Der letzte Termin ist vorbei, nur noch die Fahrt von Köln zurück nach Frankfurt steht dem Feierabend im Weg. Die A3 ist frei, sagt der Verkehrsfunk. Tatsächlich läuft bis Montabaur alles ohne Probleme. Doch kurz hinter Limburg kommt alles zum Erliegen. Unfall, Vollsperrung, nichts geht mehr.
Hatte der Verkehrsfunk nicht von freier Fahrt gesprochen? Hatte er, doch er stammte von WDR und SWR. Der Stau in Hessen war ihm aber nicht bekannt. Staus sind nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer. Laut dem Marktforschungsinstitut Frost & Sullivan summieren sich die Kosten für Staus alleine in Deutschland auf 17 Milliarden Euro pro Jahr, etwa in Form verlorener Arbeitszeit.
Mit einem vernetzten Auto wäre das nicht passiert. Das Internet liefert auch über Landesgrenzen hinweg seine Daten. Sobald ein Fahrzeug auf der Autobahn zum Stillstand kommt, funkt der Wagen seinen Standort an einen Server, der die Warnung dann in die Navis anderer Autos in der Nähe schickt.
Was nach Zukunftsmusik klingt, ist bei einigen Herstellern bereits Realität. „Alle BMWs haben eine integrierte SIM-Karte, über die wir auch Real-Time-Traffic-Informationen anbieten“, sagt Elmar Frickenstein, Leiter der Elektrik- und Elektronikentwicklung bei BMW. „Wir haben heute über zwei Millionen Fahrzeuge vernetzt, deren Stau-Informationen auf einem BMW-Backend landen.“ Der Haken: Bislang teilt das BMW-System seine Daten auch nur mit Autos des Münchner Herstellers.
Dass die Autos untereinander und mit der Infrastruktur vernetzt werden, gilt in der Branche als absolut notwendig. „Die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger wird entscheidend sein, ob wir im Stau ersticken oder nicht“, sagt Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie auf dem CarIT-Kongress in Hannover. „Das Internet und eine echtzeitbasierte Verkehrssteuerung wird ein Muss.“
Sprechende Autos sind das eine, sprechende Ampeln das andere
Autos, die sich gegenseitig vor Staus warnen. Baustellen, die nicht nur per Schild, sondern auch per Anzeige im Cockpit auf sich aufmerksam machen. Ampeln, die ihre Grünphasen ins Auto funken und die optimale Geschwindigkeit für die Grüne Welle anzeigen. „Die Online-Warnung vor Staus zeitnah ins Auto zu bekommen, ist heute umgesetzt und wird in der Zukunft durch weitere Funktionen erweitert“, sagt Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg.
Eine mögliche Liste mit Daten aus dem Auto
Identifikationsdaten des Fahrzeugs und der Hardware – etwa Codierung in Prozessoren oder Chips, Softwarelizenzen, Computerzugänge für Updates oder Wartung.
Kommunikations- und Logdaten wie IP-Nummer oder Mobilfunknummer.
Das ist nicht nur das Einloggen in den Bordcomputer des Autos. Das Fahrzeug loggt sich in das Mobilfunknetz ein und greift auf die unterschiedlichsten Cloud- oder Rechenzentrumsanwendungen verschiedener Hersteller zu. Die Identifikation ist beispielsweise über Passwort, Kreditkarte, Augenscan oder Fingerabdruck möglich.
Der Bordcomputer sammelt diese Daten von den Sensoren oder Messgeräten im Fahrzeug. Sie geben den Leasingbanken oder den Werkstätten detailliert Auskunft über Zustand, Wartung und Wert des jeweiligen Fahrzeugs.
Das sind beispielsweise Bewegungsdaten, die über GPS und Kartendienste gesammelt werden. Der Weg eines Fahrzeugs führt über Berge oder durch die Stadt. Die Anwendungen in den Rechenzentren kalkulieren besondere Risiken durch Abnutzung, Diebstahl, Steinschlag ...
Wo ist die Person momentan unterwegs, wie ist der Fahrstil? Ergänzung und Update des Datenbestandes mit den Daten der aktuellen Fahrt.
Das Mobiltelefon ist als Schnittstelle an den Bordcomputer angeschlossen. Es liefert Logdateien an den Mobilfunkanbieter, Verbindungsdaten und Daten für die Datenübertragung und Telefongespräche. Die Datensätze zeigen Dauer und Umfang des Downloads, Gesprächsdauer und Ort des Gespräches.
Die Anwendungen sammeln Daten über den Zustand der Leasingflotte, den Wert jedes einzelnen Fahrzeugs, dessen Abnutzung, und berechnen einen Blick in die Zukunft. Wie sehr wird das Fahrzeug vom derzeitigen Halter beansprucht und wie hoch ist der Wertverfall bis zum Ablauf des Leasingvertrages?
Gleichgültig ob der Fahrer chattet, telefoniert, Bilder postet oder Geschäftskontakte recherchiert, die sozialen Netzwerke halten den Kontakt und schicken Bilder, Werbung und Text direkt ins Auto.
Das Fahrzeug überträgt ständig Positionsdaten und erhält Daten beispielsweise über die anderen Fahrzeuge auf einer Straße zurück.
Die Anbieter von Unternehmenssoftware haben ihre Anwendungen für mobile Geräte erweitert. Autofahrer können über ihre Bordcomputer oder Smartphones auf Dokumente, Datensätze, Mails, Chats und Listen zugreifen und sie in das Fahrzeug übertragen.
Entlang der gefahrenen Strecke erhält der Mobildienstleister die Verbindungsdaten mit dem Mobilfunknetz.
Beim Laden identifizieren sich die Elektrofahrzeuge gegenüber dem ausgewählten Stromlieferanten für die Abrechnung – beispielsweise über die Telefonrechnung oder die Kreditkarte.
Ein kleiner Datensatz, der die Rettungskräfte über einen Unfall sofort informiert (ab 2015 wohl Pflicht in Neuwagen). Der Datensatz ist bei Autoherstellern und Versicherungen sehr begehrt. Derjenige, der den Datensatz als Erster bekommt, bestimmt das Geschäft mit Reparatur, Werkstätten und Unfallwagen.
Doch diese sogenannte Car-to-X-Kommunikation, wenn Autos mit der Infrastruktur Daten austauschen, hat einen Haken: Sie ist deutlich teurer als die Car-to-Car-Kommunikation, da die entsprechende Technik in Straßen, Brücken oder Ampeln erst eingebaut werden muss. „Eine Konnektivität mit der Infrastruktur ist um Klassen schwieriger als eine Car-to-Car-Kommunikation, weil irgendjemand die Kosten tragen muss“, sagt Elmar Frickenstein.
Deshalb wird es noch einige Jahre dauern, bevor sich das Auto mit den Verkehrsservern der Städte über Ampelphasen oder mit Brücken über starken Seitenwind austauscht. Davor wird es mit einem der inzwischen meistgenutzten Alltagsgegenständen vernetzt: dem Smartphone.
Die sogenannte Car Connectivity ist allerdings nicht aus den Hirngespinsten der Autobauer entstanden, unbedingt etwas Neues bieten zu wollen. „Nicht nur die Generation der Digital Natives ist es gewohnt, rund um die Uhr vernetzt zu sein“, sagt Andreas Bertsch von der Unternehmensberatung Iskander. „Der Bedarf, auch während der Fahrt zu Kommunikations-, Informations- oder Entertainmentzwecken verbunden zu sein, wird auf breiter Basis formuliert.“ Nahezu jeder will online sein, jederzeit.