel dürfte reibungslos über die Bühne gehen. Öffentlichen Streit oder Skandale gab es in der Ära Reithofer nicht. Der Manager genießt hohes Ansehen und gilt auch intern als uneitel. Das Scheinwerferlicht meidet er soweit wie möglich. Das schätzt nicht nur die Eigentümerfamilie Quandt, sondern auch die Arbeitnehmervertreter.

Seit Reithofer BMW von Rekord zu Rekord geführt hat, schmücken den studierten Maschinenbauer auch zahlreiche Titel und Ehrungen. Unter anderem bekam er 2010 den Bayerischen Verdienstorden, 2011 die Ehrendoktorwürde der TU München, wurde im selben Jahr zum Manager des Jahres gewählt und bekam 2012 das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion überreicht.

Über den Menschen Reithofer ist dagegen wenig bekannt. "Was machen Sie denn ab Mai mit Ihrer Freizeit?" will eine Journalistin wissen. "Das weiß ich noch gar nicht", entgegnet Reithofer. Man glaubt es dem 58-Jährigen aufs Wort.

Golf? "Ich spiele kein Golf". Vielleicht Segeln? Reithofer bleibt stumm. Er weiß es nicht. Und wirkt tatsächlich wie jemand, der es noch gar nicht fassen kann, dass er fortan nicht mehr von sechs Uhr morgens bis spät in die Nacht mit Haut und Haar im Dienste seines Arbeitgebers steht. "Ich war jetzt 15 Jahre Vorstand. Da führt es durchaus zu einem positiven Gefühl, wenn einem jetzt mehr Freiheit zur Verfügung steht", sagt er nur – und strahlt.

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