Bus-Unglück in Bayern Willkür beim Bremsmanöver

Der Gesetzgeber hat schon vor zwei Jahren die Sicherheit für automatische Abbremssysteme bei Reisebussen erhöht. Die Umsetzung hängt aber vom Wohlwollen der einzelnen Busunternehmen ab.

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Das Buswrack des verunglückten Reisebusses auf der Autobahn 9 bei Münchberg. Quelle: dpa

Die Schreckensbilder des ausgebrannten Buses auf der A9 nahe Münchberg werden Busreisende noch lange verfolgen. Am Montag war der Reisebus nach einem Auffahrunfall in Flammen aufgegangen. 18 Menschen starben bei dem Unglück. 30 Insassen wurden verletzt.

Mehr Komfort und Sicherheit für den Reisebus
Mercedes-Benz Tourismo Quelle: Daimler
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So tragisch der Unfall ist, sind Todesopfer bei Busunfällen in Deutschland rein statistisch betrachtet doch relativ selten. Laut Statistischen Bundesamt kamen 2011, 2012 und 2015 je eine Person bei Unfällen in Reisebussen ums Leben. Doch die Statistik kennt auch markante Ausschläge: So starben 2010 etwa 22 Menschen bei Unfällen in Reisebussen, im Jahr 2007 waren es 18.

Bereits vor zwei Jahren sollte eine EU-Richtlinie die Sicherheit in Lkw und Reisebussen verbessern. Seit November 2015 müssen sämtliche Busse für mehr als acht Personen mit einem Notbremsassistenten ausgestattet sein. Dieser soll die Geschwindigkeit des Fahrzeugs automatisch um 10 km/h zügeln, wenn der Bus in Kollisionsgefahr mit dem Vorderfahrzeug gerät. Ab November 2018 sollen die Lkw durch das automatische System sogar um 20 km/h eingebremst werden. Das System hat nur einen Haken: Bis wann die Busflotten umgerüstet sein müssen, ist nicht festgeschrieben.

„Anfang 2017 lag das Durchschnittsalter von Bussen bei 8,7 Jahren“, rechnet der ADAC vor und weist darauf hin, dass Busunternehmen ihre angestammten Fuhrparks für gewöhnlich so lange wie möglich nutzen. Ob und wie viele Reisebusunternehmen ihre Flotte auf das Abbremssystem umgestellt haben, weiß niemand so genau. Auch beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer gibt es dazu keine Zahlen. Die Verantwortung für die technischen Bremsassistenzsysteme sieht der Verband ohnehin nicht bei den Busunternehmern. „Der Busunternehmer muss sich bei den technischen Fragen auf den Hersteller des Busses verlassen können“, heißt es vom Verband.

Der Kunde hat bei dem Kompetenz-Wirrwarr das Nachsehen. Denn ob ein Reisebus mit dem vorgeschriebenen Abbremssystem ausgestattet ist, ist für Kunden nicht ersichtlich. Wie sicher die Busse tatsächlich sind, hängt daher ganz vom Wohlwollen der jeweiligen Busbetreiber ab.

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Flixbus, das mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent den Markt für Fernbusse dominiert, verspricht mit seinen Sicherheitsbestimmungen über den gesetzlichen Rahmen hinaus zu gehen. So teilte das Unternehmen auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit, dass „auf Nachtlinien bei Flixbus ausschließlich Fahrzeuge mit Notbrems- sowie Aufmerksamkeitsassistent eingesetzt“ werden. In wie vielen Bussen der mehr als 1000 Fahrzeuge umfassenden Flotte das Notbremssystem auch tagsüber zum Einsatz kommt, konnte Flixbus nicht beantworten. Dazu bedürfe es laut Flixbus einer bis zu dreitägigen Recherche.

Dass die Sicherheit der Insassen davon abhängt, wann ein Busunternehmen seinen Fuhrpark austauscht, bleibt wohl eine klaffende Lücke bei dem vorgeschrieben Bremsassistenzsystem. Doch auch die dahinterstehende Technik gibt Kritikern Anlass zur Sorge. So kritisiert der ADAC die Abbremsung um 10 km/h bzw. um 20 km/h als „zu gering“. „Wir wissen aus unseren Tests, dass Lkw und Busse sich durch automatische Systeme viel stärker und effektiver abbremsen lassen“, heißt es vom ADAC: „Nun ist der Gesetzgeber gefragt.“

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