Daimler, BMW, Audi Wie die Digitalisierung die Autobauer herausfordert

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Neuer Hype um High-Tech Autos

Daimler, BMW und Audi bleibt das geschickte Vorgehen der neuen Wettbewerber natürlich nicht verborgen. Sie haben daher Inkubatoren - Brutstätten - für die neue Autowelt eingerichtet. In Tochterunternehmen wie dem Carsharing-Dienst Car2Go, der Planungs-App Moovel, über die sich Angebote von öffentlichem Nahverkehr mit Taxi-Diensten, Deutscher Bahn und Carsharing kombinieren lassen oder Mytaxi, über die Kunden ihr Taxi direkt und nicht über die Zentrale bestellen, probieren sie neue Konzepte aus. Ihr aktuelles Kernprodukt, das Auto, steht dabei nicht mehr im Mittelpunkt, sondern ist nur Teil neuer Mobilitätsanbieter und Dienste.

BMW probiert sich bei DriveNow mit öffentlichem Carsharing aus und hat mit dem Venture-Capital-Unternehmen BMW iVentures einen Ideen-Inkubator ins Leben gerufen. So will man die Ressourcen der Gruppe mit der Flexibilität und dem Tempo von Start-ups zusammenbringen.

Audi wiederrum hat mit Audi Electronics Venture eine 100-prozentige Tochter gegründet, die als Bindeglied zwischen den beiden Welten Automobil und Elektronik fungieren soll. Rund 150 Mitarbeiter entwickeln dort neue Software und Funktionen, betreiben Technologie-Scouting und sichern sich über Beteiligungen und Kooperationen den Zugang zu neuem Wissen.

Connected Drive als Wegweiser

Das entbindet die amtierenden Entwicklungschefs jedoch nicht von der Aufgabe, die Strukturen in ihren bestehenden Abteilungen zu ändern. „Das bedeutet auch neue Arbeitsmodelle, um ohne zusätzliche eigene Ressourcen die vielen neuen Innovationsfelder zu erschließen und wettbewerbsdifferenzierende Funktionen und Lösungen zu bauen – Smart Car-Data, Connectivity 2.0 und Autonomes Fahren bestimmen den neuen Hype nach High-Tech Autos", sagt Thomas Brand von der auf Technologie- und Innovationsmanagement spezialisierten PA Consulting Group in Frankfurt am Main.

Immerhin: Daimler-Vorstand Källenius kann auf Vorarbeiten aufbauen. So haben die Schwaben im vergangenen Jahr in Sindelfingen ein neues Kompetenzzentrum zum Thema Digital Vehicle and Mobility gegründet, das alle Entwicklungsaktivitäten rund um das vernetzte Fahrzeug bündelt. Leiter von „Mission Control“, wie das Zentrum intern in Anlehnung an das Raumfahrtkontrollzentrum der Nasa genannt wird, ist Sajjad Khan, den Mercedes 2014 von BMW zurückgeholt hat. Der gebürtige Inder leitete dort die Entwicklung des Infotainmentsystems Connected Drive, das in der Branche als wegweisend gilt.

Sajjad Khan ist eine Schlüsselfigur

Khan soll zusammenbringen, was bisher nicht zusammenpassen will: Die unterschiedlichen Entwicklungskulturen von Softwareentwicklern und Auto-Ingenieuren. „Vier bis sechs Monate zwischen einzelnen Software-Updates ist das Ziel. Wir sind gerade in den meisten Fällen bei einem Jahr Entwicklungszeit, in manchen Fällen auch schon bei acht Monaten“, sagt Khan.

Updates sollen in Zukunft drahtlos "over-the-air" erfolgen. Das testet der Elektroautobauer Tesla bereits. Auf diese Weise haben Tesla-Fahrer zum Beispiel über Nacht eine Software erhalten, die teilautonomes Fahren möglich macht. "Wir werden sehr sicher in Zukunft over-the-air-Updates anbieten, wo es sicher ist und für den Kunden einen Mehrwert bietet", verspricht Khan. Er will die Zahl der Software-Entwickler weiter erhöhen.

Für Källenius ist Khan damit eine Schlüsselfigur: Vom Erfolg des Digital-Experten hängt auch seine Karriere ab. Källenius wird als möglicher Nachfolger von Dieter Zetsche an der Konzernspitze gehandelt.

Der Schwede tritt seinen neuen Posten als Entwicklungsvorstand in einer der spannendsten Phasen der Automobilgeschichte an. "Was einen Autobauer in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat, ist keine Garantie für Erfolg in der der Zukunft", sagt Andreas Tschiesner, Leiter des Expertenteams für die Automobil- und Fertigungsindustrie der Unternehmensberatung McKinsey. "Wir befinden uns im größten Umbruch seit Erfindung des Autos. Die Premiumhersteller müssen mehr Softwarekompetenz aufbauen, können dafür aber nicht an der Motorentwicklung sparen".

Die zusätzlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung müssten durch intelligente Modularisierung - also die Reduzierung von Varianten wie sie VW etwa bei der Zahl der Lenkräder angekündigt hat - kompensiert werden. "Andernfalls werden sie die Gewinne der Premiumhersteller belasten", warnt Tschiesner.

Alternative? "Es gibt keine".

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