„Ein Meilenstein für die Produktion in China“: Mit diesen Worten eröffnete BMW-Vorstand Oliver Zipse Anfang des Jahres das neue Motorenwerk im Nordosten Chinas.
Doch das Konfetti konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zukunft für den Autobauer in China schwieriger werden könnte. Schon im vergangenen Jahr wuchs BMW nur um 1,7 Prozent. Zwar konnte der Autobauer absolut rund 493.000 Autos in China verkaufen. „Das war aber natürlich unter unserer Planung“, sagt Olaf Kastner, Leiter für die Vertriebsregion China.
Entsprechend bedeckt hielt sich die Führungsriege auch bei ihren Prognosen für das kommende Jahr: zwischen einem und zehn Prozent peile man an. Genauer wollte BMW sich in Shenyang nicht festlegen.
Nicht nur für BMW ist das Pläneschmieden in China schwieriger geworden. Durch die sich abkühlende chinesische Wirtschaft und die sinkende Nachfrage kämpfen auch andere Autobauer mit wachsender Unsicherheit. Volkswagen setzte 2015 rund 3,4 Prozent weniger Autos ab als im Vorjahr, Audis Auto-Absatz schrumpfte um 1,4 Prozent. Die zu BMW gehörende Luxusmarke Rolls-Royce brach sogar um über 54 Prozent ein.
Lediglich Daimler konnte zulegen. Die Verkaufszahlen von Mercedes und Smart-Autos stiegen um satte 33 Prozent auf insgesamt 373.000 Autos. Während der Volkswagen-Konzern bereits seit Ende der 1970er Jahre in China aktiv ist und fünf Autowerke sowie sechs Komponenten-Werke an elf Standorten in China hat, ist Daimler erst seit Mitte der 2000er Jahre in China.
Chinas Automarkt wächst langsamer – aber er wächst
Vor allem mit dem Smart konnte das Unternehmen junge chinesische Autokäufer für sich gewinnen. Diese interessieren sich zunehmend für Fragen der Nachhaltigkeit. Dementsprechend positiv wurde auch die Kooperation zwischen Daimler und Tencent aufgenommen, dem Betreiberunternehmen des chinesischen Nachrichtenmessengers WeChat. Rund 10.000 Mitarbeiter des Unternehmens können in einem Pilotprojekt seit 2014 in Shenzhen die Flotte von car2share nutzen, dem chinesischen Ableger von car2go.
US-Absatz deutscher Hersteller 2000-2025
Audi: 80.372 Einheiten, Marktanteil 0,5 Prozent
BMW: 189.424 Einheiten, Marktanteil 1,1 Prozent
Mercedes: 205.615 Einheiten, Marktanteil 1,2 Prozent
Porsche: 22.926 Einheiten, Marktanteil 0,1 Prozent
Volkswagen: 355.479 Einheiten, Marktanteil 2,1 Prozent
Audi: 90.116 Einheiten, Marktanteil 0,5 Prozent
BMW: 266.200 Einheiten, Marktanteil 1,6 Prozent
Mercedes: 224.257 Einheiten, Marktanteil 1,3 Prozent
Porsche: 31.934 Einheiten, Marktanteil 0,2 Prozent
Volkswagen: 224.195 Einheiten, Marktanteil 1,3 Prozent
Audi: 101.594 Einheiten, Marktanteil 0,9 Prozent
BMW: 219.121 Einheiten, Marktanteil 1,9 Prozent
Mercedes: 224.939 Einheiten, Marktanteil 1,9 Prozent
Porsche: 25.322 Einheiten, Marktanteil 0,2 Prozent
Volkswagen: 256.831 Einheiten, Marktanteil 2,2 Prozent
Audi: 180.372 Einheiten, Marktanteil 0,5 Prozent
BMW: 357.967 Einheiten, Marktanteil 2,1 Prozent
Mercedes: 381.279 Einheiten, Marktanteil 2,3 Prozent
Porsche: 55.457 Einheiten, Marktanteil 0,3 Prozent
Volkswagen: 373.756 Einheiten, Marktanteil 2,2 Prozent
Quelle: IHS Global
Audi: 242.466 Einheiten, Marktanteil 1,4 Prozent
BMW: 372.418 Einheiten, Marktanteil 2,2 Prozent
Mercedes: 406.387 Einheiten, Marktanteil 2,4 Prozent
Porsche: 62.417 Einheiten, Marktanteil 0,4 Prozent
Volkswagen: 572.524 Einheiten, Marktanteil 3,4 Prozent
Quelle: IHS Global
Audi: 244.833 Einheiten, Marktanteil 1,5 Prozent
BMW: 359.314 Einheiten, Marktanteil 2,1 Prozent
Mercedes: 392.827 Einheiten, Marktanteil 2,3 Prozent
Porsche: 51.421 Einheiten, Marktanteil 0,3 Prozent
Volkswagen: 603.310 Einheiten, Marktanteil 3,6 Prozent
Quelle: IHS Global
Insgesamt rechnet die Beratungsfirma JSC Automotive durchschnittlich mit einer Zunahme der Verkäufe von fünf Prozent in China. „Der Markt wird sich von einem Markt mit starkem Wachstum und hohen Margen zu einem mit stark sinkenden Margen entwickeln“, prognostiziert Geschäftsführer Jochen Siebert. Dabei ist im vergangenen Jahr vor allem die Nachfrage nach SUV-Modellen gestiegen. Mit 30 Prozent Marktanteil ist nahezu jedes dritte neuzugelassene Fahrzeug in China mittlerweile ein SUV. 2015 stiegen die Verkäufe der Modelle um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahlen erklärten vor allem das schlechte Ergebnis von Volkswagen – das die chinesischen Verbraucher nicht mit seinen SUV-Modellen überzeugen konnte.
Auch der chinesische Autohersteller Renault steigt nun mit seinem Joint Venture Dongfeng Renault Automotive Company dieses Jahr genau über diesen Weg im Markt ein. Das SUV-Modell Renault Kadjar soll Türöffner für das Unternehmen werden, in wenigen Monaten will das Unternehmen ein weiteres SUV vorstellen. Produziert wird der Wagen im neu eröffneten Werk in Wuhan, in dem langfristig bis zu 300.000 Autos pro Jahr vom Band laufen sollen.
Neuer Standort reduziert Kosten
Mit der Verlagerung seiner Motorproduktion nach China hat BMW trotz der vergleichbar schlechten Wachstumszahlen trotzdem grundsätzlich einen Schritt in die richtige Richtung getan. Durch den Standort in Shenyang reduzieren sich die Kosten für die Logistik, vor allem aber sinkt das Währungsrisiko. Die Preise des chinesischen Markts gleichen sich immer stärker an das europäische Level an.
„Durch die Abwertung des Yuans ist es besser, wenn BMW die Autos komplett in China produziert und keine Teile aus Europa beziehen muss“, sagt Siebert. 61 Prozent seiner in China verkauften Wagen produziert BMW mittlerweile vor Ort.
Fahrzeugproduktion und -absatz in China seit 2008
Produktion: 6,74 Millionen Autos und 2,56 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz: 6,76 Millionen Autos und 2,63 Millionen Nutzfahrzeuge
Quelle: Statista.de
Produktion: 10,38 Millionen Autos und 3,41 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz: 10,33 Millionen Autos und 3,31 Millionen Nutzfahrzeuge
Produktion: 13,9 Millionen Autos und 4,37 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz: 13,76 Millionen Autos und 4,3 Millionen Nutzfahrzeuge
Produktion: 14,49 Millionen Autos und 3,93 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz: 14,47 Millionen Autos und 4,03 Millionen Nutzfahrzeuge
Produktion: 15,52 Millionen Autos und 3,75 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz: 15,5 Millionen Autos und 3,81 Millionen Nutzfahrzeuge
Produktion: 18,09 Millionen Autos und 4,03 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz: 17,93 Millionen Autos und 4,06 Millionen Nutzfahrzeuge
Produktion: 19,92 Millionen Autos und 3,8 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz: 19,7 Millionen Autos und 3,79 Millionen Nutzfahrzeuge
Produktion (Januar-März): 5,31 Millionen Autos und 0,89 Millionen Nutzfahrzeuge
Absatz (Januar-März): 5,31 Millionen Autos und 0,85 Millionen Nutzfahrzeuge
In dem neuen Motorenwerk in Shenyang werden Benzinmotoren mit drei und vier Zylindern hergestellt. Diese werden an die zwei Automobilwerke des Joint-Ventures in Shenyang in China geliefert. Die Kapazität liegt derzeit bei 300.000 Motoren pro Jahr. Das neue Motorenwerk enthält auch eine Kurbelwellen-, Kurbelgehäuse- und Zylinderkopffertigung sowie eine Gießerei, wie sie BMW bisher nur im bayrischen Landshut hat. Das Werk gehört ausschließlich zu BMW, der Joint-Venture-Partner Brilliance Automotive hat keinen Zutritt zu den Hallen.
Wie viel die Anlage gekostet hat, will der deutsche Autobauer nicht verraten.
Risiken für die deutschen Autokonzerne
Neben den Standortvorteilen durch das neue Werk hofft das Unternehmen, dass dieses Jahr der Gebrauchtwagenmarkt langsam an Fahrt aufnimmt. Zulassungszahlen sind in vielen Städten wie Shanghai beschränkt. Sobald ein Fahrzeug verkauft wird, kann sich der bisherige Besitzer zwar ein neues Auto kaufen und das bisherige Nummernschild nutzen. Aber niemand will einen Gebrauchtwagen ohne Nummernschild abnehmen. Zudem liegt auf Gebrauchtwagen eine Steuer. Sollte diese abgeschafft werden und der Verkauf auch in andere Städte steigen, könnte das die Haltedauer der Autos in den Großstädten der Ostküste verkürzen und den Verkauf von Neuwagen wieder ankurbeln.
„Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die stürmischen Zeiten des Automobilwerks vorbei sind“, sagt Kastner. Was der mögliche Rückgang für die deutschen Autobauer wie Volkswagen und BMW bedeutet, hat ein exklusiver Stresstest für die WirtschaftsWoche gezeigt. Darin wird deutlich: Die hohe Abhängigkeit vom chinesischen Markt ist für einige Autobauer gefährlich, weil sie mittlerweile bis zu 40 Prozent ihrer Fahrzeuge absetzen - das macht sie entsprechend empfindlich für Konjunkturschwankungen in China.
Besonderes Sorgenkind ist dabei Volkswagen: Rund 37 Prozent der Autos verkauft VW in China. Sollte sich der Abwärtstrend der chinesischen Wirtschaft verfestigen, droht dem Unternehmen eine schwere Krise. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage ein Jahr lang drastisch um bis zu 20 Prozent, könnte das für VW teuer werden: Rund 650.000 Autos weniger würden in China produziert, 750.000 weniger weltweit verkauft. In Deutschland gefährdet das Szenario bis zu 8000 Arbeitsplätze.
Besser sieht es für BMW aus: Das Unternehmen ist in den USA und Europa stärker. Es würde 100.000 Autos weniger weltweit verkaufen und 60.000 weniger in China produzieren. Dennoch wären bis zu 1700 deutsche Arbeitsplätze bedroht.
Die Analyse zeigt: Die stürmischen Zeiten stehen den deutschen Autobauern erst noch bevor.