Britische Nobelmarken Der fast unheimliche Erfolg von Jaguar Land Rover

Vor einigen Jahren fast pleite, heute der einzige Herausforderer von Audi, BMW und Mercedes: Jaguar Land Rover ist derzeit eine Erfolgsgeschichte. Zwei neue Modelle sollen das nächste Kapitel einleiten.

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Das Autohaus Gilincke in Frankfurt: Vorbild für weitere Händler von Jaguar und Land Rover unter einem Dach. Quelle: Jaguar Land Rover

Sanft schimmert die anthrazitgraue Fassade im Sonnenlicht, große Fensterflächen geben den Blick auf das hell gestaltete Innere frei. In einer Ecke stehen beige Ledersofas, der ganze Raum ist in warmes Licht getaucht.

Wer bei dieser Beschreibung an eine Kaffeebar oder Cocktail Lounge denkt, liegt falsch. So sieht die Zukunft eines Autohauses aus – zumindest wenn es nach Jaguar Land Rover geht.

Dieses besondere Autohaus liegt an der Hanauer Landstraße in Frankfurt – und es soll kein Einzelfall bleiben: Mit dem neuen Erscheinungsbild namens „Arch“ (englisch für „Bogen“) werden künftig alle Jaguar-Land-Rover-Händler auftreten. Die neue Corporate Identity soll den Bogen spannen, zwischen den Showrooms der beiden gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Marken.

Jaguar Land Rover in Zahlen

„Weg mit dem Staub und den Chesterfield-Sofas – die Zeit ist vorbei“, sagt Deutschland-Chef Peter Modelhart. Sprich: Wer moderne und hochwertige Autos an die solvente Kundschaft bringen will, braucht auch die dazu passenden Autohäuser.

Doch selbst mit Staub und Chesterfield erlebten die britischen Nobelmarken in den vergangenen Jahren einen Kundenansturm. Weltweit stiegen die Zulassungszahlen im ersten Halbjahr um 14 Prozent auf über 240.000 Fahrzeuge. In Deutschland legte Jaguar mit 2.600 Einheiten in den ersten sechs Monaten um 16,8 Prozent zu, Land Rover verbuchte mit 9.074 Verkäufen ein Plus von 16,2 Prozent.

Zwei neue Modelle in einer Woche

Der Sturm auf die Händler von Jaguar und Land Rover dürfte weiter anhalten. Denn in diesen Tagen feiern zwei neue Einstiegsmodelle Premiere: In der Nacht zum Mittwoch hat Land Rover bei einer Online-Präsentation das virtuelle Tuch des neuen Discovery Sport entfernt. Am kommenden Montag folgt die Jaguar-Mittelklasse-Limousine XE.

Beide Fahrzeuge sollen neue Kundenkreise für das Unternehmen erschließen. Glaubt man den Prognosen von IHS Automotive, könnten sich die kleineren Modelle lohnen: Bis zum Jahr 2020 sagt das Analysehaus eine konstant steigende Nachfrage für Premium-Autos in der ohnehin absatzstarken Mittelklasse voraus – egal ob klassische Limousine oder modischer SUV.

Mit viel Nutzwert zum Erfolg
VW Tiguan, Audi Q5, BMW X3, Mercedes GLK, Ford Kuga, Jeep Compass und so weiter: Die Liste an Kompakt-SUVs liese sich beliebig fortsetzen, egal ob bei preisgünstigeren Vertretern wie dem Hyundai iX35 oder Premium-Modellen wie dem Porsche Macan. Auch Land Rover hat mit dem Evoque bereits in Modell in dem umkämpften Segment im Angebot. Jetzt kommt ein zweites hinzu – der Land Rover Discovery Sport. Quelle: Land Rover
Der Discovery Sport folgt auf den Freelander, der nicht mehr angeboten wird. Die Aufteilung zwischen Evoque und dem Neuzugang: Die Lifestyle-Kundschaft aus den Großstädten, die das schicke Design und die hohe Sitzposition schätzt, soll zum Evoque greifen. Wer hingegen ein vielseitigeres Auto mit mehr Platz und besseren Geländefähigkeiten braucht, ist im Kalkül der Marketing-Strategen beim Discovery Sport richtig aufgehoben. Quelle: Land Rover
Von der Konkurrenz soll sich der Discovery Sport in Sachen Geländegängigkeit absetzen. Deswegen läuft er auch unter der Marke Land Rover und nicht wie der modische Evoque als Range Rover. Nicht nur die höhere Bodenfreiheit, sondern auch die großen Böschungs- und Rampenwinkel machen ihn zum Offroader unter den SUVs. Zudem schafft kein anderes Modell dieser Klasse die Wattiefe von 60 Zentimetern. Beim Antrieb hat der Kunde die Wahl: Land Rover beitet neben dem preiswerteren Frontantrieb auch einen permanenten Allradantrieb sowie eine innovative „Active Driveline“-Lösung an. Quelle: Land Rover
Eine gewissen Ähnlichkeit zum Evoque kann man dem Discovery Sport nicht absprechen. Die wuchtige Front mit den schmalen Scheinwerfern erinnern an das Schwestermodell, mit dem sich der Neue aber nur die Motoren teilt. Quelle: Land Rover
Erst in der Seitenansicht wird der Unterschied Discovery Sport/Evoque klar: Während Letztgenannter deutlich flacher ist und nur über sehr schmale Seitenfenster verfügt, ist der Neue höher – was eine Besonderheit des neuen Modells ermöglicht. Quelle: Land Rover
Als einziges Fahrzeug seiner Klasse finden im Discovery Sport bis zu sieben Personen Platz. Land Rover ist allerdings so ehrlich, nicht von einem Siebensitzer, sondern nur von 5+2 Plätzen zu sprechen. Anders lassen sich auch die Notsitze links im Bild nicht beschreiben. Wer wirklich häufiger zu siebt unterwegs ist, muss weiterhin zum großen Discovery greifen, in dem auch in der dritten Sitzreihe Erwachsene bequem Platz haben. Quelle: Land Rover
Nicht neu, aber dennoch praktisch: Auch in der zweiten Reihe lassen sich die Sitze nach vorn und hinten verschieben, sowie die Lehne in der Neigung anpassen. Quelle: Land Rover

Der Discovery Sport löst den Freelander ab, der bislang aus der Baureihen-Gliederung bei Land Rover herausragte. In der neuen Produktstruktur fallen alle Range Rover in die Kategorie „Luxus“, auch der kleine Evoque. Den Bereich „Offroad“ deckt der Defender ab. Und die Discovery-Linie, die weiter ausgebaut werden soll, steht im Land Rover-Prospekt für Familie, Freizeit und Vielseitigkeit.

Beim XE, der gegen Mercedes C-Klasse, BMW 3er und Audi A4 antreten soll, gab es im Jaguar-Prospekt unterhalb des größeren XF kein passendes Modell. Es ist nicht der erste Vorstoß der Briten in die Mittelklasse: 2001 brachte Jaguar unter der Regie des damaligen Eigentümers Ford den X-Type auf den Markt. Dieser teilte sich die Plattform mit dem Ford Mondeo – war aber trotz zahlreicher eigener Bauteile als plumpe Kopie eines Mondeos verschrien.

Richtige Wachstumsstrategie

Dementsprechend floppte auch der X-Type am Markt, in acht Jahren Bauzeit wurden rund 350.000 Fahrzeuge gebaut. Mit genauen Erwartungen an den XE hält sich Jaguar öffentlich zurück. Nur so viel: Man erhofft sich vom XE ein „höheres Volumen als alle anderen Modelle“. Und das waren 2013 immerhin 76.668 Stück.

Frank Schwope von der NordLB hält die Strategie, die Marken nach unten zu öffnen, für richtig. „Durch die niedrigeren Preise der kleineren Modelle erreichen die Autobauer einen deutlich größeren Käuferkreis,“ sagt der Branchenanalyst. „Premium ist nicht eine Frage der Größe eines Autos, sondern des Images, der Ausstattung und des Marketings.“

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