Steinwascher und Ex-BMW-Manager Schmidt bewegen sich meist unter ihresgleichen. An ihrer Seite arbeitet so manch anderer alter Autohase. Einer von ihnen ist der ehemalige Opel- und Volkswagen-Manager Friedrich Major. Der 63-Jährige leitet die Logistik und Produktion bei Qoros und stieß als einer der Ersten zu der chinesisch-israelischen Firma. „Nach meinem letzten Projekt bei Volkswagen in Wolfsburg wollte ich mich allmählich auf den Ruhestand in Südafrika einstimmen“, sagt Major.
Doch es kam anders. Ein Bekannter aus früheren Tagen fragte ihn, ob er Lust habe, das Projekt hier mitaufzubauen. Viel überlegte Major nicht, erinnert er sich. „Ich hatte seit Langem eine große Faszination für China.“ Also zog Major 2009 nach Shanghai.
Inzwischen schwärmt der Ex-VW-Manager von der Freiheit bei dem Autobauer auf der grünen Wiese. „Unsere Organisation ist nicht starr, viele Prozesse sind flexibel und noch nicht voll standardisiert“, sagt er. „Das gibt uns großen Handlungsspielraum.“
Platz für Neues
Auch Martin Meßler, heute 59 Jahre alt, hatte eigentlich begonnen, sich aufs Altenteil einzustellen. Nach einer Karriere beim Autobauer Ford mit mehreren Auslandsstationen wollte er es ein bisschen ruhiger angehen lassen. Es kam anders, denn er leitet jetzt die Produktionstechnik bei Qoros. „Für manche Kollegen und Freunde war mein Gang nach China befremdlich“, sagt Meßler.
Der Endfünfziger bereut seinen Schritt nicht im Geringsten. „Für mich war es das Beste, was mir passieren konnte.“ Das Umfeld in Europa habe er langsam als „destruktiv“ empfunden, weil es nur noch darum gegangen sei, bestehende Prozesse kostengünstiger und effizienter zu gestalten. „Für wirklich Neues ist kein Platz mehr“, sagt er.
Die Altersgrenze, hinter der viele an dolce far niente denken, hat auch Gert Volker Hildebrand gerade überschritten. Der 60-Jährige ist der Designchef von Qoros. In seinem früheren Berufsleben war er für Opel und VW tätig und entwarf für BMW unter anderem den ersten Mini der neuen Generation, der 2001 die Wiederbelebung der britischen Kultmarke einleitete.
Gemütlich hat es der hochgewachsene Freund feiner Maßanzüge bei seinem neuen Arbeitgeber nicht. Immer wieder muss er von Shanghai nach München fliegen, wo das europäische Designzentrum des Konzerns sitzt. Ihm bleibt nur, den Jetlag zu ignorieren. „Das geht nicht anders“, sagt Hildebrand. Die meisten seiner ehemaligen Kollegen haben sich in den Ruhestand verabschiedet. „Ich wollte aber weiterarbeiten“, meint er. Das Projekt Qoros habe zwei Sorten von Leuten angezogen: alte Haudegen, die es noch einmal wissen wollten – und Pioniertypen, die das Abenteuer reizt.
Angesteckt vom "China Bug"
Zu Hildebrands jüngeren Kollegen gehören Alexander Wortberg, Philipp Eberl und Christian Classon. Wortberg, gerade mal 40 Jahre alt, leitet die Produktion von Qoros. Classon, nur vier Jahre älter, hat den Karosseriebau im Werk in Changshu, eineinhalb Autostunden nördlich von Shanghai, unter sich. Und Eberl, mit 36 Jahren der jüngste der drei, verantwortet das Qoros-Designbüro in München.
Das Trio ließ sich vom „China-Bug“ anstecken, wie Infizierte die suchtartige Faszination des Landes nennen. Produktioner Wortberg hatte sich den Virus in Shenyang in Nordostchina eingefangen, wo er zweieinhalb Jahre für BMW arbeitete. Ihn begeistert der Vorwärtsdrang der Chinesen und ihre Bereitschaft, dafür Entbehrungen in Kauf zu nehmen. „Etwas, das ich in Deutschland eigentlich nicht kenne“, sagt er. Als er seinen Kollegen und Freunden von Qoros erzählte, hätten die mit Verwunderung reagiert. „Warum willst du weg aus München? Es ist doch wunderschön hier“, hätten die gesagt.