Chinesischer Autobauer Qoros wechselt erneut den Chef aus

Chefwechsel bei Qoros: Phil Murtaugh muss nach nicht einmal einem Jahr bei dem einst als Hoffnungsträger gefeierten Autobauer gehen. Qoros will sich jetzt neu aufstellen – zum wiederholten Mal.

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Im Frühjahr 2015 wurde auf der Automesse in Genf noch der Qoros 3 City-SUV vorgestellt. Quelle: REUTERS

Die Investoren hatten sich 2007 viel vorgenommen: Mit Geld aus China und Israel sowie Know-how aus Deutschland und Europa wollten sie eine chinesische Premiummarke auf dem Automobilmarkt aufbauen, qualitativ auf dem Niveau von Volkswagen, preislich aber auf einem Niveau irgendwo zwischen Dacia und Hyundai. Sie wollten das neue Auto im ersten Schritt auf dem Heimatmarkt anbieten, es aber möglichst schnell auch in den Export bringen: 2016 war der Verkaufsstart in Deutschland geplant.

Doch das ehrgeizige Projekt Qoros Automotive brachte der Israel Corporation des Milliardärs Idan Ofer und dem Chery-Konzern ebenso wenig Glück wie den zahlreichen Managern aus Europa, die hier in den zurückliegenden acht Jahren angeheuert haben. Erst dauerte die Entwicklung des ersten Autos länger als geplant, dann verlief der Verkauf des Qoros 3 genannten Kompaktwagens trotz eines ansprechenden Designs schleppender als erwartet – statt wie geplant 35.000 Fahrzeugen wurden im abgelaufenen Jahr im Werk Changshun nördlich von Shanghai (Fertigungskapazität: 150.000 Autos pro Jahr) gerade einmal 14.000 Autos produziert.

Das waren immerhin 170 Prozent mehr als im Startjahr 2013, war aber immer noch viel zu wenig, um auf einen grünen Zweig zu kommen. Konsequenz: Ende Januar muss CEO Phil Murtaugh das Unternehmen verlassen. Der ehemalige GM-Manager hatte erst im Februar vergangenen Jahres bei Qoros das Ruder übernommen. Sein Vorgänger, der Deutsche und frühere VW-Manager Volker Steinwascher, war kurz zuvor mit 71 Jahren in den Ruhestand geschickt worden. Mit harten Worten hatte Murtaugh damals in einem Interview mit der WirtschaftsWoche die Arbeit seines Vorgängers und dessen Team kritisiert: „Sie haben die Kurve nicht gekriegt.“ Die Ingenieure hätten über der Konstruktion des Fahrzeugs und der Optimierung von technischen Details vergessen, ein Vertriebsnetz für die neue Automarke aufzubauen. Murtaugh damals: „Wir brauchen da einen Neustart.“

Ein neues Modell war nicht genug

Der Neustart gelang aber auch unter Murtaugh nicht. Denn das Grundproblem blieb: Ein zu kleines Vertriebsnetz in China – und ein zu bescheidenes Marketingbudget. Vor allem war der Nationalstolz der chinesischen Autokäufer nicht groß genug, um den Produkten von Qoros den Vorzug vor ähnlich positionierten und nur wenig teureren Fahrzeugen von Volkswagen oder anderen Marken aus dem Ausland zu geben.

„Der Aufsichtsrat dankt Herrn Murtaugh für seine Bemühungen in einer kritischen Phase der Geschäftsentwicklung“, hieß es heute in einer Mitteilung der Investoren. Qoros habe in einigen Bereichen Fortschritte gemacht, die Kosten gesenkt und mit dem Qoros 5 sogar ein neues Auto auf den Markt gebracht – aber offensichtlich war das nicht genug.

Fahrzeugproduktion und -absatz in China seit 2008

Kommissarisch wird das Geschäft nun von Aufsichtsratschef Anning Chen geführt und seinem Stellvertreter Dan Cohen. Ein neuer CEO ist jedoch nicht in Sicht. Spekuliert wird aber auch, dass sich nun die Israelis komplett aus dem Autoprojekt zurückziehen könnte, das in den zurückliegenden sieben Jahren bereits mehrere Milliarden Dollar verschlungen hat.

Qoros steht vor einer erneuten Neuausrichtung

Zumindest steht nun ein Kurswechsel an. Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, die der WirtschaftsWoche zugespielt wurden, will der Autobauer im Kerngeschäft nicht nur die Schlagzahl erhöhen und die Effizienzen steigern – womit man gemeinhin neue Sparmaßnahmen ankündigt.

Durch die Gründung von zwei neuen Divisionen soll sich Qoros zu einem Anbieter von emissionsfreien Fahrzeugen und neuen Formen von Mobilität weiterentwickeln. Die Sparte „New Energy Vehicles“ (NEV) soll sich auf die Entwicklung von kostengünstigen Elektroautos fokussieren, die Sparte „Mobility“ neue Mobilitätsplattformen entwickeln und sich mit Technologien beschäftigen, die für das autonome Fahren benötigt werden.

„Die Autoindustrie steht am Rand eines massiven Umbruchs und Qoros bringt aus unserer Sicht mit seiner Kultur eines Startup-Unternehmens, einem starken Management-Team, einem starken Unabhängigkeitsgefühl sowie seiner Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen innovativen Partnern die besten Voraussetzungen mit, um eine Führungsposition in einer neuen Welt der Mobilität, der Elektrifizierung und dem autonomen Fahren zu übernehmen“, tönt Chairman Chen in einem Brief an seine Mitarbeiter.

Die CEOs mögen bei Qoros kommen und gehen – die dicken Lippen bleiben.

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