Wortberg räumt ein, dass es Abenteuerlust brauche, um in China etwas zu bewegen. Dafür werde man aber reich belohnt. „Bei Qoros ist das von vielen Firmen gewünschte ,Unternehmertum im Unternehmen‘ Realität“, sagt er. „Ideen werden hier sehr schnell umgesetzt, es gibt keine langen Gremiendurchläufe. Das fühlt sich unglaublich gesund an.“
Karosseriebauer Classon hatte bereits Auslandserfahrung in Europa und den USA, wo er für Ford arbeitete, zuletzt als Programmmanager für die Fertigung. Doch als er ankündigte, nach China gehen zu wollen, fragten ihn manche Kollegen, ob mit ihm etwas nicht stimme. „Aber ich wollte nicht mehr in einem reaktiven Umfeld arbeiten, in dem man bestimmt wird, anstatt etwas zu bestimmen“, sagt Classon. Für seinen Kollegen Eberl aus München war Qoros schlicht die Riesenchance. Wer schafft es im Alter von Mitte 30 schon an die Spitze eines Autodesignbüros?
Droge Innovation
Eberl, Steinwascher, Schmidt und Classon gehören bei Qoros zu einem internationalen Team mit insgesamt 138 nicht chinesischen Mitarbeitern. Davon sind 21 Deutsche. Sie bilden zusammen mit Schweden, von denen viele nach der Pleite des skandinavischen Autobauers Saab zu Qoros kamen, das größte Kontingent an Ausländern. Die Arbeitsbelastung der Zugereisten scheint enorm. Seitdem er bei Qoros sei, sagt Fahrzeugentwicklungschef Schmidt, habe er an kaum einem Tag weniger als zehn Stunden gearbeitet und zudem viele Wochenenden im Büro verbracht. „Das merke ich gar nicht“, sagt er, lacht wieder und zappelt auf seinem Stuhl.
Offenbar entfaltet die Droge, etwas Neues schaffen zu können, nicht nur auf den Ex-BMWler eine stimulierende Wirkung. „Das Team um Qoros ist hoch motiviert“, sagt Autoexperte Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Shanghai. Die meisten von ihnen hatten bereits eine beeindruckende Karriere in der Autobranche hinter sich. Sie suchten die Möglichkeiten und Freiheiten, die sie bei der Entwicklung eines neuen Autos haben. „Bei ihren ehemaligen Arbeitgebern hätten sie sich auf das Rentnerdasein vorbereiten müssen.“
Dabei verdienen die internationalen Spezialisten nicht einmal besonders viel Geld in China. Für das Qoros-Werk in Changshu sollen sie nur etwa 70 bis 80 Prozent des Budgets gehabt haben, das etablierte Autokonzerne für ein solches Projekt veranschlagen. Insgesamt standen Qoros-Vizechef Steinwascher 2,57 Milliarden US-Dollar für den Bau einer Fabrik mit einer Kapazität von maximal 150 000 Autos pro Jahr zur Verfügung, knapp ein Sechstel des Ausstoßes von VW in Wolfsburg. Erst langfristig soll die Produktion auf 450 000 Wagen pro Jahr steigen. In den 2,57 Milliarden US-Dollar sind alle wichtigen Investitionen enthalten, vom Marketing über die Produktion bis zum Vertrieb.
Geld war nicht der Grund
Für die angeheuerten Ausländer ist Geld offenbar nicht alles. Die Bezahlung sei gut, heißt es, aber auf keinen Fall exorbitant. Rechne man die vielen Heimflüge und die höheren Lebenshaltungskosten in China mit ein, hätten manche bei ihrem alten Arbeitgebern ein besseres Auskommen gehabt – so man sie gelassen hätte.
Geld, sagt Klaus Schmidt, sei auch nicht der Grund gewesen, für dieses Projekt noch einmal die Ärmel hochzukrempeln. „Bei Qoros haben Freiheit und Möglichkeiten, etwas zu gestalten, die Motivation ausgemacht.“ Ein Glücksmoment für ihn war es, als der erste Prototyp aus dem Werk fuhr. China verlassen möchte Schmidt noch nicht. Er hat noch ein paar Ideen, die er gerne umsetzen möchte.