CO2-Skandal bei Volkswagen Diese Dokumente belasten VW und die Regierung

Ende 2015 hat VW den drohenden CO2-Skandal schnell zu den Akten gelegt – mit Hilfe der Regierung. Ein Auszug aus den geheimen Unterlagen, die darauf hindeuten, dass die Affäre voreilig zu den Akten gelegt wurde.

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CO2-Problem bei VW? Quelle: AP

Volkswagen hat Ende 2015 offenbar einen drohenden Skandal um geschönte Verbrauchs- und CO2-Angaben bei hunderttausenden Fahrzeugen voreilig aus dem Weg geräumt. Das Bundesverkehrsministerium war in den Vorgang eingebunden. Diesen Verdacht legen dutzende vertrauliche Unterlagen nahe, die der WirtschaftsWoche vorliegen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft, ob wegen des Vorgangs ein Ermittlungsverfahren wegen Marktmanipulation eingeleitet werden muss.

Zu den wichtigsten Unterlagen, die den verdächtigen Vorgang belegen, gehören diese drei Dokumente:

1. Das Geständnis

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Volkswagen gibt am 3.11.2015 öffentlich zu, dass bei rund 800.000 Autos die CO2-Angaben nicht korrekt sein könnten. Diese Autos will VW nach besonders strengen Regeln nachmessen lassen. Doch in einem Gespräch am 19.11.2015 mit Vertretern des Verkehrsministeriums (BMVI) nimmt VW dieses Versprechen zurück, wie aus dem folgenden, internen Vermerk des Verkehrsministeriums vom 23.11.2015 hervorgeht. Und: VW kündigt an, dass die versprochenen Nachmessungen an den Autos des Modelljahr 2016 im Dezember 2015 wohl nicht mehr abgeschlossen werden können. Die verdächtigen Autos der Modelljahre 2013, 2014 und 2015 sollen noch später nachgemessen werden.

Fazit: Die eigenen Nachmessungen von VW an den verdächtigen Autos müssten sich noch weit ins Jahr 2016 erstrecken. Erst danach kann Volkswagen Klarheit haben, wie viele Autos tatsächlich betroffen sind. Und erst dann kann das Verkehrsministerium entscheiden, welche Autos behördlich überprüft werden müssen.

2. Die Absprache

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Eine Woche später, am 1.12.2015, gibt VW in einer streng vertraulichen Präsentation für das Verkehrsministerium an, dass 47 Motor-Getriebe-Varianten der Marke Volkswagen (entspricht rund 130 Modellvarianten) überprüft werden müssten. 38 Motor-Getriebe-Varianten sind zu diesem Zeitpunkt noch verdächtig (siehe rechter Balken der Grafik, „Kritische Fahrzeuge“).

Fazit: 38 von 47 Modellvarianten, also rund 80 Prozent, sind am 1.12.2015 noch „kritische Fahrzeuge“. Es besteht der konkrete Verdacht, dass sie gefälschte CO2-Angaben haben. Die CO2-Werte müssten nun, wie zuvor von VW selbst angegeben, eigentlich unter Hochdruck monatelang auf Prüfständen im ganzen Land nachgemessen werden.

3. Die Wende

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Doch plötzlich eine erstaunliche Wende. Nur zwei Tage nachdem VW selbst 80 Prozent der Fahrzeuge als „kritisch“ einstuft, gibt das Unternehmen an, dass bis auf sehr wenige Fahrzeuge alles in Ordnung sei: Am 3.12.2015 teilt VW der Untersuchungskommission des Verkehrsministeriums mit, dass statt 130 Modelltypen aus dem Modelljahr 2016 nur 9 Modelltypen betroffen seien. So steht es im folgenden Auszug aus dem Bericht des VW-Untersuchungsausschusses. Das Verkehrsministerium akzeptiert diese 180-Grad-Wende. Am 9.12.2015 teilt VW dem Kapitalmarkt in einer Börsenmitteilung mit, dass sich das CO2-Thema praktisch erledigt habe.

Fazit: VW hat das Thema zu den Akten gelegt, obwohl offenbar nur ein Bruchteil der nötigen Messungen durchgeführt war. Volkswagen will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Das Verkehrsministerium weist sämtliche Vorwürfe zurück.

Haben VW und die Bundesregierung dafür gesorgt, dass sich ein drohender Skandal um geschönte Verbrauchs- und CO2-Angaben bei Dieselautos in Luft auflöste? Interne Unterlagen legen diesen Verdacht nahe.
von Annina Reimann, Martin Seiwert
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